Herzinfarkt: Psychische Belastungssituationen als Auslöser werden unterschätzt
Gesundheitsexperten zufolge steigern psychische Belastungssituationen das Herzinfarktrisiko auch bei gesunden Menschen. Ein bewusster Umgang mit (emotionalem) Stress ist wichtig für die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Erhöhtes Herzinfarktrisiko durch Trauer oder Mobbing
Den meisten Menschen dürfte bekannt sein, dass das Risiko für einen Herzinfarkt und andere Herzkrankheiten durch Faktoren wie Übergewicht beziehungsweise Adipositas, Bluthochdruck und Diabetes erhöht wird. Doch auch psychische Belastungssituationen wie Trauer oder Mobbing lösen selbst bei Patienten ohne Vorerkrankung eine das Herz belastende Reaktion aus. Ein bewusster Umgang mit (emotionalem) Stress ist wichtig für die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Vor allem zwischenmenschlicher Stress kann problematisch werden
Wie die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung (DGK) in einer aktuellen Mitteilung schreibt, steigern enorme psychische Belastungssituationen das Herzinfarktrisiko nicht nur bei Patienten mit bereits bestehender koronarer Herzerkrankung, sondern auch bei Patienten ohne nachgewiesene Vorerkrankung an den Herzkranzgefäßen.
Das Spektrum solcher extremen Stresssituationen kann demnach von einem Trauerfall in der Familie bis hin zum Mobbing am Arbeitsplatz gehen.
Den Experten zufolge ist besonders auffallend, dass der stressbedingte Herzinfarkt vor allem von emotionaler Belastung ausgelöst wird, die durch zwischenmenschliche Probleme entstanden ist.
„Der übliche Alltagsstress wie eine verpasste Straßenbahn ist dabei lange nicht so relevant wie zwischenmenschlicher Stress, beispielsweise mit Arbeitskollegen, dem Partner oder der Familie“, so Prof. Dr. med. Christiane Waller, Sprecherin der DGK-Arbeitsgruppe Psychosoziale Kardiologie.
Emotional aufwühlende Ereignisse können das Herz belasten
Laut der DGK führen emotional aufwühlende Ereignisse zu einer Alarmreaktion des Körpers: die Stresshormone und das sympathische Nervensystem werden aktiviert.
Dies wirkt sich negativ auf das Herz-Kreislauf-System aus. Die Herzleistung steigt an, der Herzmuskel braucht mehr Sauerstoff und der Herzschlag beschleunigt.
Weil sich die Gefäße als Reaktion auf die Stresssituation verengen und es zu einer kritischen Blutdrucksteigerung kommt, werden Herz und Gefäße stark belastet.
Weiße Blutkörperchen werden aktiviert und es kommt zu einer vermehrten Verklebung von Blutplättchen.
„All diese Faktoren zusammen und viele andere zelluläre Phänomene erklären gut, warum es bei Stress leichter zu einem Herzinfarkt kommen kann“, sagte Prof. Dr. med. Hugo Katus, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie.
„Das betrifft besonders häufig die Patienten, die schon eine bestehende koronare Herzkrankheit haben, aber es kann auch Menschen betreffen, die keine nennenswerte Erkrankung an den Herzgefäßen haben“, so der Experte.
Viele Ursachen für Herzinfarkt möglich
Ein Herzanfall kann viele Ursachen haben. Der klassische Myokardinfarkt entsteht durch eine vorbestehende Erkrankung der Herzkranzgefäße und einen Verschluss des Herzkranzgefäßes durch eine Gerinnselbildung an einer arterioskleotischen Ablagerung (Typ 1-Herzinfarkt).
Der DGK zufolge finden sich bei 20-30 Prozent aller Herzinfarkte aber keine Verschlüsse von Herzkranzgefäßen. Hier entsteht eine kritische Sauerstoffschuld des Herzmuskels durch eine für den Sauerstoffbedarf nicht ausreichende Durchblutung.
In der Kardiologie wird dann von einem Typ 2-Herzinfarkt gesprochen. Auch bei diesem Infarkt sind die Angina pectoris Beschwerden (Schmerzen in der Brust) und viele klinischen Befunde mit einem klassischen Herzinfarkt, der durch einen kompletten Gefäßverschluss bedingt ist, identisch.
Allerdings geben die Patienten, deren Herzkranzgefäße trotz Herzinfarkt keinerlei kritische Engstellen aufweisen, Rätsel auf.
Die Ursache für den Infarkt bei diesen Personen ist noch nicht geklärt, könnte aber in einer Verkrampfung der Gefäße (Spasmus) liegen. Den Angaben zufolge wird dieses Phänomen als MINOCA bezeichnet.
Eine besondere Ursache für eine herzinfarktähnliche akute Erkrankung ist das sogenannte Broken-Heart-Syndrom.
Bei circa zwei bis drei Prozent aller Patienten mit Verdacht auf Herzinfarkt wird diese Erkrankung gefunden, die nicht weniger lebensbedrohlich ist als ein Herzinfarkt.
Diese Erkrankung, die besonders oft bei Frauen in der Post-Menopause zu beobachten ist, wird auch Tako-Tsubo-Syndrom oder Stress-Kardiomyopathie genannt.
Als Auslöser finden sich häufig extreme emotionale Belastungen aber auch lebensbedrohende Situationen.
Maßnahmen zur Stressreduktion
Die DGK weist darauf hin, dass sich die akute Behandlung stressbedingter Herzinfarkte nicht von der typischer Herzinfarkte unterscheidet.
Doch Fachärzte sollten die auslösenden psychosomatischen Faktoren insbesondere bei der Nachsorge der Betroffenen nicht außer Acht lassen, damit sie entsprechende Maßnahmen zur Stressreduktion vornehmen können.
Welche das sind, hängt von den individuellen Bedürfnissen des einzelnen Patienten ab.
„Die einen bauen Stress ab, indem sie sich körperlich betätigen. Diesen Patienten raten wir dann zu sportlichen Aktivitäten, während andere Patienten eher Ruhe benötigen“, erklärte Waller.
„Besonders beliebt sind derzeit Tai Chi, Chi Gong oder achtsamkeitsbasierte Verfahren als Entspannungstechniken. Vielen hilft aber auch einfach das Lesen eines guten Buchs.“
Noch immer Todesursache Nummer eins in Europa
Doch auch weniger existenzieller Stress kann das Risiko für Herzinfarkt erhöhen.
So konnten Wissenschaftler aus München zeigen, dass die Zahl der Herzinfarkte während der Fußball-Weltmeisterschaftsspiele der deutschen Mannschaft signifikant angestiegen ist.
Während die Sterblichkeitsrate bei den unterschiedlichen Herzinfarkt-Typen laut Prof. Dr. Katus im Wesentlichen vergleichbar ist, zeigen Registerdaten nach Situationen mit hoher Stressbelastung, wie beispielsweise nach Erdbeben, dass die durch Stress getriggerten Herzinfarkte mit mehr Komplikationen und größeren Herzinfarkten einhergehen.
Unklar ist bis bislang allerdings, ob Herzinfarkte abhängig von der spezifischen Auslösesituation unterschiedliche Sterblichkeitsraten haben.
Generell gilt, dass ein gesunder Lebensstil äußerst wichtig für die Prävention kardiovaskulärer Ereignisse ist.
Dazu gehört unter anderem auch ein möglichst bewusster Umgang mit Stresssituationen. Denn Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind immer noch die Todesursache Nummer eins in Europa. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.