Gefährlich Gehirnentzündung: Bornavirus kann auch für Menschen tödlich sein
In einer Studie deutscher Forscher hat sich gezeigt, dass das von Erkrankungen bei Pferden und Schafen bekannte klassische Bornavirus (BoDV-1) auch bei gesunden Menschen tödliche Gehirnentzündungen auslösen kann. Schon frühere Untersuchungen hatten gezeigt, dass der Erreger für den Menschen gefährlich werden kann.
Tödliche Bornavirus-Infektionen in Deutschland
Vor wenigen Monaten war berichtet worden, dass es in Deutschland erstmals zu tödlichen Bornavirus-Infektionen bei Menschen gekommen war. Den Angaben zufolge trat die Infektion, die eine Entzündung des Gehirns auslösen kann, bei insgesamt fünf Personen auf, drei davon waren Empfänger von Spenderorganen desselben Spenders. Nun hat sich in einer Studie von Forschern des Universitätsklinikums Erlangen gezeigt, dass der Erreger auch für gesunde Menschen lebensgefährlich werden kann.
Krankheitsfälle wurden eindeutig durch das Bornavirus ausgelöst
Laut einer im Fachmagazin „New England Journal of Medicine“ veröffentlichten Studie kann das von Erkrankungen bei Pferden und Schafen bekannte klassische Bornavirus (BoDV-1) auch bei gesunden Menschen tödliche Gehirnentzündungen auslösen.
„Die von uns untersuchten tödlichen Krankheitsfälle zeigten das Krankheitsbild einer schweren Gehirnentzündung, die eindeutig von einer Bornavirus-Infektion ausgelöst wurde“, erklärte Prof. Dr. Armin Ensser vom Virologischen Institut des Universitätsklinikums Erlangen, in einer Mitteilung.
Den Angaben zufolge habe das untersuchte Krankheitsbild große Ähnlichkeit mit der Bornaschen Krankheit bei Pferd und Schaf sowie mit den sehr seltenen Bornavirus-Infektionen bei Haltern exotischer Bunthörnchen in Deutschland.
Erreger in bestimmten Teilen Europas verbreitet
Wie es in der Mitteilung heißt, ist das ursächliche Bornavirus nach heutigem Wissensstand regional begrenzt in Teilen Ost- und Süddeutschlands, Österreichs, der Schweiz und Liechtensteins verbreitet.
„Bei Patienten mit schweren neurologischen Erkrankungen sollte daher das Bornavirus insbesondere in diesen Risikogebieten als möglicher Erreger berücksichtigt werden“, sagte Prof. Ensser.
„Die Dunkelziffer von Bornavirus-Infektionen bei tödlichen Gehirnentzündungen ist unbekannt, da die Infektion bislang bei Routineuntersuchungen nicht in Betracht gezogen wurde.“
Nun sollen weitere Forschungen unter anderem klären, wie häufig Bornavirus-Infektionen beim Menschen tatsächlich sind, wie das Virus rechtzeitig diagnostiziert und der tödliche Infektionsverlauf verhindert werden kann.
Den Experten zufolge gibt es derzeit noch keine zugelassene antivirale Therapie.
Spitzmäuse als mögliche Infektionsquelle
Laut den Wissenschaftlern wurde die „hitzige Kopfkrankheit der Pferde“, die durch das Virus der Bornaschen Krankheit ausgelöst wird, erstmals 1813 beschrieben.
Ihren Namen erhielt die Krankheit 1894, als ein ganzer Stall voller Kavalleriepferde in der Stadt Borna (Sachsen) erkrankte.
Das natürliche Reservoir des Bornavirus ist die Feldspitzmaus.
Bisher bekannt war, dass das Virus von Spitzmäusen über den Urin und Speichel ausgeschieden und gelegentlich auf andere Säugetiere – sogenannte Fehlwirte dieses Virus – übertragen wird, bei denen es dann zur Bornaschen Krankheit kommen kann.
Vor allem Pferde und Schafe sind davon betroffen. Während infizierte Feldspitzmäuse keine Anzeichen einer Erkrankung zeigen, befällt das Virus bei den Fehlwirten das zentrale Nervensystem und es kommt, wahrscheinlich durch den Angriff von körpereigenen Immunzellen, zu umfangreichen Zerstörungen im Gehirn.
Eine Übertragung des Virus von infizierten Pferden oder Schafen untereinander oder auf andere Säugetiere wurde bisher nicht nachgewiesen. Das Virus wird von den Fehlwirten nicht ausgeschieden und ist auch in ihrem Blut kaum nachweisbar.
Nachweis virusspezifischer Antikörper eindeutig bestätigt
Nachdem zwei Patienten ohne bekannte Risikofaktoren und trotz intensiver Behandlung an der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Erlangen an einer schweren Gehirnentzündung unbekannter Ursache verstorben waren, hatte das Forscherteam aus Neuropathologen, Neurologen, Pathologen und Virologen unter Federführung von Prof. Ensser deren Gewebeproben mittels moderner Next-Generation-Sequencing-Verfahren untersucht.
Dazu wurden die RNA-Sequenzen von Millionen von RNA-Molekülen bestimmt und bioinformatisch mit Sequenzdatenbanken bekannter Pathogene verglichen.
Hierdurch identifizierten die Wissenschaftler im Gehirn eines der verstorbenen Patienten große Mengen der Erbsubstanz eines Virus. Die Nukleinsäuresequenz dieses Virus war eindeutig dem klassischen Borna-Disease-Virus 1 (BoDV-1) zuzuordnen.
In anschließenden methodisch unabhängigen Untersuchungsverfahren konnte die Diagnose einer Bornavirus-Infektion durch Antigennachweis mittels klassischer Immunohistochemie, RT-PCR (Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion) und den Nachweis virusspezifischer Antikörper im Patientenserum eindeutig bestätigt werden.
Virus bei Empfängern von Spenderorganen nachgewiesen
Von einer anderen Forschergruppe konnte das Bornavirus auch bei drei Empfängern von Spenderorganen eines postmortalen Organspenders nachgewiesen werden, der als Virusüberträger gilt.
Zwei der immunsupprimierten Organempfänger verstarben im weiteren Verlauf, der Dritte überlebte mit schweren Gehirnschäden.
Die untersuchten Fälle stellen keine Bestätigung der in der Vergangenheit veröffentlichten Studien zu einem weitverbreiteten Vorkommen von BoDV-1-Infektionen beim Menschen und bei bestimmten neuropsychiatrischen Erkrankungen dar.
„Insbesondere waren – außer im Gehirn – kein Virus und keine Virusbestandteile in anderen Geweben und Körperflüssigkeiten nachweisbar, sodass eine Übertragung des Virus über normale zwischenmenschliche Kontakte auszuschließen ist“, so Prof. Ensser.
Den Angaben zufolge stammten alle Patienten und der Organspender aus einem der bekannten Verbreitungsgebiete von BoDV-1.
Kontroverse um die Gefährlichkeit des Virus
In der Vergangenheit gab es um das Virus und seine Gefährlichkeit eine wissenschaftliche Kontroverse.
Die Anfang der 1990er Jahre begonnene Forschung am Robert Koch-Institut (RKI) zu möglichen Bornavirus-Infektionen des Menschen wurde 2005 eingestellt.
Damals hieß es, dass man trotz jahrelanger Bemühungen keinen belastbaren Hinweis auf eine Gefährdung des Menschen gefunden habe.
Vermeintliche Bornavirus-Nachweise in menschlichen Proben waren später auf Verunreinigungen im Labor zurückgeführt worden.
Das Thema hatte auch deshalb viel Beachtung gefunden, weil einige der Wissenschaftler das Bornavirus als einen Faktor beim Entstehen von Krankheiten wie Depression und Schizophrenie darstellten.
Doch laut der Gesellschaft für Virologie (GfV) gibt es „für die mitunter veröffentlichte These, wonach ein großer Teil der Bevölkerung mit dem Virus infiziert sei und ein Zusammenhang mit dem Auftreten verschiedener neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen bestehe“, nach wie vor keine wissenschaftlich fundierten Beweise.
Die Experten der GfV sehen hohen Bedarf an einer weiteren Erforschung des Virus, um offene Fragen hinsichtlich Verbreitung, Übertragungswege, Frühdiagnostik und Therapie des Virus zu klären. (ad)
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