Doppelt hält besser: Neue Wirkstoffkombination gegen Diabetes und starkes Übergewicht
Experten zufolge leben immer mehr Übergewichtige in Deutschland. Und auch die Zahl der Diabetes-Patienten steigt seit Jahren massiv an. Forscher berichten nun über eine neue Kombinationstherapie gegen Adipositas und die sogenannte Zuckerkrankheit. Diese zügelt den Appetit und erhöht gleichzeitig den Energieverbrauch.
Zunahme von Fettleibigkeit und Diabetes
Immer mehr Menschen sind zu dick: Adipositas (Fettleibigkeit) ist längst eine Volkskrankheit, die durch verschiedene Faktoren begünstigt wird. Neben Bewegungsmangel ist hier vor allem eine ungesunde Ernährung, oft kombiniert mit übermäßigem Appetit, zu nennen. Wer zu viel wiegt, hat auch ein höheres Risiko, an Diabetes zu erkranken. Mit einer neuen Kombinationstherapie gegen Übergewicht und die sogenannte Zuckerkrankheit könnten die Probleme künftig besser in den Griff bekommen werden.
Überschüssige Fettpolster schmelzen lassen
„Übergewicht ist der größte Risikofaktor für die Entwicklung von Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, erklärt Prof. Dr. Dr. h.c. Matthias H. Tschöp, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Helmholtz Zentrums München und Inhaber des Lehrstuhls für Stoffwechselerkrankungen an der Technischen Universität München (TUM) in einer Mitteilung.
„Durch eine Diät alleine ist das zunehmende Adipositas-Problem leider nicht in den Griff zu bekommen, weshalb medikamentöse Therapieansätze unerlässlich sind“, ergänzt Tschöp, der zuvor Direktor des Instituts für Diabetes und Adipositas (IDO) am Zentrum war.
Deswegen hat er zusammen mit Dr. Timo Müller (kommissarischer Direktor des IDO), Dr. Christoffer Clemmensen (früher IDO) und Sigrid Jall (Doktorandin am IDO) eine neue Strategie entwickelt.
Den Forschern ist es mit einer neuen Kombinationstherapie gelungen, überschüssige Fettpolster schmelzen zu lassen, indem gleichzeitig der Appetit gezügelt und der Energieumsatz erhöht wird.
Die Studienergebnisse wurden vor kurzem im Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlicht.
Vorlage der neuen Therapie stammt aus der Natur
Wie es in einer gemeinsamen Pressemitteilung des Helmholtz Zentrums München und der Technischen Universität München (TUM), Partner im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung, heißt, stammt die Vorlage der neuen Kombinationstherapie aus der Natur.
„Es ist lange bekannt, dass wir mehr Energie verbrauchen, wenn wir in einer kalten Umgebung sind. Der Körper versucht dann, die Körpertemperatur aufrecht zu erhalten“, erklärt Clemmensen.
Säugetiere wie der Mensch haben dazu spezielle – sogenannte braune – Fettzellen, welche darauf spezialisiert sind, Energie in Wärme umzuwandeln.
Ein Schlüsselmechanismus in diesem Prozess basiert darauf, dass spezielle Kälterezeptoren (Trpm8-Kanäle) aktiviert werden, die das Kältesignal an das braune Fettgewebe weitergeben.
Eine Komponente der neuen Wirkstoffkombination, das Molekül Icilin (vom englischen Wort ‚ice‘ abgeleitet), zielt darauf ab, genau diesen Effekt hervorzurufen.
„Icilin aktiviert Trpm8-Kanäle und führt so zu einer Erhöhung des Energieumsatzes, jedoch ohne dass wir uns in eine kalte Umgebung begeben müssen“, erläutert Sigrid Jall.
Laut den Forschern führte die medikamentöse Aktivierung von Trpm8 in adipösen Mäusen zu einer Aktivierung des braunen Fettgewebes; der Energieumsatz stieg und das Körpergewicht verringerte sich.
Kampf dem Hungergefühl
Die zweite Komponente der Wirkstoffkombination zielte darauf ab, den Appetit zu zügeln und somit die Nahrungsaufnahme zu reduzieren.
Hier verwendeten die Wissenschaftler ein Molekül, welches im Gehirn ähnlich wie Nikotin sogenannte nikotinerge Acetylcholinrezeptoren (nAChR) anspricht. Diese Rezeptoren befinden sich auf speziellen Nervenzellen im Hypothalamus.
Wenn sie aktiviert werden, führt dies zu einem gesteigerten Sättigungsgefühl und der Appetit sinkt.
In ihren Experimenten verwendeten die Forscher jedoch nicht das giftige Nikotin zur Aktivierung der Rezeptoren, sondern das harmlosere, aber weitaus spezifischere Dimethylphenylpiperazin (DMPP).
Wiederum in adipösen Mäusen führt DMPP nicht nur zu einer Reduzierung der Nahrungsaufnahme, sondern auch zu einer deutlichen Verbesserung des Zuckerstoffwechsels.
Kombination wirkt besser als Einzelbehandlung
Die Experten machten bei ihren Experimenten eine besonders wichtige Entdeckung: Die Kombination von Icilin und DMPP reduzierte das Körpergewicht und verbesserte den Zuckerstoffwechsel weitaus stärker, als wenn die Effekte der Einzelbehandlung von Icilin und DMPP einfach aufaddiert würden.
So führte die alleinige Behandlung mit Icilin oder DMPP nur zu geringen Effekten auf das Körpergewicht.
„Kombiniert man jedoch beide Behandlungen in einer einzigen Therapie, so werden das Körpergewicht und der Zuckerstoffwechsel nachhaltig verbessert, ein wichtiger Erkenntnisgewinn zur Entwicklung neuer Therapieansätze für die Behandlung von Adipositas und Diabetes“, so Matthias Tschöp.
In weiteren Experimenten versuchen die Forscher nun herauszufinden, warum die Kombination der beiden Moleküle so viel besser wirkt als die Einzelsubstanzen.
„Die Ergebnisse dieser Studien können wichtige neue Erkenntnisse liefern, wie Moleküle sich gegenseitig in ihrer Wirkung verstärken, was maßgeblich die Entwicklung zukünftiger Therapien verbessern könnte“, sagt Timo Müller abschließend. (ad)
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