Experte gibt Rat, auf was Angehörige in der ersten Zeit achten sollten
Nach schweren Schicksalsschlägen wie einem Herzinfarkt oder Schlaganfall gerät der normale Familien-Alltag erst mal aus dem Takt. Denn der Betroffene muss gepflegt werden, was viele Angehörige vor eine große Herausforderung stellt. Häufig bestehen große Unsicherheiten darüber, was alles organisiert werden muss und wie mit der neuen Situation umgegangen werden soll. Stefan Palmowski von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) gibt im Gespräch mit der Nachrichtenagentur „dpa“ Tipps, worauf in der ersten Zeit geachtet werden sollte.
Beratung ist der erste wichtige Schritt
„Wer kümmert sich um die Pflege unseres Vaters?“ „An was müssen wir alles denken?“ Fragen wie diese kommen häufig auf, wenn ein Familienmitglied z.B. plötzlich eine lebensbedrohliche Herz-Kreislauf-Erkrankung wie einen Schlaganfall oder Herzinfarkt erleidet. Viele Angehörige wissen nicht, wie sie die neue Situation meistern sollen, sind verunsichert und können nicht einschätzen, ob der Betroffene dauerhaft pflegebedürftig bleibt oder nicht.
Wichtig sei daher zunächst eine Beratung bei einer entsprechenden Fachstelle, so Stefan Palmowski von den UPD gegenüber der „dpa“. Angehörige könnten sich überall in Deutschland an trägerunabhängige Pflegeberatungsstellen wenden, die z.B. von den Kommunen organisiert werden. Am einfachsten sei es, sich telefonisch an die jeweilige Stadt oder Kommune zu richten, um den Kontakt der zuständigen Beratungsstelle zu erhalten. Alternativ könne auch im Internet die Datenbank des Zentrums für Qualität in der Pflege (bdb.zqp.de) genutzt werden, so der Experte weiter.
Antrag auf Pflegestufe möglichst früh stellen
Im Krankenhaus oder der Reha-Klinik könnten sich Angehörige auch an den Sozialdienst richten. Zudem sei es wichtig, dass die Pflege und Betreuung direkt nach der Entlassung geregelt werde, damit es zu Hause nicht zu einem Engpass kommt. Zeichnet sich ab, dass der Erkrankte länger Hilfe braucht, sollte laut Stefan Palmowski möglichst früh ein Antrag auf eine Pflegestufe gestellt werden, um Klarheit über die finanziellen Punkte zu bekommen. Dies sei der Fall, “wenn man den Eindruck hat, dass derjenige auf Dauer, das heißt über ein halbes Jahr, auf Unterstützung angewiesen ist”, erklärt Palmowski.
„Man muss ein bisschen versuchen, in die Zukunft zu schauen“, wobei die Einschätzung der Ärzte eine gute Hilfe sein könne, so Palmowski weiter. Der Antrag werde direkt an die zuständige Pflegekasse geschickt, die immer bei der Krankenversicherung organisiert ist, bei der der Pflegebedürftige krankenversichert ist. Neben dem könne bereits im Krankenhaus oder der Reha-Klinik durch eine Prüfung des Medizinische Dienstes geklärt werden, ob zumindest die Pflegestufe 1 erreicht sei.
Ein Pflegetagebuch bietet gute Hilfe beim Hausbesuch des Medizinischen Dienstes
Steht ein Hausbesuch des Medizinischen Dienstes an, um die Pflegebedürftigkeit nach der Entlassung genauer einzuschätzen, empfiehlt es sich, gut vorbereitet sein. Hilfreich sei laut Palmowski z.B. ein Pflegetagebuch, mithilfe dessen genau dokumentiert werden könne, in welchen Bereichen der Patient Unterstützung benötigt. „Wenn ich da mit Beispielen arbeiten kann, ist das immer gut“, sagt der Experte von der Unabhängigen Patientenberatung. Empfehlenswert sei es zudem, neben der Art der Hilfe auch den Zeitaufwand (in Minuten) zu notieren, ebenso sollten soweit möglich Arztberichte sowie Aufzeichnungen über verordnete Hilfsmittel und Medikamente bereit gehalten werden. Dadurch könnten Missverständnisse vermieden werden, denn manchmal wirke ein Pflegebedürftiger am Tag des Besuchs viel fitter, als er eigentlich ist, so Palmowski.
Angebot der Pflegedienste genau prüfen
Wurde die Pflegebedürftigkeit bestätigt und die Stufe bestimmt, besteht ein Anspruch auf bestimmte Leistungen. Nun sei es dem Experten nach jedoch erforderlich, diese entsprechend einzuteilen. Denn die Pflegekasse würde zwar die finanzielle Unterstützung zahlen, dennoch müsse mit dem Pflegedienst ausgehandelt werden, wie diese bestmöglich ausschöpft werden kann. Dementsprechend wichtig ist es, hier die eigenen Ansprüche genau zu kennen, wobei laut Palmowski aber die Pflegeberatungsstellen eine gute Hilfestellung bieten würden.
Die Auswahl des richtigen Pflegedienstes sollte ebenfalls gut vorbereitet werden. Durch Fragen wie „Wie gut ist das Personal ausgebildet?“ oder „Wie flexibel sind die Mitarbeiter einsetzbar?“ könnte das Angebot im Vorfeld besser auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmt werden. Eine Übersicht der Dienste liefere z.B. die Internet-Seite www.weisse-liste.de, auf der sich Angehörige auch über Kosten für verschiedene Leistungen informieren können, so Palmowski.
Angehörige haben Recht auf freie Tage für die Organisation
Für die Organisation der Betreuung des Patienten sollten sich die Angehörigen Zeit nehmen, rät der Experte von der Unabhängigen Patientenberatung. „Als Angehöriger habe ich das Recht, mir ein paar Tage freizunehmen.” Denn nach §2 Abs. 1 Pflegezeitgesetz (PflegeZG) hat jeder Beschäftigte bei einem familiären Pflegefall Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht für maximal 10 Arbeitstage. Dies gilt jedoch nur, wenn es sich um eine „akut aufgetretene Pflegesituation“ handelt, zudem muss die Arbeitsverhinderung und deren voraussichtliche Dauer dem Arbeitgeber unverzüglich mitgeteilt werden (§ 2 Abs. 2 Satz 1 PflegeZG).
Im Anschluss bestehe laut Palmowski die Möglichkeit der Pflegezeit. Durch diese könnten sich Arbeitnehmer bis zu 6 Monate unbezahlt vollständig oder teilweise für die Pflege des Angehörigen von der Arbeit freistellen lassen. Zudem können Betroffene im Rahmen der neuen Familienpflegezeit seit dem 1.1.2105 die die Arbeit maximal 24 Monate lang auf bis zu 15 Stunden pro Woche reduzieren, um nahe Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen. (nr)
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