Jährlich 700.000 Todesfälle aufgrund von Antibiotika-Resistenzen
Die Anzahl der Bakterienstämme, bei denen Antibiotika keine Wirkung mehr zeigen, nimmt drastisch zu, warnt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Die Organisation erklärt Antibiotikaresistenzen zu einer ständig wachsenden Bedrohung für die globale Gesundheit. Aus einem aktuellen Bericht geht hervor, dass jährlich rund 700.000 Menschen sterben, weil herkömmliche Antibiotika nicht mehr wirken. In der Europäischen Union seien es jährlich rund 33.000 Personen. Die Anzahl der Opfer nehme jedes Jahr zu.
Aufgrund der beunruhigenden und schnell zunehmenden Problematik schlossen sich die „Food and Agriculture Organization of the United Nations“ (FAO), die „World Organisation for Animal Health“ (OIE) und die „World Health Organization“ (WHO) zusammen, um mit einer Stimme gegen die wachsende Bedrohung vorzugehen. In ihrem gemeinsamen Statement rufen sie Regierungen dazu auf, Maßnahmen gegen die Resistenzen einzuleiten. Antibiotikaresistenzen seien eine der größten Bedrohungen für Gesundheit, Wohlstand und Ernährungssicherheit des 21. Jahrhunderts.
Mensch und Tier gleichermaßen betroffen
Wie die WHO berichtet, teilen wir uns die gleichen Bakterien, Viren und Pilze wie die Tiere. Etwa 60 Prozent aller menschlichen Krankheiten stammen von Tier-Mikroben. Wenn sich in Tieren Erreger bilden, die Arzneimittelresistenzen vorweisen, könne es leicht passieren, dass sich diese auf den Menschen ausweiten. Die Folge: Viele Infektionskrankheiten, die normalerweise gut heilbar sind, werden plötzlich wieder zu einer lebensgefährlichen Bedrohung, weil die effektivsten Medikamente versagen.
Resistente Bakterien – die Kinder der modernen Viehzucht
Die Hauptgründe für den rasanten Anstieg sieht die WHO in der übermäßigen Antibiotika-Verwendung in der Viehzucht. Hier wird das Medikament nicht nur zur Behandlung eingesetzt, sondern auch zur Wachstumsförderung und zur Prävention. Die häufige Nutzung führe dazu, dass sich immer mehr resistente Keime im Darm der Tiere bilden. Diese werden ausgeschieden, gelangen in die Gülle und werden so weltweit auf unzählige Felder verteilt.
WHO ruft zu kollektiven Maßnahmen auf
Ein Land allein kann diese Entwicklung nicht mehr stoppen, warnt die WHO, denn: Mikroben kennen keine Grenzen. Sektorübergreifende Maßnahmen in der öffentlichen Gesundheit, der Veterinärmedizin und des Umweltschutzes seien erforderlich, um die Resistenzen einzudämmen. „Ich rufe alle europäischen Länder dazu auf, das höchste Engagement der gesamten Gesellschaft und der gesamten Regierung für diesen Ansatz sicherzustellen“, fordert die WHO-Regionaldirektorin für Europa Dr. Zsuzsanna Jakab in einer Pressemitteilung.
Antibiotika-Einsatz muss umsichtiger werden
„Bei 33.000 Todesfällen pro Jahr allein in Europa infolge einer Infektion durch antibiotikaresistente Bakterien und einem jährlichen Gesundheitsaufwand von einer Milliarde Euro müssen wir sicherstellen, dass Antibiotika umsichtiger eingesetzt werden“, ergänzt Andrea Ammon, die Direktorin des Europäischen Zentrums für Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC). Es müsse eine länderübergreifende Strategie entwickelt werden, da sich der Antibiotika-Einsatz von Land zu Land stark unterscheide. Das ECDC fordert Maßnahmen, die auf allen Ebenen greifen.
Wie kann das Problem behoben werden?
Die WHO berichtet, dass es zuallererst nötig ist, die Entwicklung von Resistenzen in der Viehzucht zu verringern. Hier zeigt sich bereits erste Besserung. „Viele Regierungen streichen den Einsatz von Antibiotika als Wachstumsförderer und Präventivmaßnahme für Nutztiere und setzen Antibiotika bei gesunden Tieren nur noch in Ausnahmefällen ein“, so die WHO-Experten. Doch es gebe auch noch Länder, die dies noch nicht getan haben.
Wie sieht die Situation in Deutschland aus?
Zwar ist der Antibiotika-Einsatz in der Viehzucht leicht rückläufig, als Vorbild kann Deutschland hier aber nicht genannt werden. Laut der weltweit größten Tierrechtsorganisation PETA wurden im Jahr 2017 733 Tonnen Antibiotika in deutschen Ställen verfüttert. Eine andere Untersuchung vom Julius-Kühn-Institut fand kürzlich resistente Bakterien in vielen Fertig-Salatprodukten in deutschen Supermärkten. Eine Laobor-Untersuchung der Umweltschutzorganisation BUND konnte antibiotikaresistente Keime in Fleisch-Stichproben von Aldi, Lidl, Netto, Penny und Real nachweisen. „Jetzt ist es an der Zeit zu handeln, damit wir nicht unsere Fähigkeit verlieren, Menschen und Tiere über Generationen hinweg zu heilen“, resümieren die WHO-Experten. (vb)
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Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.