Mikroben aus dem Darm beeinflussen Gehirn und Verhalten
Neurobiologen sagen: Mikroben aus dem Darm beeinflussen Gehirn und Verhalten. Sie könnten die Blut-Hirn-Schranke überwinden und über Nerven vom Darm ins Gehirn wandern.
Aufregung bei der Neuroscience-Gesellschaft
Das Jahrestreffen der Neuroscience-Gesellschaft verläuft in der Regel ruhig und ist vor allem für Neurobiologen selbst von Interesse. Dieses Mal verblüfften spektakuläre Thesen aber so sehr, dass sogar die Magazine Science und Nature darüber schrieben.
Von den Eingeweiden in die Zentrale
Das Team um die Neuroanatomin Rosalinda Roberts geht davon aus, dass Darmmikroben in das Gehirn eindringen und so das menschliche Verhalten mitbestimmen. Sie könnten die Blut-Hirn-Schranke überwinden, über Nervenbahnen das Gehirn erreichen und seien weder traumatisiert noch infiziert.
Körper voller Bakterien
Menschliche Körper stecken voller Mikroben in diversen Arten und verschiedenen Populationen. Manche schaden uns und lösen Krankheiten aus, andere ermöglichen uns, zu leben. Sie siedeln sich in der Vagina ebenso an wie in der Lunge, im Mund und im Darm.
Das Mikrobiom
Forscher sprechen inzwischen vom Mikrobiom als Ergänzung zum Genom. Demnach besteht der Mensch nicht nur aus seinen „eigenen“ Genen, sondern auch aus „seinen“ Mikroben, die wesentlich mehr Zellen und genetische Informationen enthalten als der menschliche Körper, in dem sie sich bewegen.
Darmmikroben organisieren die Verdauung
Am besten erforscht ist das Mikrobiom im Darm. Hier leben diverse Bakterienformen. Diese ermöglichen die Verdauung und halten das Immunsystem aufrecht.
Fühlen – Vom Darm zum Hirn
Wenn wir im Volksmund von einem „Bauchgefühl“ sprechen, dann haben wir Recht. Das Mikrobiom im Darm beeinflusst unsere Gefühle, Stimmungen und Gedanken und zwar in direkter Kommunikation mit dem Gehirn.
Darm-Hirn-Achse
Wissenschaftler nennen diese Verbindung die Darm-Hirn-Achse. Im Experiment wurden Mäuse, die ein Darmmikrobiom von mutigeren Mäusen bekamen, ebenfalls mutiger.
Ist auch das Gehirn betroffen?
Bisher vermuteten Forscher, dass Darmflora und Gehirn zwar Informationen austauschen, dass die Signale vom Gehirn aber auf biochemischen Prozessen basieren.
Die Blut-Hirn-Schranke
Im Körper gibt es die sogenannte Blut-Hirn-Schranke. Diese verhindert, dass potenzielle Krankheitserreger aus dem Blut ins Gehirn gelangen. Dringen Mikroben wie Pilze, Parasiten oder Bakterien nämlich ins Gehirn ein, zum Beispiel durch eine Verletzung, hat dies schnell tödliche Folgen.
Mikroben im Gehirn?
Die Forscher um Rosalinda Roberts entdeckten Bakterien in 34 Fällen in den Hirnen von Toten in unterschiedlicher Anzahl.
Um welche Mikroben handelt es sich?
Es handelte sich um Bakterien mit einem Zellkern in Stabform, mit DNA, Ribosomen und Vakuolen.
Blut-Hirn-Schranke besonders besiedelt
In den Gehirnen von Menschen, aber auch von Mäusen, saßen die Bakterien im Hippocampus, im präfrontalen Kortex, in der Substantia nigra, in Astrozyten und Gliazellen, besonders aber an der Blut-Hirn-Schranke.
Keine Infektion?
Die Forscher betonen, dass die Bakterien keinesfalls durch einen Eingriff nach dem Tod in den Körper gelangten. Die Verstorbenen hätten auch zuvor nicht an Infektionen gelitten, die die Bakterien erklären könnten. Dies deute darauf hin, dass die Bakterien regulär im Gehirn lebten.
Die gleichen Bakterien wie im Darm
Mehr noch. Die Proteobasterien, Firmicutes und Bacteroidetes im Gehirn seien die gleichen wie im Darm. Die Mikrobenwelten in Darm und Hirn seien womöglich eng verknüpft.
Wie kamen die Mikroben ins Gehirn?
Wie die Bakterien in das Gehirn gelangten, beantworten die Forscher nicht eindeutig. Sie mutmaßen, dies könne über das Blut gelaufen sein.
Steuern Hirnbakterien unser Verhalten?
Die Darmbakterien beeinflussen signifikant die Darmtätigkeit. Wie sieht das aber mit den Mikroben im Gehirn aus? Werden unsere Wahrnehmungen, unsere Gedanken, unsere Hirnfunktionen von mikroskopisch kleinen Lebewesen mitbestimmt? Das klingt arg nach Science Fiction und lässt gespannt auf weitere Forschungsergebnisse warten. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.