Reiche leben durchschnittlich rund zehn Jahre länger
Die Reichen werden immer reicher und die Armen werden immer ärmer – diese Beobachtung wird in jüngster Zeit heftig diskutiert. Nun kommt noch ein neue Erkenntnis hinzu: Die Reichen werden immer älter und die Armen sterben immer früher. Die viel diskutierte Schere zwischen reichen und armen Menschen wirkt sich einer aktuellen Studie zufolge auch massiv auf die allgemeine Lebenserwartung aus. Mittlerweile bestehe ein Unterschied in der Lebenserwartung von durchschnittlich zehn Jahren.
Die Kluft in der Lebenserwartung der reichsten und der ärmsten Gesellschaftsschicht nimmt zu. Dies geht aus einer Untersuchung des Imperial College London hervor. Die Forschenden werteten über 7,5 Millionen Todesfälle aus, die in den Jahren 2001 bis 2016 in England registriert wurden und berücksichtigten dabei die finanzielle Situation der Verstorbenen. Dabei zeigte sich, dass sich die Kluft in der Lebenserwartung seit dem Jahr 2001 rasant vergrößert hat. Im Jahr 2001 lebte die ärmste Bevölkerungsschicht rund sechs Jahre kürzer als die reichste. Im Jahr 2016 betrug der Unterschied schon zehn Jahre. Die Studienergebnisse sind kürzlich in dem Fachjournal „Lancet Public Health“ erschienen.
Ein zutiefst beunruhigender Trend
Die Ergebnisse der Studie werden von den Forschenden als „zutiefst beunruhigend” bezeichnet. Den Studienergebnissen zufolge lag die aktuelle Lebenserwartung von englischen Frauen in den am stärksten benachteiligten Bevölkerungsgruppen im Jahr 2016 bei 78,8 Jahren gegenüber 86,7 Jahren in der reichsten Gruppe. Die Lebenserwartung der Männer lag bei den Ärmsten bei 74,0 Jahren, gegenüber 83,8 Jahren unter den Reichsten.
Soziale Ungerechtigkeit im Gesundheitssystem
„Die sinkende Lebenserwartung in der ärmsten Bevölkerungsschicht ist ein zutiefst beunruhigender Indikator für den Gesundheitszustand unserer Nation und zeigt, dass wir die am stärksten gefährdeten Personen außen vor lassen“, so das Fazit des leitenden Autors der Studie Professor Majid Ezzati zu dem Zustand des englischen Gesundheitssystems.
Für die Armen gibt es vorwiegend schlechte Ernährung
Einen Grund für diesen Trend sieht der Professor in den Ernährungsgewohnheiten. „Der Preis für gesunde Lebensmittel wie frisches Obst und Gemüse ist im Vergleich zu ungesunden verarbeiteten Produkten gestiegen, sodass sie für die Ärmsten zu teuer geworden sind“, erläutert Ezzati in einer Pressemitteilung. Hinzu kämen Einkürzungen im Gesundheitswesen, die dazu geführt hätten, dass bestimmte Krankheiten wie Krebs oder Demenzerkrankungen wie Alzheimer bei ärmeren Personen zu spät diagnostiziert werden.
In Armut lebende Kinder sind besonders hart betroffen
Der Trend zog sich den Forschenden zufolge durch alle Krankheitsbilder. Am stärksten zeigte sich der Unterschied jedoch in der Sterblichkeit von Neugeborenen und Kindern. Im Jahr 2016 starben in ärmeren Familien 2,5 mal so viele Kinder unter fünf Jahren wie in wohlhabenden Familien. Weitere Krankheiten bei denen der Unterschied besonders auffällig war, sind laut der Studie Atemwegserkrankungen, Herzkrankheiten, Lungen- und Darmkrebs sowie Demenz.
Wird aus Geldmangel nicht ausreichend geholfen?
„Diese Studie legt nahe, dass die Armen in England an Krankheiten sterben, die verhindert und behandelt werden können”, so Ezzati. Höhere Investitionen in die Gesundheits- und Sozialfürsorge seien erforderlich, um diesem Trend entgegenzuwirken. Auch gesunde Lebensmittel müssten erschwinglicher werden, damit das Einkommen einer Familie nicht die Qualität der Ernährung bestimmt, fordert das englische Forschungsteam.
Wie sieht der Trend in Deutschland aus?
Eine Analyse des Robert Koch-Instituts (RKI) aus dem Jahr 2014 kommt zu ähnlichen Ergebnissen, die die englische Kluft sogar noch übertreffen. Dem RKI zufolge liegt die Differenz in der Lebenserwartung zwischen Arm und Reich bei 8,4 Jahren bei Frauen und 10,8 Jahren bei Männern. Zusätzlich ist das verfrühte Sterberisiko unter in Armut lebenden Personen höher. „Die Ergebnisse zeigen, dass Frauen und Männer, deren Einkommen unterhalb der Armutsrisikogrenze liegen, ein im Verhältnis zur höchsten Einkommensgruppe um das 2,4- bzw. 2,7-Fache erhöhtes Mortalitätsrisiko haben“, berichten die RKI-Experten von in ihren Studienergebnissen. (vb)
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