Angeborene Stoffwechselerkrankung: Frühe Inhalationstherapie hilft bei Mukoviszidose
Rund 8.000 Menschen in Deutschland leiden an Mukoviszidose. Heilbar ist die angeborene Stoffwechselerkrankung bislang nicht. Doch vor allem Kinder mit Mukoviszidose können oft gut behandelt werden. Wie sich nun in einer Studie gezeigt hat, können Babys von einer Präventionstherapie ab den ersten Lebensmonaten profitieren.
Unheilbare Multiorganerkrankung
Mukoviszidose (zystische Fibrose) ist eine angeborene Stoffwechselerkrankung. Allein in Deutschland leiden rund 8.000 Menschen an der unheilbaren Krankheit, vor allem Kinder und junge Erwachsene. Kennzeichnend für die Multiorganerkrankung ist eine eingeschränkte Funktionsfähigkeit der schleimbildenden Drüsen im Körper, wodurch sich ein sehr zäher Schleim bildet. Dieser verstopft die Atemwege, begünstigt eine chronische Infektion und Entzündung. Beides zerstört mit der Zeit die Lunge. Die Lebenserwartung steigt dank fortgeschrittener Therapien und immer früherer Diagnosestellung kontinuierlich. Für Patienten steht auch eine Präventionstherapie ab den ersten Lebensmonaten zur Verfügung. Babys können von dieser Behandlung enorm profitieren, wie sich nun in einer Studie zeigte.
Erkrankung kann verschiedene Organe betreffen
Der Krankheitsverlauf von Mukoviszidose ist sehr unterschiedlich und kann verschiedene Organe betreffen. Auch die Schwere der Krankheitsausprägung kann enorm variieren.
„Viele Betroffene leiden vor allem unter Symptomen der Atemwege. Typische Merkmale sind daher ständiger Husten, um den zähen Schleim loszuwerden, Atemnot, weil die Lunge in ihrer Funktion beeinträchtigt ist, sowie häufig wiederkehrende Infekte und Lungenentzündungen“, erklärt der Verein Mukoviszidose e. V. Bundesverband Cystische Fibrose (CF) auf seiner Webseite.
Doch auch das Verdauungssystem ist beeinträchtigt. „Der zähe Schleim verstopft die Bauchspeicheldrüse und die Leber. Dadurch kommen die Verdauungsenzyme nicht im Darm an“, so die Experten.
Daher kann die Nahrung nicht gut verdaut werden und die Folge sind Bauchschmerzen, Verstopfung, Fettstuhl, starkes Untergewicht und bei Säuglingen und Kleinkindern auch Gedeihstörungen.
Lungenschäden und Komplikationen hinauszögern
Wie das Universitätsklinikum Heidelberg in einer Mitteilung schreibt, sind Kinder mit Mukoviszidose aufgrund der früh einsetzenden Lungenschäden sowie einer stark eingeschränkten Verdauung in ihrer Entwicklung beeinträchtigt und können bei unzureichender Therapie in Wachstum und Gewicht hinter ihren Altersgenossen zurück bleiben.
Daher gilt: Je früher die Behandlung einsetzt und je schneller schon auf leichte Verschlechterungen adäquat reagiert wird, desto länger lassen sich Lungenschäden und Komplikationen hinauszögern.
Voraussetzung dafür ist das von Heidelberger Wissenschaftlern um Professor Dr. Marcus Mall auf den Weg gebrachte und 2015 deutschlandweit eingeführte Neugeborenen-Screening für Mukoviszidose, das betroffene Kinder zuverlässig identifiziert.
Diese Früherkennung hat erstmals ein schmales Zeitfenster für präventive Therapieansätze geöffnet.
In einer aktuellen Studie hat sich nun die Wirksamkeit einer Präventionstherapie ab den ersten Lebensmonaten gezeigt.
Die Ergebnisse wurden im „American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine“ veröffentlicht.
Babys profitieren von einer Inhalationstherapie mit hypertoner Kochsalzlösung
Die multizentrische Studie im Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL) unter Federführung des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin Heidelberg zeigte, dass Babys mit Mukoviszidose von einer sehr früh einsetzenden Inhalationstherapie mit hypertoner Kochsalzlösung profitieren.
Ihre Lungenfunktion verbessert sich und sie legen im Lauf eines Jahres mehr an Gewicht zu als Patienten, die eine isotone Salzlösung inhalieren.
Den Angaben zufolge ist dies weltweit die erste abgeschlossene kontrollierte Studie zu einer präventiven Therapie in diesem Alter, da erst seit kurzem nicht-invasive Methoden zur zuverlässigen Erfassung früher Lungenschäden zur Verfügung stehen.
Angesichts der Ergebnisse kann die präventive Inhalationstherapie mit hypertoner Kochsalzlösung nun für Säuglinge und Kleinkinder mit Mukoviszidose empfohlen werden. Die teilnehmenden Studienzentren haben ihre Behandlung bereits entsprechend umgestellt.
Therapie setzt noch vor den ersten Symptomen an
„Die Studie belegt erstmals den Nutzen einer präventiven Therapie, die noch vor den ersten Symptomen im Säuglingsalter ansetzt“, sagt Professor Dr. Marcus Mall, der die Studie am Universitätsklinikum Heidelberg geleitet hat.
„Darüber hinaus konnten wir in der Studie auch zeigen, dass sich die angewandten Untersuchungsverfahren – die Messung der Lungenbelüftung und die Magnetresonanztomographie – sehr gut eignen, um mit geringer Belastung für die Kinder Therapieeffekte zu überprüfen“, so der Wissenschaftler.
„Die Arbeit ebnet damit den Weg für die Entwicklung weiterer präventiver Therapien mit dem Ziel die Entstehung von schweren Lungenschäden bei Patienten mit Mukoviszidose zu verhindern oder zumindest deutlich aufzuhalten.“
Schleim in den Atemwegen besser befeuchten
Für die Studie wurden insgesamt 42 Babys in den ersten drei Lebensmonaten zufällig einer Therapie- und einer Kontrollgruppe zugeteilt, ihre Lungenbelüftung sowie Wachstum und Gewichtsentwicklung ein Jahr lang verfolgt.
Die Kinder der Therapiegruppe inhalierten zweimal täglich eine hypertone Kochsalzlösung, deren Salzgehalt über dem des Lungensekrets liegt und die dazu beiträgt, die Lungenoberfläche und den Schleim in den Atemwegen besser zu befeuchten.
Die Babys der Kontrollgruppe inhalierten eine isotone – in ihrer Konzentration dem Lungensekret entsprechende – Kochsalzlösung.
Mittels Messung der Lungenbelüftung (Lung Clearance Index, LCI) wurde die Lungenfunktion der Kinder erfasst. Dabei wird die Anzahl der Atemzüge ermittelt, die nötig sind, bis die gesamte Luft in der Lunge einmal ausgetauscht ist.
„Diese Messung zeigt sehr empfindlich an, ob sich Atemluft in der Lunge staut, weil beispielsweise Schleimpfropfen oder Entzündungen die Luftzirkulation behindern“, erklärt Erstautorin Dr. Mirjam Stahl, Kinder-Lungenspezialistin am Mukoviszidosezentrum und Zentrum für Translationale Lungenforschung (TLRC) am Universitätsklinikum Heidelberg.
Zäher Schleim in den kleinen Atemwegen erschwert nicht nur die Atmung, sondern führt im weiteren Verlauf zu Entzündungen und Veränderungen des Lungengewebes.
Zusätzlich wurden bei allen Kindern MRT-Untersuchungen der Lunge durchgeführt, um eben solche Veränderungen und Entzündungsherde aufzuspüren.
Einfache und gut verträgliche Maßnahme
Nach einem Jahr entwickelte sich die Lungenbelüftung bei den Babys der Therapiegruppe deutlich besser als bei der Vergleichsgruppe, sie waren durchschnittlich 500 Gramm schwerer und 1,5 Zentimeter größer.
Ursache für die gute Gewichtsentwicklung sehen die Studienärzte im insgesamt besseren Gesundheitszustand der Kinder. Im MRT-Befund gab es zu diesem frühen Zeitpunkt nur leichte Unterschiede zwischen den beiden Gruppen.
„Diese Inhalationstherapie empfiehlt sich als eine einfache und gut verträgliche Maßnahme, um frühe Lungenveränderungen bei Mukoviszidose abzumildern oder hinauszuzögern. Sie verschafft den betroffenen Kindern deutlich verbesserte Startbedingungen fürs Leben“, so das Fazit von Dr. Stahl.
Alle Kinder werden im Rahmen der ebenfalls von Heidelberg aus koordinierten Folgestudie weiter betreut. So wollen die Ärzte klären, wie sich die präventive Therapie auf den weiteren Krankheitsverlauf auswirkt. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.