Ärzte bemängeln: Keine einheitlichen Empfehlungen zu Statinen
Einerseits kann die vorbeugende Einnahme von Cholesterinsenkern (Statine) das Risiko auf spätere Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken. Anderseits kann es bei den Medikamenten zu einer Reihe von gefährlichen Nebenwirkungen wie Grauer Star, Leberschäden oder Diabetes kommen. Wo liegt der Punkt, an dem der Nutzen größer ist, als die Gefahr, die von den Nebenwirkungen ausgeht? Experten bemängeln, dass es derzeit keine einheitlichen Leitlinien gibt und die Statine viel zu oft verschrieben werden.
Milo Puhan ist Professor für Epidemiologie und Public Health an der Universität Zürich. Er untersuchte mit seinem Team in einer Studie, wann die Einnahme von Cholesterinsenkern sinnvoll ist. Das Expertenteam stellte fest, dass zur Zeit zu viele Statine empfohlen und verschrieben werden. Viele Patientinnen und Patienten hätten dadurch mehr Nachteile als Nutzen. Die Studienergebnissen sind kürzlich in dem Fachjournal „Annals of Internal Medicine“ erschienen.
Zu viele gesunde Personen nehmen Cholesterinsenker ein
Den Fachärzten zufolge nehmen auch an sich gesunde Personen Cholesterin-senkende Medikamente ein, obwohl noch keine Anzeichen von Herzkrankheiten vorliegen. Diese Art der präventiven Einnahme werde bereits seit Jahren kontrovers unter Fachärzten diskutiert. „Letztendlich wird dadurch nur bei wenigen Personen ein Herzinfarkt oder ein Hirnschlag vermieden“, berichtet Professor Puhan in einer Pressemitteilung zu den Studienergebnissen. Dagegen bestehe bei allen Personen das Risiko auf schwere Nebenwirkungen.
Fehlende Leitlinien und kontroverse Empfehlungen
Die Schweizer Experten erklären, wie es im Normalfall zu einer Empfehlung zur Einnahme kommt: Der behandelnde Arzt errechne aus verschiedenen Risikofaktoren wie zum Beispiel dem Cholesterinspiegel, dem Bodymassindex (BMI) und dem Raucher-Status, wie groß die Gefahr ist, dass die betroffene Person in den nächsten zehn Jahren einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleidet. An dieser Stelle gebe es viele kontroverse Empfehlungen unterschiedlicher Institutionen. Die Schwellenwerte, bei denen eine Einnahme empfohlen wird, schwanken laut der Universität Zürich zwischen 7,5 und 20 Prozent.
Sind derzeitige Empfehlungen irreführend?
„Gemäss solcher Empfehlungen müssten über ein Drittel aller 40- bis 75-Jährigen präventiv Cholesterinsenker einnehmen“, schlussfolgern die Forschenden. Weltweit wären dies mehrere hundert Millionen Menschen. Die breite Diskrepanz zwischen den einzelnen Empfehlungen liegt nach Ansicht der Forschungsgruppe daran, dass die Schwellenwerte ohne systematische Untersuchungen festgelegt wurden. Auch die zum Teil schweren Nebenwirkungen wie Muskelschmerzen, Grauer Star, Leberschäden und Diabetes wurden bei derzeitigen Empfehlungen kaum oder gar nicht berücksichtigt.
Erste umfassende Studie zu Nutzen und Risiken
Um eine gute Balance zwischen dem Nutzen und den schädlichen Nebenwirkungen zu finden, hat das Forschungsteam um Professor Puhan nun erstmals eine umfassende statistische Modellierung zur Einnahme von Statinen durchgeführt. Das Team errechnete unter der Berücksichtigung der Nebenwirkungen neue Schwellenwerte für Männer und Frauen in verschiedenen Altersgruppen zwischen 40 und 75 Jahren.
Nimmt jeder zweite umsonst Cholesterinsenker?
„Es hat sich gezeigt, dass Statine heute wohl deutlich zu häufig empfohlen werden”, resümiert Puhan. Laut den Berechnungen der Expertengruppe kann die Anzahl der Menschen, die Cholesterinsenker einnehmen, halbiert werden. Laut der Studie wurde insbesondere der Nutzen für Senioren stark überschätzt. Die Berechnungen kamen zu dem Ergebnisse, dass es sich in der Altersgruppe der 70 bis 75-Jährigen erst ab einen Schwellenwert von 21 Prozent lohne, Statine einzunehmen. In der Altersgruppe der 40 bis 45-Jährigen errechneten die Experten einen Schwellenwert von 14 Prozent bei Männern und 17 Prozent bei Frauen.
Einige Präparate zeigten eine deutlich bessere Balance
Die Forschenden nahmen auch vier gängige Statin-Präparate unter die Lupe. Dabei zeigte sich, dass nicht alle Arzneien das gleiche Verhältnis zwischen Nutzen und Risiken aufweisen. Laut den Schweizer Experten zeigten die Cholesterinsenker Atorvastatin und Rosuvastati ein deutlich besseres Verhältnis zwischen Nutzen und Schaden, als die beiden anderen untersuchten Präparate Simvastatin und Pravastatin. Die Fachärzte empfehlen, die vorbeugende Einnahme von Statinen sorgfältig mit dem Hausarzt abzuwägen.
Weitere Informationen zu Maßnahmen, mit denen man auf natürliche Weise den Cholesterinspiegel senken kann finden Sie in dem Artikel „Cholesterin senken – die besten Tipps und Hausmittel“. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.