Gut gelaunte Freunde schützen vor Depressionen
Einer neuen Studie zufolge reichen fünf gesunde Freunde für Jugendliche aus, um das Risiko, eine Depression zu bekommen, enorm zu senken. Zu diesem Ergebnis kamen britische Forscher mithilfe von mathematischen Modellen. Gesundheitsexperten sind jedoch skeptisch.
Risiko für Depressionen sinkt durch gesunde Freunde
Je mehr psychisch gesunde Freunde Jugendliche haben, desto geringer ist ihr Risiko, an einer Depression zu erkranken. Zu diesem Ergebnis kamen Forscher von der britischen University of Warwick mit Hilfe von Rechenmodellen, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. Und Depressive könnten sich im Kreise gesunder Freunde besser erholen, wie die Wissenschaftler um den Mathematiker Edward Hill in ihrer in den „Proceedings B“ der britischen Royal Society vorgestellten Studie berichteten.
Gute Laune kann ansteckend sein
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leiden weltweit über 350 Millionen Menschen an einer Depression. Hierzulande müssen sich auch immer mehr Jugendliche wegen Depression in Behandlung begeben. Häufig ist die Erkrankung mit einem sozialen Stigma behaftet. Von den Wissenschaftlern in Großbritannien wurde unter anderem die Wahrscheinlichkeit geprüft, mit der sich die psychische Erkrankung im Freundeskreis ausbreitet. Sie teilten mit, dass ihr Ergebnis darauf hinweise, dass eine Depression nicht um sich greife – zumindest nicht, solange betroffene Jugendliche genügend gesunde Freunde haben. Zudem könne die gute Laune von Freunden vor einem Absturz bewahren. Laut der Studie galt bislang das Umgekehrte: Demnach verbreite sich eine Depression wie eine ansteckende Krankheit, ein gesunder Gemütszustand jedoch nicht.
Experten äußern sich skeptisch
Diese Schlussfolgerungen stoßen in der psychiatrischen Praxis jedoch auf Skepsis. „Die Studie ist klinisch nicht wirklich relevant, da sie etwas beschreibt, was wir schon wissen: Stabile Kinder haben gute soziale Kontakte und werden weniger depressiv“, erläuterte der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Martin Jung. Außerdem fehle in der Untersuchung ein Maß für den Schweregrad der Depression. „Ich halte es für unwahrscheinlich, dass schwer depressive Kinder mit positiven Sozialkontakten sozusagen angesteckt werden können“, so Jung. Schwer depressive Kinder würden den Kontakt mit gesunden Freunden abbrechen und umgekehrt. Gesundheitsexperten zufolge ist es ohnehin ein typisches Anzeichen für eine Depression, dass sich Menschen von anderen eher abwenden. Darauf haben kürzlich auch Kinder- und Jugendärzte hingewiesen, die ihre Sorge um psychisch auffällige Kinder äußerten.
Depressive brechen Kontakte ab
Wenn die Kontakte abgebrochen werden, sei es Teil der klinischen Arbeit, diese wieder aufleben zu lassen. „Positive Kontakte sind sicherlich ein Schutzfaktor, aber dass dadurch eine Heilung möglich wäre, ist mit der Studie nicht nachgewiesen“, meinte Jung. Sibylle Winter von der Charité-Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters hat laut der dpa-Meldung ebenfalls Zweifel. „Aus der klinischen Praxis kann ich nicht nachvollziehen, dass sich depressive Stimmung nicht ausbreiten soll. Das sollte man zumindest noch mal überprüfen.“ In Freundeskreisen fänden sich außerdem eher Gleichgesinnte. Die Forscher aus England kamen einem solchen Vorwurf allerdings zuvor. „Wir haben sichergestellt, dass unsere Methode nicht beeinflusst wurde von Homophilie – also der Tendenz, sich mit ähnlichen Menschen anzufreunden“, sagte Hill in einer Mitteilung. Das Wissenschaftlerteam begründet seinen Fund mit psychologischen Mechanismen. So zögen sich beispielsweise Depressive eher aus ihrem sozialem Umfeld zurück und übten deshalb weniger Einfluss auf andere aus als Gesunde. Diejenigen, die sich jedoch von einer Depression erholen oder gesund bleiben wollen, bräuchten Kontakt mit Nicht-Depressiven.
Angaben mit mathematischen Modellen untersucht
Das Team griff für ihre Untersuchung auf Daten von 3.084 Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren zurück, die in den USA in den Jahren 1994 und 1995 befragt worden waren. Die Teilnehmer in der damaligen Studie „Add Health“ gaben Auskunft über Traurigkeit und Interesselosigkeit, Appetit, Schlaf oder das Gefühl von Wertlosigkeit. Die britischen Forscher haben diese Angaben anhand mathematischer Modelle neu untersucht. Wie es heißt, werden ähnliche Methoden genutzt, um die Ausbreitung von Infektionskrankheiten zu untersuchen. Die Berechnungen ergaben, dass diejenigen, die mindestens fünf gesunde Freunde haben, eine doppelt so hohe Chance wie die ohne gesunde Freunde haben, nicht innerhalb sechs bis zwölf Monaten depressiv zu werden. Und depressive Jugendliche erholen sich demnach zweimal so häufig, wenn sie zehn statt drei gesunde Freunde haben. Der Mathematiker Thomas House von der Universität von Manchester, der zum Team um Hill gehörte, meinte, dass die Zahl der Fälle von Depression bei Jugendlichen gesenkt werden könne, indem die Gesellschaft zum Beispiel durch Jugendclubs Freundschaften fördere. Dadurch steige auch die Wahrscheinlichkeit, genügend gesunde Freunde zu haben. (ad)
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