WHO meldet erste Polio-Erkrankungen seit Jahren
Rückschlag im Kampf gegen die Kinderlähmung: Wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtet, sind in der Ukraine zwei Kinder an Polio erkrankt. Zuvor hatte es in Europa seit Jahren keine Fälle mehr gegeben, sodass die Infektionskrankheit als weitgehend ausgerottet galt. Nun müsse das Virus durch eine umfassende Impfaktion schnellstmöglich eingedämmt werden. Denn bislang waren in der Ukraine nur die Hälfte der Kinder geimpft.
Fieber, Kopfschmerzen und Erbrechen sind typische Anfangssymptome
Bei der so genannten „Kinderlähmung“ (med. Poliomyelitis, kurz: Polio) handelt es sich um eine hoch ansteckende Krankheit, von der nach Angaben der WHO überwiegend Kinder unter fünf Jahren betroffen sind. Die Infektionserkrankung wird von Polioviren hervorgerufen und führt bei einer von 200 Fällen zu dauerhaften Lähmungen. Fünf bis zehn Prozent davon sterben, da auch die Atemmuskulatur von der Lähmung betroffen sein kann. Das Virus wird vor allem fäkal-oral z.B. durch verunreinigtes Wasser übertragen und vermehrt sich im Darm. Erste Symptome sind Fieber, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Erbrechen sowie ein steifer Nacken und Gliederschmerzen.
WHO-Ziel: Weltweite Ausrottung bis 2018
Doch bis vor Kurzem galt die Kinderlähmung als weitgehend besiegt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte bereits 1988 das Globale Poliomyelitis-Eradikationsprogramm gestartet, mit dem Ziel, die Erkrankung durch den weltweiten Einsatz der Polio-Impfung in den Griff zu bekommen. In den Folgejahren konnte sie dadurch so weit zurück gedrängt werden, dass die WHO das Vorhaben formulierte, bis 2018 die Krankheit komplett ausrotten zu wollen. Doch der Kampf gegen die gefährliche Infektionskrankheit scheint schwerer als gedacht. Denn wie die WHO berichtet, sind nun zwei neue Fälle in Europa aufgetaucht. Demnach seien zwei kleine Kinder im Alter von vier Jahren und zehn Monaten aus dem Südwesten der Ukraine betroffen.
Nur die Hälfte der Kinder in der Ukraine haben Impfschutz
Polio ist bislang unheilbar, einen sicheren Schutz bietet daher nur die Impfung. Dennoch seien 2014 lediglich die Hälfte der Kinder in der Ukraine geimpft gewesen, so die Angaben. „Das ist ein Rückschlag“, sagte der Sprecher des Polio-Bekämpfungszentrums der WHO, Oliver Rosenbauer, gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“. Die Ukraine habe das Problem, dass die Impfungen gerade in den vergangenen Jahren drastisch zurückgegangen seien. „Nicht wenige haben Zweifel an der Sicherheit von Impfstoffen“, so der Experte. Dementsprechend würde es neben den beiden erkrankten Kindern eine unbekannte Anzahl von Menschen geben, die das Virus möglicherweise in sich tragen und weitergeben könnten.
Nun gehe es um eine rasche Eindämmung. Laut Rosenbauer ein realistisches Vorhaben, denn „das Virus ist nicht so aggressiv. Jetzt kommt es auf eine schnelle und umfassende Impfaktion an.“
Für unwahrscheinlich halte er hingegen eine Ausbreitung auf benachbarte Länder wie Polen und Slowakei, da die Impfrate dort sehr hoch sei. Insgesamt betrachtet stünden die Chancen auf eine vollständige Ausrottung der Krankheit nach Angaben der WHO weiter gut, denn weltweit seien dieses Jahr bislang nur 38 Fälle bekannt geworden. Diese waren vor allem in Pakistan und Afghanistan aufgetaucht.
Wird die Erkrankung nicht besiegt, droht ein Wiederaufflammen
„Wir sind näher dran als je zuvor“, so Rosenbauer zuversichtlich. Doch es dürfe keine Zeit verloren werden, denn die Impfkampagnen könnten nicht dauerhaft mit der derzeitigen Intensität weiter geführt werden. Werde das Ziel der weltweiten Ausrottung nicht bald erreicht, könnte die Erkrankung wieder aufflammen. Dies würde dem Sprecher des Polio-Bekämpfungszentrums nach rund 200.000 Erkrankte im Jahr bedeuten. „Wir müssen den Job jetzt erledigen“, sagt er.
Risiko einer Einschleppung von Polioviren muss ernst genommen werden
In Deutschland gab es laut dem Robert Koch-Instituts (RKI) den letzten einheimischen Poliofall im Jahr 1990, die letztem importierten Erkrankungen durch Poliowildviren aus Indien und Ägypten wurden 1992 registriert. Dennoch müsse „das Risiko einer Einschleppung von Polioviren nach Deutschland durch Einreisende aus der Ukraine [.] ernst genommen werden“, teilt das RKI aktuell mit. Da der größte Anteil der Infizierten keine Symptome zeigt, könne das Virus noch nach Wochen mit dem Stuhl unbemerkt ausgeschieden werden. Doch die Gefahr einer Ausbreitung der Viren sei hierzulande aufgrund der ausreichend hohen Polio-Impfquoten gering, so die Einschätzung des RKI. (nr)
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