Bore-Out: Wenn Langeweile krank und depressiv macht
Zwar ist den meisten Menschen das Phänomen Burn-Out ein Begriff, doch nur die wenigsten wissen, dass auch Unterforderung krank machen kann: Für Menschen, die an einem Bore-Out leiden, erhöht sich die Gefahr, depressiv zu werden. Insbesondere für Ältere kann anhaltende Langeweile gefährlich werden.
Andauernde Unterforderung kann krank machen
Burn-Out ist den meisten Menschen ein Begriff: Stress und Überforderung belasten die Gesundheit. Dass man aber auch durch Unterforderung krank werden kann, ist bislang nur wenigen bekannt. Immer mehr Menschen klagen mittlerweile über Langeweile im Job oder im privaten Leben. Von Psychologen wird dieses Phänomen Bore-out genannt (abgeleitet vom englischen Wort für Langeweile: Boredom), wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet. Die andauernde Unterforderung führt unter anderem zu anhaltender Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, chronischer Müdigkeit, Schlafstörungen und der Unfähigkeit, das Leben zu genießen. Gesundheitsexperten zufolge kommen manchmal auch körperliche Symptome wie Bauchschmerzen, Magenbeschwerden, Schwindel, Kopfschmerzen und Ohrensausen beziehungsweise Tinnitus hinzu. Bore-out, der auch in einer Depression enden kann, wird zwar vor allem in der Arbeitswelt durch Langeweile im Job beobachtet, doch auch viele Senioren sind betroffen. Das hat damit zu tun, dass Lebensqualität im hohen Alter maßgeblich von dem Gefühl abhängt, gebraucht zu werden.
Symptome von Burn-out und Bore-out
„Die Symptome sind die gleichen wie bei einem Burn-out“, sagte Ursula Lehr gegenüber der dpa. Selbst im hohen Alter können Senioren noch betroffen sein. Beispielsweise wenn der Partner plötzlich stirbt und ein großes Loch zurück bleibt. „Das betrifft besonders häufig Frauen über 80 Jahre, die mit der Heirat ihren Job aufgegeben haben und danach vor allem für ihren Mann gelebt haben“, erklärte die emeritierte Professorin für Psychologie, die den Lehrstuhl für Gerontologie in Heidelberg führte. Auf einmal verlieren die Tage ihre gewohnte Struktur und es entsteht ein Gefühl der Leere.
Ruhestand richtig ausleben
Allerdings muss ein Bore-out nicht erst im hohen Alter auftreten. Oft ist schon die Zeit kurz nach Rentenbeginn prekär. „Hier sind – noch – vor allem Männer betroffen, weil die ihr Leben oft sehr stark über ihre Arbeit definieren“, erläuterte die Psychologin Julia Scharnhorst. Mit dem Ruhestand bricht gerade bei Workaholics, denen die Zeit für Hobbys und Freunde fehlte, einiges zusammen. Es kann helfen, sich darauf vorzubereiten. Etwa indem geklärt wird, wie die Tage als Rentner aussehen sollen, welchen Aktivitäten man nachgehen will oder ob es Bekannte gibt, die man gerne mal wieder treffen will. „Keinesfalls sollte die Rente als Nichtstun begriffen werden“, so Scharnhorst. Senioren sollten die Zeit nutzen, um beispielsweise intensiv ihre Hobbys zu betreiben. Die Grenzen setzt nur der eigene Wille. „Viele haben diese Erwartungen im Kopf, wie ältere Menschen angeblich sein müssen“, meinte Scharnhorst. Doch dieses Rollenbild sollte jeder für sich hinterfragen: „Es geht darum, wie man selbst leben möchte, und nicht, wie man denkt, dass es die Gesellschaft für richtig hält.“
Sinnvolle und herausfordernde Aufgaben
Der Rat der Psychologin: Aufgaben, die man sich vornimmt, sollten sinnvoll und herausfordernd sein. Man kann zum Beispiel ein Ehrenamt übernehmen, noch einmal studieren oder eine neue Sprache lernen. Dies trägt zudem dazu bei, das Gehirn bis ins hohe Alter fit zu halten. Auch Lehr findet, dass Senioren in ihren Tätigkeiten einen Sinn sehen müssen. Sie empfiehlt daher, sich vorher genau zu überlegen, was einem liegt und wie viel Zeit man in die neue Aufgabe investieren kann. Es gibt zahlreiche Organisationen, die bei der Vermittlung von ehrenamtlichen Tätigkeiten helfen. Geeignete Anlaufstellen sind Freiwilligenagenturen, Seniorenbüros und Begegnungsstätten. Eine gemeinnützige Gesellschaft aus Bonn, der Senior Experten Service (SES), entsendet Fachkräfte im Ruhestand zu Einsätzen im In- und Ausland. „Viele möchten der Gesellschaft etwas zurückgeben und wollen auch im Ruhestand gebraucht werden“, erläuterte Sprecherin Heike Nasdala. Der Verband Senior Partner in School (SiS) vermittelt Senioren als Mediatoren in Schulen. Um aus dem mentalen Loch eines Bore-out zu finden, reicht häufig bereits ein bisschen Struktur. Lehr nennt ein einfaches Beispiel: „Täglich Zeitung lesen.“
Senioren haben Stigma aus der Nazi-Zeit im Kopf
Oder eventuell das Internet entdecken. „Dafür gibt es viele ehrenamtliche Paten, die einem die Nutzung beibringen“, so Lehr, die auch Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (Bagso) ist. Mit dem Internet wird es auch einfacher, Kontakt zur Familie zu halten. Ein Enkel findet es sicher cool, mal mit der Ur-Oma zu skypen. Doch in manchen Fällen reichen all die genannten Tipps nicht aus. „Weil es zu Depressionen führen kann, ist häufig psychologische Hilfe nötig“, erläuterte Lehr. Laut der Bagso-Vorsitzenden haben aber gerade alte Menschen oft Angst vor dem Gang zum Psychologen, da ihnen noch das Stigma aus der Zeit des Dritten Reichs im Kopf stecke. „Bei den Nazis galten psychisch Kranke als unwertes Leben, weshalb viele ältere Menschen noch heute vor einem Besuch in der Praxis zurückschrecken.“ Zudem wird das Bore-out-Syndrom von Ärzten manchmal falsch beurteilt. „Sie nehmen mitunter an, dass die Symptome auf eine Demenz hindeuten“, so Lehr. Dabei sei rund ein Fünftel aller Demenz-Fälle eigentlich auf Depressionen zurückzuführen. Diese wiederum haben ihren Ursprung häufig in einem Bore-out. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
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Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.