Neue Erkenntnisse: Bauchspeicheldrüse kontrolliert die Artenvielfalt der Darmbakterien
Es ist lange bekannt, dass die Bakterien im Darm einen wesentlichen Einfluss darauf haben, ob wir gesund bleiben oder krank werden. Forscher haben nun herausgefunden, dass die Zusammensetzung der Darmbakterien viel stärker von der Funktion der Bauchspeicheldrüse kontrolliert wird als von allen anderen bekannten Faktoren.
Im Darm leben etwa 38 Billionen Bakterien
Experten zufolge leben im menschlichen Darm 38 Billionen Bakterien und diese haben eine große Wirkung auf unsere Gesundheit. Eine gesunde Darmflora leistet einen wichtigen Beitrag zum Schutz vor Infektionen, Allergien und verschiedenen Krankheiten. Manche Darmbakterien können aber auch Übergewicht fördern und sogar das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle beeinflussen. Forscher von der Universitätsmedizin Greifswald haben nun entdeckt, dass die Zusammensetzung der Darmbakterien viel stärker von der Funktion der Bauchspeicheldrüse kontrolliert wird als von allen anderen bekannten Faktoren.
Kontrolle der Artenvielfalt der Darmbakterien
„Was uns sehr überrascht hat ist die Stärke des Effekts“, betonte der Direktor der Inneren Klinik A an der Unimedizin Greifswald, Prof. Markus M. Lerch in einer Mitteilung.
„Die Bauchspeicheldrüse kontrolliert die Artenvielfalt der Bakterien im Darm viel tiefgreifender als alle bisher bekannten Wirtsfaktoren wie Alter, Geschlecht, die Art der Ernährung oder zum Beispiel die Einnahme von Magensäureblockern.“
Die Ergebnisse der Greiswalder Arbeitsgruppe wurden kürzlich in der Fachzeitschrift „Gastroenterology“ veröffentlicht.
Mehr Bakterien als Körperzellen
Wie die Experten erklären, besteht der menschliche Körper nicht nur aus Milliarden spezialisierter Zellen, in ihm leben auch zahllose Mikroorganismen mit uns zusammen, in der Regel friedlich und nutzbringend.
Allein im Darm finden sich etwa 38 Billionen Bakterien, somit deutlich mehr als alle unsere Körperzellen zusammen.
Da Bakterien sehr viel kleiner sind als menschliche Körperzellen, kommen diese Bakterien zusammen auf ein Gewicht von nur zwei Kilogramm.
Bereits in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat der Greifswalder Internist Viktor van der Reis (1889-1957) Pionierarbeit bei der Untersuchung von Bakterien in allen Darmabschnitten geleistet.
Vor der Wende hat die Mikrobiologin Prof. Hannelore Bernhardt sogar die Darmorganismen von Kosmonauten untersucht. Hierzu wurden Mikroorganismen auf Petrischalen in Brutschränken gezüchtet.
Allerdings ist mittlerweile bekannt, dass sich mehr als 95 Prozent der Darmbakterien überhaupt nicht vermehren, wenn sie der Luft ausgesetzt sind, sondern eben nur im Darm wachsen.
Vielfalt im Darm ist gesundheitsfördernd
Durch die rasante technische Entwicklung bei Untersuchungen des Erbmaterials von Bakterien in den letzten Jahren können jedoch inzwischen sämtliche im Darm lebende Mikroorganismen identifiziert werden.
So wissen heute bekannt, dass dort fast 40.000 verschiedene Bakterienarten zu Hause sind. Wie diese sich in ihrer Art und Menge zusammensetzen, hat großen Einfluss auf unsere Gesundheit und ist nicht nur bei Darminfektionen Ursache von Krankheiten.
Ein besonders artenreiches Darmmikrobiom, so nennt man die Gesamtheit der Mikroorganismen, hat gesundheitsfördernde Wirkungen und viele Erkrankungen gehen mit einer Abnahme der Diversität oder Artenvielfalt der Bakterien im Darm einher.
Umgekehrt gibt es aber auch Bakterienzusammensetzungen, für die ein Zusammenhang mit ganz verschiedenen Erkrankungen hergestellt wurde, die von Diabetes und Fettleber bis zu Depression und Alzheimer-Demenz reichen.
Bei Krankheiten wie dem durch Antibiotika verursachten Durchfall (Clostridium difficile Colitis) wird sogar schon der Austausch des gesamten Darmmikrobioms therapeutisch eingesetzt und kann zur Heilung führen.
Zusammensetzung des Darmmikrobioms
Was aber bestimmt die Zusammensetzung des Mikrobioms im Darm? Einerseits ist die Mischung der Bakterienarten des Menschen erblich bedingt und kann fast als persönlicher Fingerabdruck angesehen werden.
Andererseits führt bereits ein zweiwöchiger Auslandsaufenthalt in Vietnam oder Mexiko aufgrund der andersartigen Ernährung zu starken Änderungen des Mikrobioms, die sich allerdings nach der Rückkehr in die vertraute Umgebung schnell zurückbilden.
Andere bekannte Einflussfaktoren für die Zusammensetzung des Mikrobioms sind die Präferenz des Essens, etwa tierische Proteine oder vegane Kost, Tabakrauchen, Alkoholkonsum oder bestimmte Medikamente.
Zusammenhang zwischen Darmbakterien und Verdauung besser verstehen
Eine auf Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) spezialisierte Arbeitsgruppe der Universitätsmedizin Greifswald hatte untersucht, ob und wie dieses Organ das Mikrobiom beeinflusst.
Hierzu wurden bei 1.800 Probanden der Greifswalder Gesundheitsstudie SHIP die Zusammensetzung des Stuhlmikrobioms mittels Sequenzierung der bakteriellen Erbinformation (16S rRNA) analysiert.
Neben vielen anderen Faktoren haben die Forscher sowohl die Konzentration von Elastase, einem Verdauungsenzym der Bauchspeicheldrüse, im Stuhl gemessen, als auch die stimulierte Ausscheidung von Pankreassaft in den Dünndarm mittels Kernspintomographie.
Den Angaben zufolge war eine verminderte Konzentration der Elastase mit starken Veränderungen der Zusammensetzung und Artenvielfalt des Mikrobioms verknüpft.
So fanden sich beispielsweise ein Anstieg der eher gesundheitsschädlichen Prevotella-Bakterien und eine Abnahme der gesundheitsförderlichen Bacteroides-Arten.
Der Einfluss des Volumens des Pankreassaftes auf die Vielfalt der Bakterienstämme war dabei deutlich geringer als die Konzentration des Verdauungsenzyms Elastase.
„Ob dieser Effekt durch Peptid-Antibiotika, die die Bauchspeicheldrüse selbst produziert, oder durch eine Änderung der Verdauungsfunktion verursacht wird, ist noch unbekannt“, so die Erstautoren der Arbeit, Dr. Fabian Frost und Dr. Tim Kacprowski.
„Auf jeden Fall bedeutet diese Entdeckung einen wirklichen Fortschritt im Verständnis über den Zusammenhang zwischen Verdauung und Darmmikrobiom“, sagte Dr. Georg Homuth aus der funktionellen Genomforschung. (ad)
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