Alzheimer ist eine besonders gefürchtete Erkrankung und bis heute unheilbar. Es sterben durch die Ablagerung von Eiweißstoffen Gehirnzellen ab, wodurch die Betroffenen nach und nach ihre Orientierung, Erinnerungen und Bewusstsein verlieren. Nun gehen Forscher der Frage nach, ob eine Übertragbarkeit von Mensch zu Menschen möglich ist. Bei der Untersuchung von Todesfällen durch die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit waren sie auf entsprechende Hinweise gestoßen.
„Beta-Amyloid“ spielt zentrale Rolle bei der Entstehung von Alzheimer
„Kann man sich durch andere Menschen mit Alzheimer anstecken?“ Mit dieser Frage beschäftigt sich derzeit ein Forscher-Team vom National Hospital for Neurology and Neurosurgery in London. Demnach könne eine „Ansteckung“ mit der neurodegenerativen Erkrankung unter Umständen möglich sein, wenn bei medizinischen Eingriffen wie z.B. einer Operation am Gehirn das Protein „Beta-Amyloid“ auf den gesunden Menschen übertragen wird. Bei diesem handelt es sich um ein bestimmtes Eiweiß, das eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Alzheimer spielt.
Wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“ berichten, sei diese Theorie entstanden, als sie die Gehirne von Personen untersuchten, die an der seltenen, aber tödlichen Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) gestorben waren. Die Patienten hatten in der Kindheit in den meisten Fällen Wachstumshormone aus den Hirnanhangdrüsen Verstorbener erhalten, welche möglicherweise mit Prionen verunreinigt waren, so die Forscher um Zane Jaunmuktane vom National Hospital for Neurology and Neurosurgery in London.
Prionen-Ablagerungen rufen CJD-typische Symptome hervor
Bei den so genannten „Prionen“ handelt es sich um bestimmte Eiweißstoffe, die im Gehirn in gesunder Form regelmäßig vorkommen. Durch einen bisher nicht geklärten Mechanismus kann es jedoch passieren, dass sich ein gesundes in ein krankhaftes (pathogenes) Prion umformt, was sich dann auf die gesunden Eiweiße überträgt. Es entstehen Verklumpungen und Eiweiß-Ablagerungen im Gehirn, wodurch es zu CJD-typischen Symptomen wie Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Lähmungen, Zittern oder epileptischen Anfällen kommt.
Wissenschaftler entdecken Amyloid-ß in Blutgefäßen und Hirnsubstanz der Patienten
Die Forscher untersuchten acht CJD-Opfer, die im Alter zwischen 36 und 51 Jahren an der Erkrankung gestorben waren. Neben den Anzeichen für Creutzfeldt-Jakob fanden sie dabei Ablagerungen von „Beta-Amyloid“ Eiweißen (Amyloid-ß) in den Blutgefäßen und der grauen Hirnsubstanz. Diese so genannten „senilen Plaques“ gelten als Hauptauslöser von Alzheimer und treten dementsprechend bei jüngeren Patienten normalerweise nicht auf. Waren die Patienten an anderen Prionen-Erkrankungen verstorben und hatten in der Kindheit keine menschlichen Wachstumshormone erhalten, zeigten sich diese Auffälligkeiten hingegen nicht, so die Forscher weiter.
Kein Hinweis auf generelle Ansteckungsgefahr
Die Experten stellten die These auf, dass einige der Hormon-Spender möglicherweise an Alzheimer erkrankt waren. Dadurch hätten die Amyloid-ß-Eiweiße in den Körper des Empfängers gelangen und die Alzheimer-typischen Veränderungen im Gehirn auslösen können. Ablagerungen von „Tau-Proteinen“ – einem weiteren Nachweis für Alzheimer – seien hingegen nicht entdeckt worden. Diese hätten allerdings möglicherweise noch entstehen können, sofern die Patienten nicht zuvor an CJD verstorben wären, so die Forscher weiter.
Trotz der neuen Erkenntnisse gäbe es keine Hinweise darauf, dass Alzheimer generell ansteckend sei, konstatieren die Wissenschaftler. Trotz dessen sollte untersucht werden, ob eine Übertragung der Amyloid-ß-Eiweiße z.B. durch chirurgische Instrumente bei einem operativen Eingriff möglich ist.
„Wir haben durch unsere Untersuchung der CJD Fälle viel über die Dekontamination gelernt”, sagt Neuropathologe Charles Duyckaerts am Krankenhaus Pitié-Salpêtrière in Paris. „Aber das ist ein Weckruf für die medizinische Gemeinschaft, besonders wachsam zu sein.“
Wie Mathias Jucker von der Universität Tübingen und Lary Walker von der Emory University in Atlanta in einem Kommentar zu der Studie schreiben, könnte auch eine Untersuchung von Resten der verabreichten Wachstumshormone auf Amyloid-ß die Ergebnisse der britischen Forscher bestätigen. Zudem sei es unerlässlich, die noch lebenden Hormon-Empfänger kontinuierlich zu beobachten, um festzustellen, ob ein erhöhtes Alzheimer-Risiko bestehe.
„Die Erkenntnisse von Jaunmuktane und seinen Kollegen sollten neue Forschungsansätze in dieser Richtung fördern. Ganz allgemein werden sie außerdem weitere Untersuchungen zu den Mechanismen, welche die Bildung, Durchlässigkeit und Toxizität von fehlgefalteten Proteinen bei neurodegenerativen Erkrankungen steuern, inspirieren“, so die Wissenschaftler in ihrem Kommentar.
Ergebnisse betätigen bisherige Erkenntnisse aus Tierversuchen
Auch aus Sicht von Professor Dr. med Armin Giese sei die Studie der britischen Forscher schlüssig und untermauere weitgehend bisherige Erkenntnisse zur Übertragbarkeit von Beta-Amyloid-Eiweißen aus Tierversuchen. „Es ist aus meiner Sicht eher unwahrscheinlich, dass die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit die Alzheimer-Pathologie verursacht hat. Denn bei CJD-Patienten, die keine dieser Wachstumshormone bekommen haben, sieht man keine Häufung von Alzheimer-typischen Veränderungen“, erläutert der Experte vom Zentrum für Neuropathologie und Prionforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“.
Die Ergebnisse würden zeigen, dass die Verklumpungen der Eiweiße unter sehr speziellen Umständen übertragbar sei. Daher müsse „man [.] sich nun darüber Gedanken machen, welche Risiken damit zusammenhängen und wie sich diese verhindern ließen“, so Giese weiter. (nr)
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