Genetisch veränderte Viren gegen antibiotikaresistente Bakterien einsetzbar
Es ist jetzt gelungen, bei einem jungen Mädchen eine lebensgefährliche und gegen Arzneimittel resistente Infektion mit dem Mycobacterium abscessus durch genetisch veränderte Viren erfolgreich zu behandeln.
Bei einer aktuellen Untersuchung der University of Pittsburgh ist es den Forschenden gelungen, eine gegen Medikamente resistente Infektion durch den Einsatz von neu geschaffenen Viren zu bekämpfen. Die Ergebnisse der Studie wurden in dem englischsprachigen Fachblatt „Nature Medicine“ publiziert.
Wundinfektion endet normalerweise tödlich
Eine 15-jährige Mukoviszidose-Patientin erhielt im September des Jahres 2017 eine doppelte Lungentransplantation. Nach einer Woche wurde die dabei entstandene Schnittwunde hellrot. Eine gegen Arzneimittel resistente Infektion (Mycobacterium abscessus) breitete sie sich rasch aus und führte zu schmerzenden Wunden und der Bildung geschwollener Knötchen. Es ist sehr traurig, wenn ein Lungentransplantatpatient eine solche Wundinfektion aufweist, dies führt bei Kindern zu einem qualvollen Verlauf der Krankheit, welcher normalerweise mit dem Tod endet, erklären die Autoren der Studie.
Was sind Phagen?
Da die üblichen Standardbehandlungen fehlschlugen, fragte Isabelles Mutter nach Alternativen. Dabei wurden die Mediziner auf sogenannte Phagen aufmerksam. Phagen sind Viren, die Bakterien zerstören können. Forschende stellten einen Cocktail aus den ersten gentechnisch veränderten Phagen zusammen, die jemals zur Behandlung verwendet wurden. Es handelte sich um eine Zusammensetzung, die gegen ein Mycobacterium gerichtet war, eine Gattung, die auch Tuberkulose (TB) umfasst.
Nach sechs Monaten Behandlung verbesserte sich der Zustand
Nach sechs Monaten der maßgeschneiderten Phageninfusionen heilten Isabelles Wunden und ihr Zustand besserte sich ohne ernsthafte Nebenwirkungen, berichten die Forschenden. Dies ist ein überzeugender sogenannter Proof of Concept, auch wenn es sich nur um eine Einzelfallstudie handelt und das Ergebnis noch bei einer strengen klinischen Untersuchung überprüft werden muss, fügen die Autoren hinzu.
Unterschied zwischen Antibiotikabehandlung und Phagentherapie
Die sogenannte Phagentherapie gib es bereits seit vielen Jahren, aber bis vor kurzem wurde sie in den meisten Ländern in die Randmedizin verbannt, hauptsächlich aufgrund des Einsatzes von Antibiotika. Im Gegensatz zu Breitbandantibiotika töten einzelne Phagen normalerweise nur einen speziellen Bakterienstamm. Dies bedeutet, dass eine Behandlung, die gegen die Infektion einer Person wirkt, bei einer anderen Person, die mit einer abweichenden Variante des Bakteriums infiziert ist, fehlschlägt. Phagen können zudem toxisch sein. Eine Reihe von jüngsten Erfolgen gegen antibiotikaresistente Bakterien hat jedoch das Interesse wiederbelebt und große US-Universitäten dazu veranlasst, Phagenforschungszentren einzurichten. Arzneimittelresistente TB-Stämme sind ein besonders verlockendes Ziel für die Phagentherapie.
Bakterien im Schleim der Lunge
M. abscessus und andere Bakterien besiedeln häufig den dicken Schleim, der sich in der Lunge von Menschen mit Mukoviszidose ansammelt, einer genetisch bedingten Krankheit, von der weltweit etwa 80.000 Menschen betroffen sind. Die Infektionen können zu schweren Lungenschäden führen, wofür dann eine Transplantation der letzte Ausweg ist. Isabelle zum Beispiel hatte zwei Drittel ihrer Lungenfunktion verloren. Die Infektion hielt jedoch nach der Transplantation an und bedrohte weiter ihr Leben.
Cocktail sollte Bildung von Resistenzen verhindern
In einer Sammlung von mehr als 15.000 Phagen suchten die Forschenden drei Monate lang nach Phagen, die M. abscessus abtöten können, die aus Wunden und Auswurf der Patientin isoliert wurden. Dabei fanden sie tatsächlich drei mögliche Kandidaten. Die Forschenden wollten die Phagen zu einem Cocktail kombinieren, um die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass M. abscessus eine Resistenz entwickelt, aber es gab einen Haken. Zwei der drei Bestandteile sind sogenannte gemäßigte Phagen, die über Repressorgene verfügen, die ihre Letalität begrenzen. Um diese beiden Phagen zu zuverlässigen Bakterienkiller zu machen, entfernten die Forschenden die Repressor-Gene mit einer Gen-Editing-Technik, welche das Labor für die Untersuchung der Phagengenetik entwickelt hatte.
Wie war der Behandlungsverlauf?
Isabelle erhielt im Juni 2018 erstmals eine Infusion des Phagencocktails. Innerhalb von nur 72 Stunden begannen ihre Wunden zu trocknen. Nach sechs Wochen intravenöser Behandlung alle zwölf Stunden war die Infektion nahezu verschwunden. Spuren der Krankheit blieben jedoch erhalten, so dass sie immer noch zweimal täglich Infusionen erhält und die Behandlung direkt auf ihre verbleibenden Läsionen angewendet wurde. Es ist dem Mädchen jetzt aber wieder möglich ein ganz normales Leben als Teenager zu führen, die Schule zu besuchen, Zeit mit Freunden zu verbringen und Fahrstunden für einen Führerschein zu nehmen. Die Forschenden sind optimistisch, dass die Infektion mit der Zeit vollständig beseitigt werden kann.
Erfolg fördert Forschung in diesem Bereich
Der Erfolg habe die Erforschung von Phagen gefördert, sagen die Forschenden. Andere Phagen wurden bereits untersucht, sie infizierten und töteten M. tuberculosis in Versuchen in Reagenzgläsern ab. Phagen könnten sich irgendwann als nützliche Waffen gegen arzneimittelresistente Bakterienstämme erweisen, so die Hoffnung des Forschungsteams. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.