Antibiotika zum Schutz vor Sepsis?
Viele Frauen erleiden nach der assistierten Geburt ihres Kindes schmerzhafte und gelegentlich sogar lebensbedrohliches Infektionen. Eine vorbeugende Behandlung mit Antibiotika könnte betroffene Frauen vor solchen Problemen bewahren.
Bei einer aktuellen Untersuchung der international hoch anerkannten University of Oxford konnte festgestellt werden, dass eine vorbeugende Behandlung mit Antibiotika Frauen nach der assistierten Geburt vor gefährlichen Infektionen schützen kann. Die Ergebnisse der Studie wurden in dem englischsprachigen Fachblatt „The Lancet“ veröffentlicht.
An der Studie nahmen mehr als 3.400 Frauen teil
Die aktuelle Studie umfasste 3.420 Frauen, welche in 27 verschiedenen Einrichtungen in ganz Großbritannien ein Kind zu Welt gebracht hatten. Eine Einzeldosis Antibiotika innerhalb von sechs Stunden nach der Entbindung halbierte die Anzahl der Infektionen bei Frauen, deren Babys entweder mit einer speziellen Pinzette oder mit einer Saugglocke zur Welt gebracht wurden.
Erkenntnisse könnten jährlich mehr als 200.000 Infektionen verhindern
Die Erkenntnisse könnten dazu führen, dass weltweit mehr als 200.000 Infektionen von Müttern pro Jahr verhindern werden können. Sie werden bereits in diesem Jahr in neuen Empfehlungen berücksichtigt, die vom britischen Royal College of Obstetricians and Gynecologists veröffentlicht werden. Dies wird sehr große Auswirkungen auf Frauen haben und zwar nicht nur auf die Infektionsrate. Diejenigen Frauen, die Antibiotika erhielten, hatten auch viel seltener perineale Schmerzen und aufplatzende Nähte. Daraus folgte, dass die betroffenen Frauen auch weniger Probleme hatten, ihr Baby trotz Schmerzen zu füttern.
Warum erhöht sich das Infektionsrisiko bei assistierten Geburten?
Die Verwendung von Pinzetten und Saugglocken bei der Geburt kann das Infektionsrisiko erhöhen, indem Mikroben in den Genitaltrakt gelangen. Frauen mit einer assistierten Geburt befinden sich in der Regel auch länger in den Wehen, haben häufiger vaginale Untersuchungen, werden häufiger mit Harnkathetern ausgestattet, leiden häufiger unter Schmerzen und benötigen öfter chirurgische Eingriffe, verglichen mit natürlich und spontan gebärenden Frauen. Diese Faktoren können alle das Infektionsrisiko erhöhen, was in seltenen Fällen sogar zu einer lebensbedrohlichen Sepsis führen kann, erläutern die Forschenden. In den Industrieländern ist etwa einer von 20 Todesfällen bei Müttern auf Infektionen zurückzuführen. Pro jeder tödlichen Infektion entwickeln weitere 70 Frauen Infektionen, die schwerwiegend genug sind, um langfristige Gesundheitsprobleme zu verursachen.
Wie wirkte sich die vorbeugende Behandlung mit Antibiotika aus?
Zwischen März 2016 und Juni 2018 erhielten teilnehmende Frauen nach dem Zufallsprinzip entweder ein Antibiotikum (Amoxicillin und Clavulansäure) oder ein Kochsalz-Placebo, das innerhalb von sechs Stunden nach der Geburt intravenös verabreicht wurde. Bei einem Drittel der Geburten wurde eine sogenannte Saugglocke und bei zwei Dritteln wurde eine spezielle Pinzette verwendet. In der Placebo-Gruppe hatten 19 Prozent der Frauen kurz nach der Geburt eine Infektion, verglichen mit elf Prozent in der Antibiotika-Gruppe. Schwerwiegendere Fälle von Sepsis, die durch einen positiven Bluttest bestätigt wurden, traten bei 1,5 Prozent der Mütter in der Placebo-Gruppe auf. Bei den mit Antibiotika behandelten Frauen litten nur 0,6 Prozent unter einer Sepsis. Der hohe Anteil der Frauen mit einer Infektion war überraschend. Bei den meisten handelte es sich nicht um schwerwiegende, lebensbedrohliche Infektionen, jedoch mussten sie behandelt werden, um sicherzustellen, dass sie nicht zu schweren lebensgefährlichen Infektionen führen, erläutern die Forschenden.
Behandlung reduziert Gesamtverbrauch von Antibiotika
Indem Frauen unmittelbar nach der Entbindung vor Infektionen geschützt wurden, verringerte sich auch der Gesamtverbrauch an Antibiotika. Pro 100 Dosen von Antibiotika, die prophylaktisch verabreicht wurden, mussten die Mediziner für Infektionen nach der Geburt 168 Dosen weniger verabreichen. Die geringere Infektionsrate bei den Frauen, denen Antibiotika verabreicht wurde, wirkte sich laut der Studie positiv auf die allgemeine Genesung nach der Geburt aus. Im Vergleich zur Placebo-Gruppe wurden Frauen, die Antibiotika einnahmen, seltener wegen geplatzter Nähte und perinealen Schmerzen behandelt. Diese Frauen benötigten auch weniger Hausbesuche oder ambulante Termine aufgrund ihrer Wunden. Es ist gängige Praxis, allen Frauen, die einen Kaiserschnitt benötigen, eine Einzeldosis Antibiotikum zu verabreichen, um die Infektion zu verringern. Dies sollte daher auch für Frauen nach einer assistierten Geburt in Betracht gezogen werden, berichten die Forschenden. Die routinemäßige Einnahme einer einzelnen Dosis Antibiotikum nach einer assistierten Geburt kann dazu beizutragen, Infektionen zu reduzieren und die Kosten für Komplikationen im Gesundheitswesen zu senken. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.