Neuste Erkenntnisse aus der Alternsforschung
Was haben afrikanische Killifische mit der menschlichen Alterung zu tun? Auf den ersten Blick eher überhaupt nichts. Dennoch erkannte ein Forschungsteam des Max-Planck-Instituts ein genetisches Prinzip des Alterns in den Fischen, dass offenbar auch für den Menschen gilt. Demnach wird unsere Lebensspanne durch schädliche Mutationen im Erbgut begrenzt.
Forschende des Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns untersuchten das Erbgut von 45 verschiedenen Arten des afrikanischen Killifisches. Der Fisch ist deshalb interessant, da er je nach Ort des Vorkommens eine verschiedene Lebenserwartung aufweist. Das Max-Planck-Team suchte und fand die genetischen Ursachen für die schwankende Lebenserwartung innerhalb dieser Art und konnte anhand des entdeckten Prinzips Rückschlüsse auf die menschliche Alterung ziehen. Die Ergebnisse wurden kürzlich in dem Wissenschaftsjournal „Cell“ präsentiert.
Aquariumbewohner gibt Aufschluss über die Alterung
Hierzulande kennt man die eierlegenden Zahnkarpfen (Killifische) als beliebte Einwohner von Aquarien. Der ursprünglich aus Afrika stammende Fisch weist eine genetische Besonderheit auf. Innerhalb seiner Art kommt es zu großen Schwankungen in der Lebensspanne. Offenbar haben die örtlichen Gegebenheiten, in denen der Fisch aufwächst, einen großen Einfluss auf die Genetik und somit auch auf das Lebensalter. Doch was unterscheidet langlebige Killifische von ihren kurzlebigen Verwandten?
Ansammelnde Mutationen beschleunigen den Alterungsprozess
Manche Arten des eierlegenden Zahnkarpfens werden nur wenige Monate alt, wogegen andere mehrere Jahre erleben dürfen. Das Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns analysierte die Genetik von 45 verschiedenen Killifisch-Arten, um das Rätsel der unterschiedlichen Lebenserwartungen zu lösen. Dabei entdeckte das Team einen grundlegenden Mechanismus der Genetik, durch den sich schädliche Mutationen im Genom ansammeln. Diese Ansammlungen führen der Studie zufolge dazu, dass manche Fische schneller altern und kurzlebiger sind. Der selbe Mechanismus wurde auch im Menschen nachgewiesen.
Warum gibt es kurzlebige Arten?
Man könnte meinen, dass ein längeres Leben bei allen Arten grundsätzlich von Vorteil ist, da sich in längerer Zeit mehr Nachkommen zeugen lassen. Bei manchen Killifisch-Arten zeigte sich jedoch, dass bestimmte Gene, die die Lebenszeit der Fische verkürzen, über Generationen hinweg weitergegeben wurden. Die natürliche Selektion begünstigte also nicht eine längere Lebensdauer. Warum das so ist, erklärt Forschungsleiter Dario Riccardo Valenzano: „Afrikanische Killifische leben in einer Vielzahl von Lebensräumen, von Regenwäldern bis hin zu trockenen Savannenwäldern.“ Abhängig davon, wie viel Wasser in der Umgebung verfügbar sei, leben sie entweder lang oder kurz.
Experimente der Natur
Die Forschenden zeigten, wie sich die Wasserverfügbarkeit in der Region in der Genetik der Fische widerspiegelte. „Diese Vielfalt in der Lebensdauer ist wie ein Experiment der Natur zu verschiedenen Überlebensstrategien“, berichtet Valenzano. Das mache den Killifisch zu einem einzigartigen System, um die Evolution des Alterns zu erforschen.
Aufgeblähtes Genom führt zu Kurzlebigkeit
„Die Fische scheinen nicht kurzlebig zu sein, weil das gut für sie ist oder weil es eine Anpassung an ihre Umwelt ist, sondern weil sie in längeren Regenzeiten länger leben und sich fortpflanzen”, resümiert der Studienleiter. Dieses Prinzip erkannten sie anhand der genetischen Analysen. Die Forschenden fanden heraus, dass kurzlebige Arten ein aufgeblähtes Genom haben, das voller sich wiederholender DNA-Sequenzen steckt. Dies führte dazu, dass sich in den Fischen schädliche Mutationen ansammelten, die sich negativ auf die DNA-Reparatur, die Stoffwechselkontrolle und die Energiegewinnung auswirkten. Auch Gene, die den Alterungsprozess steuern, waren von den Mutationen betroffen.
Manche Gene sind besonders für das Alter wichtig
Demnach scheinen bestimmte Gene erst im Alter eine stärkere Rolle zu bekommen. Da die Fische in wasserarmen Regionen aufgrund der örtlichen Gegebenheiten ohnehin nicht ihr volles Lebensalter erreichten, schien die natürliche Selektion für Gene, die im Alter wichtig sind, einfach nicht so effizient zu funktionieren. „Es spielt keine Rolle, ob eine Mutation die Fische im Alter krank macht, denn sie haben sich bereits vermehrt und diese Mutation auf ihre Nachkommen übertragen“, so der Forschungsleiter. Dies erkläre das aufgeblähte Genom und die Ansammlung schädlicher Mutationen bei kurzlebigen Killifischen.
Was bedeutet das für den Menschen?
In weiteren Untersuchungen zeigte sich, dass dieses Prinzip auch beim Menschen vorkommt. Wie das Team dokumentierte, häufen sich auch im Menschen schädliche Mutationen an, insbesondere in den Genen, die mit dem Altern verbunden sind. „Wir haben herausgefunden, dass die Häufigkeit von schädlichen Mutationen in einem Gen Hand in Hand damit geht, wann das Gen abgelesen wird“, betont Valenzano. Menschliche Gene, die erst im höheren Alter eine Rolle spielen, sorgen somit mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für eher schädliche Genvarianten. Dabei entdeckten die Forschenden auch neue Zusammenhänge zwischen Genen und der Alterung, von denen bislang noch gar nicht bekannt war, dass sie überhaupt mit dem Alterungsprozess zusammenzuhängen. (vb)
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Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns: Neutrale Evolution prägt Lebenserwartung und Alterung (Abruf: 04.07.2019), age.mpg.de
- Dario Riccardo Valenzano / Rongfeng Cui / Tania Medeiros / u.a.: Relaxed Selection Limits Lifespan by Increasing Mutation Load, Cell, 2019, cell.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.