Neue Studie: Passive Nutzung von sozialen Netzwerken fördert depressive Symptome
Die meisten Nutzer von sozialen Netzwerken zeigen ihr Leben in den jeweiligen Profilen von der Sonnenseite. Wer sich die Posts anguckt, kann leicht den Eindruck gewinnen, allen anderen geht es besser als einem selbst. Vor allem Personen, die Facebook und Co passiv nutzen, sind laut einer neuen Studie in Gefahr, depressive Symptome zu entwickeln.
Posts zeigen meist die Sonnenseite des Lebens
Vor allem Kinder und Jugendliche verbringen oft viele Stunden in sozialen Netzwerken. Diejenigen, die viel posten, stellen meist Fotos von positiven Ereignissen wie einer coolen Party, einem tollen Konzert oder einem spektakulären Urlaub ins Netz. Wer sich bei Facebook und Co umschaut, kann daher schnell Probleme mit seinem Selbstwertgefühl bekommen, da vermeintlich alle ein besseres Leben haben als man selbst. In einer Studie hat sich nun gezeigt, dass vor allem Personen, die soziale Netzwerke passiv nutzen, also selbst nicht posten, und dazu neigen, sich mit anderen zu vergleichen, in Gefahr sind, dadurch depressive Symptome zu entwickeln.
Widersprüchliche Studienergebnisse
Die Frage, ob die Nutzung sozialer Netzwerke depressive Tendenzen hervorrufen kann, wurde bisher widersprüchlich beantwortet.
So berichteten Wissenschaftler der University of Oxford vor wenigen Monaten über eine Studie, die zu dem Schluss kam, dass Social Media Jugendliche nicht depressiv macht.
Doch Forscher des University College London erklärten bereits Anfang des Jahres, dass soziale Netzwerke sehr wohl Depressionen bei jungen Menschen auslösen können.
Und auch in einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung der University of Montreal wurde festgestellt, dass soziale Medien Depressionen bei Kindern und Jugendlichen fördern.
Ein Team der Psychologie der Ruhr-Universität Bochum (RUB) um Dr. Phillip Ozimek berichtet nun ebenfalls über die Gefahr, durch Facebook und Co depressiv werden zu können.
Eine experimentelle und zwei Fragebogenstudien durchgeführt
Um zu klären, ob die Nutzung sozialer Netzwerke depressive Tendenzen hervorrufen kann, haben die Forschenden aus Bochum eine experimentelle und zwei Fragebogenstudien durchgeführt.
Laut einer Mitteilung der Uni, ließen die Wissenschaftler in der ersten Studie zwei Gruppen von Versuchspersonen fünf Minuten lang entweder auf ihrer Facebook-Pinnwand oder auf der Mitarbeiterwebseite der Katholisch-Theologischen Fakultät der RUB Informationen über die ersten fünf Personen herausschreiben, die sie sahen.
Eine dritte Gruppe übersprang diese Aufgabe. Alle drei Gruppen füllten danach einen Fragebogen aus, der über ihr Selbstwertgefühl Auskunft gab.
Über die Ergebnisse wird in der Fachzeitschrift „Behaviour and Information Technology“ berichtet.
Geringeres Selbstwertgefühl
„Es hat sich gezeigt, dass die Konfrontation mit sozialen Informationen im Internet – die sowohl auf Facebook als auch auf Mitarbeiterseiten selektiv und nur positiv und vorteilhaft sind – zu einem geringeren Selbstwertgefühl führen“, berichtet Dr. Ozimek.
Weil ein niedriges Selbstwertgefühl eng mit depressiven Symptomen zusammenhängt, sehen Forscher schon in dieser kurzfristigen Auswirkung eine mögliche Gefahrenquelle.
Die langfristige Perspektive wurde mittels Fragebogenstudien untersucht. Die Forscher befragten über 800 Personen zu ihrer Facebook-Nutzung, zu ihrer Tendenz, sich mit anderen vergleichen zu wollen, zu ihrem Selbstwertgefühl und zum Auftreten depressiver Symptome.
Dabei hat sich gezeigt, dass es dann einen positiven Zusammenhang zwischen vor allem passiver Facebook-Nutzung und depressiven Symptomen gibt, wenn Probanden ein verstärktes Bedürfnis nach sozialen Vergleichen ihrer Fähigkeiten haben.
„Wenn ich also ein starkes Bedürfnis nach Vergleichen habe und im Internet immer wieder auf meiner Startseite sehe, dass andere tolle Urlaube haben, tolle Abschlüsse machen, sich teure und tolle Dinge kaufen, während ich aus meinem Büro das trübe Wetter draußen sehe, senkt das meinen Selbstwert“, so Ozimek.
„Und wenn ich dies Tag für Tag und immer wieder erlebe, kann das langfristig höhere depressive Tendenzen begünstigen.“
Ähnliche Ergebnisse bei professionellen Netzwerken
In einer dritten Studie haben die Wissenschaftler per Fragebogen untersucht, ob sich ihre Befunde auch auf andere Netzwerke übertragen lassen.
Da professionelle Netzwerke etwas anders funktionieren, entschieden sie sich für Xing. „Da betreibt man zwar auch ein beschönigtes Profil, bleibt aber auf dem Teppich, um möglichst authentisch, aber positiv zu wirken“, erläutert Ozimek.
Den Angaben zufolge ergab die Auswertung ein sehr ähnliches Ergebnis wie die Facebookstudie.
Entscheidend ist die Art der Nutzung
„Insgesamt konnten wir zeigen, dass nicht die Nutzung sozialer Netzwerke generell und unmittelbar zu Depressionen führt oder mit ihnen im Zusammenhang steht, sondern dass gewisse Voraussetzungen und eine bestimmte Art der Nutzung das Risiko für depressive Tendenzen erhöhen“, erläutert Ozimek.
Den Experten zufolge können private wie professionelle soziale Netze höhere Depressionswerte begünstigen, wenn Nutzer hauptsächlich passiv unterwegs sind, sich mit anderen sozial vergleichen und diese Vergleiche den Selbstwert negativ beeinflussen.
„Wichtig ist, dass dieser Eindruck, dass es alle besser haben, ein absoluter Trugschluss sein kann“, sagt der Psychologe.
„Tatsächlich posten nur die wenigsten Menschen auch negative Erlebnisse und Erfahrungen in sozialen Medien. Dadurch, dass wir mit diesen positiven Erlebnissen im Netz überflutet werden, gewinnen wir jedoch einen ganz anderen Eindruck.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Ruhr-Universität Bochum (RUB): Depressiv durch Facebook und Co., (Abruf: 21.07.2019), Ruhr-Universität Bochum (RUB)
- Fachzeitschrift „Behaviour and Information Technology“: All my online-friends are better than me – three studies about ability-based comparative social media use, self-esteem, and depressive tendencies, (Abruf: 21.07.2019), Behaviour and Information Technology
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.