Eigenes Schmerzempfinden wichtig für Empathie
Empathie ist im Alltag für die soziale Interaktion von größter Bedeutung. Jeder hat sicher schon einmal miterlebt, wie sich eine unbekannte Person verletzt oder Schmerzen erleiden muss. Oft ist es dann so, dass im ersten Moment dieser Schmerz mitgefühlt wird. Es ist sogar recht schwer dieses Gefühl zu unterdrücken oder zu ignorieren. Doch wie wichtig ist es hierbei, das jemand selber Schmerz fühlen kann? Muss man selber Schmerzen empfinden können um bei Schmerzen anderer mitfühlen zu können?
Neurowissenschaftliche Modelle legen nahe, dass es nötig ist, selber Schmerz empfinden zu können, um bei anderen Menschen Schmerzen mitfühlen zu können. Es wird angenommen, dass bei Schmerz-Empathie bestimmte Hirnregionen aktiviert werden. Diese sind teilweise auch bei Verarbeitung eigener Schmerzen beteiligt. Daraus könnte man schließen, dass Schmerz Empathie und eigene Schmerzen auf ähnliche neuronale Funktionen zurückgreifen.Claus Lamm und sein Team nutzten in einer vom Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds geförderten Studie dieses Wissen über Schmerz-Empathie. Um eine Erklärung der neurobiologischen Mechanismen von Empathie zu finden, führte die Universität Wien eine Untersuchung durch. Hierzu wurden über 100 Probanden getestet. Durch eine experimentelle Manipulation von selbst empfundenem Schmerz wurde getestet, in welcher Form dies auch zu einer Beeinflussung von Empathie für Schmerz führt. Hierzu wurde eine sogenannte Placebo-Analgesie durchgeführt.
Schmerzmittel aber auch Placebo reduzieren Empathie
In der Placebo-Analgesiegruppe berichteten Versuchspersonen von ihrer reduzierten subjektiven Schmerzwahrnehmung. Diese ging mit einer reduzierter Gehirnaktivität im anterioren insulären Kortex und dem mittleren zingulären Cortex einher, erklärte Psychologe Claus Lamm in der Fachzeitschrift „PNAS“ (Proceedings of the National Academy of Sciences). Diese Bereiche im Gehirn sind als Teile des neuronalen Empathienetzwerkes bekannt, so der Experte. Sie stellen gleichzeitig auch zentrale Bestandteile des körpereigenen Opiatsystems dar, also jenes Systems, das an der Dämpfung von selbst empfundenem Schmerz beteiligt ist, erläuterte der Mediziner weiter.
Die Universität Wien testete in einem Folgeexperiment die Beteiligung des Opiatsystems an dem beobachteten Placeboempathie-Effekt. Hierdurch erhoffte man sich klarere Rückschlüsse auf beteiligte Neurotransmittersysteme ziehen zu können, so die Forscher. Lahm und sein Team blockierten mit Hilfe eines Medikamentes die Opiatrezeptoren. Dies löste eine Blockade des Placeboempathie-Effekts aus. Dadurch wurde eine mögliche Beteiligung des Opiatsystems an der Placeboempathie wahrscheinlicher. Studienleiter Lamm erklärte, dass dies einen bedeutenden Schritt zu einem mechanistischeren Verständnis von Empathie darstelle.
Weniger Schmerzempfindlichkeit verändert auch das Schmerzmitgefühl
Weniger Schmerzen zu empfinden, bedeutet auch, weniger Verständnis für Schmerzen anderer Menschen zu haben.Patienten, die Schmerzmittel oder Scheinmedikamente eingenommen hatten, empfanden geringere Schmerzen als die Vergleichsgruppe. Es konnte zudem beobachtet werden, dass auch das Mitgefühl für den Schmerz der anderen Probanden stark vermindert wurde. Die Teilnehmer wurden selber unempfindlicher für Schmerzen und hielten deswegen auch Schmerzreize bei anderen Personen für weniger belastend.
Das Team arbeitet derzeit an einer anderen Studie, mit dem Ziel, die direkten Effekte einer Opiatverabreichung auf Empathie zu untersuchen. Die Ergebnisse machen deutlich, dass Empathie sehr stark in eigenen Erfahrungen begründet ist, Lamm und Kollegen. Dies sei einer der Gründe, warum uns Gefühle und Schmerzen anderer Personen so nahegehen können, erklärte Lamm. Das liefere auch eine Erklärung dafür, warum Empathie teilweise in eine falsche Richtung gehen könne: Wir beurteilen andere Personen primär aus unserem eigenen Blickwinkel heraus. (as)
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