Über zwei Drittel aller Schüler leiden regelmäßig an Kopfschmerzen
In einer Untersuchung hat sich gezeigt, dass mehr als zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen in Deutschland regelmäßig Kopfschmerzen haben. Allerdings suchen nur wenige von ihnen einen Arzt auf. Nicht zuletzt, weil die Werbung der Schmerzmittelhersteller suggeriere, dass jeder seine Beschwerden selbst therapieren kann. Doch Experten warnen vor unbedachter Schmerzmitteleinnahme.
Nur wenige Schulkinder mit Kopfschmerzen gehen zum Arzt
Eine in Deutschland durchgeführte Erhebung ergab, dass mehr als zwei Drittel der befragten Kinder und Jugendlichen regelmäßig Kopfschmerzen haben. Wie die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) in einer Mitteilung berichtet, lag der Anteil bei den Oberschülern sogar bei fast 80 Prozent. Doch nur die wenigsten suchten einen Arzt auf, was auch zeigt, dass Kopfschmerzen in unserer Gesellschaft nicht als „echte“ Krankheit wahrgenommen werden. Dabei stellen Kopfschmerzen laut den Experten bereits im Kindes- und Jugendalter ein relevantes Gesundheitsproblem dar und sollten rechtzeitig und individuell von einem Arzt behandelt werden.
Ein Drittel leidet gar nicht an Kopfschmerzen
Im Rahmen der Erhebung wurden insgesamt 5.419 Schülerinnen und Schüler zwischen März 2015 und März 2016, die in Dresden eine Grund- oder weiterführend Schule besuchten, befragt.
2.706 von ihnen beantworteten den Fragebogen und gaben ihn zur Auswertung ab. Erhoben wurde, wie häufig bei Kindern und Jugendlichen in den vergangenen drei Monaten Kopfschmerzen auftraten, in welcher Stärke und welche Maßnahmen ergriffen wurden.
Die Ergebnisse wurden in „Cephalalgia“, der Zeitschrift der internationalen Kopfschmerzgesellschaft, veröffentlicht.
Der DGN zufolge gaben nur knapp 32 Prozent der Befragten an, gar nicht unter Kopfschmerzen zu leiden, fast 37 Prozent hatten einmal pro Monat Kopfschmerzen, fast 32 Prozent sogar mehr als zweimal im Monat.
Die letztgenannte Gruppe wurde noch weiter untersucht. 55 Prozent hatten an zwei bis fünf Tagen pro Monat Kopfschmerzen, 27 Prozent an fünf bis zehn Tagen.
Sieben Prozent der Befragten in der Gruppe, die mehr als zweimal im Monat Kopfschmerzen hat, gab sogar an, an mehr als 15 Tagen pro Monat darunter zu leiden.
Auffällig war zudem, dass die Kopfschmerzhäufigkeit mit der Schulform variierte: In Grundschulen hatten fast 64 Prozent der Schüler regelmäßig Kopfschmerzen, in den Gymnasien fast 68 Prozent und in den weiterführenden Regelschulen nahezu 80 Prozent.
Mädchen waren insgesamt öfter betroffen als Jungen.
Von Selbsttherapie wird abgeraten
Insgesamt gaben 624 Kinder und Jugendliche an, Schmerzmedikamente oder homöopathische Mittel gegen Schmerzen einzunehmen.
Bei akuten Kopfschmerzattacken waren die am häufigsten verwendeten Mittel Ibuprofen (49 Prozent) und Paracetamol (32 Prozent).
In der Gruppe, die nur einmal im Monat unter Kopfschmerzen litt, nahm fast ein Fünftel Schmerzmittel ein, in der Gruppe derer, die mehr als zweimal im Monat von Kopfweh gequält wurden, gab fast die Hälfte an, regelmäßig Schmerzmittel einzunehmen.
Auffällig war dabei, dass nahezu alle Kinder, die nur einmal im Monat Kopfschmerzen aufwiesen, und etwa 80 Prozent derjenigen, die mehr als zweimal im Monat Kopfschmerzen hatten, keinen Arzt aufgesucht hatten.
Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der DGN, sieht hier eine Fehlentwicklung. „Die Werbung der Schmerzmittelhersteller suggeriert, dass jeder seine Kopfschmerzen selbst therapieren kann und man keine Diagnose vom Arzt benötigt“, so der Experte.
„Das ist sicher falsch, eine Migräne wird anders behandelt als ein Clusterkopfschmerz.“
Experte warnt vor unbedachter Schmerzmitteleinnahme
Prof. Dr. Diener warnt auch vor einer unbedachten Schmerzmitteleinnahme, da Kopfschmerzmedikamente, wenn sie häufig eingenommen werden, ihrerseits Kopfschmerzen verursachen und verstärken können.
„Im Kindesalter wird oft schon der Grundstein für eine laxe Haltung gegenüber Schmerzmitteln gelegt, die dann in späteren Lebensphasen zum Schmerzmittelübergebrauch führen kann.“
Und das, obwohl Kopfschmerzen oft auch ganz ohne Medikamente behandelt werden können.
So sind etwa ein paar Tropfen Melissengeist auf ein Stück Zucker aufgetragen und eingenommen ein vielen Menschen bekanntes Hausmittel bei Kopfschmerzen.
Ein weiteres ist Kaffee mit Zitrone. Dafür presst man den Saft einer halben Zitrone in eine Tasse Espresso – aber ohne Süßungsmittel.
Zudem können vor allem bei kindlichen Kopfschmerzen Entspannungsverfahren helfen, wie sich in einer Studie zeigte.
Eine ernstzunehmende Krankheit
Laut Priv.-Doz. Dr. Gudrun Goßrau, Studienautorin und Leiterin der Kopfschmerzambulanz am Interdisziplinären Universitätsschmerzcentrum in Dresden, sei die mangelnde Bereitschaft, sich ärztlich behandeln zu lassen, auch Ausdruck eines fehlenden Bewusstseins für Kopfschmerzen als ernstzunehmende Krankheit in unserer Gesellschaft.
„Doch Kopfschmerzen sind bereits in Kindheit und Jugend ein relevantes Gesundheitsproblem. Wie unsere Erhebung gezeigt hat, sind bei jungen ebenso wie bei älteren Menschen Lebensqualität und Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigt.“
Zum Beispiel zeigte die Studie auch, dass über ein Fünftel aller Kinder und Jugendlichen, die mehr als zweimal im Monat Kopfschmerzen hatten, wegen Kopfschmerzen häufiger in der Schule fehlen.
„Oft führen Kopfschmerzen dann in einen Teufelskreis. Schulfehltage können zu Leistungsabfall, Schulversagen, Schulangst führen, viele betroffene Kinder isolieren sich sozial, auch die Gefahr einer Depression ist erhöht.“
Umso wichtiger sind daher eine rechtzeitige ärztliche Diagnose und individuelle Therapie dieser Kinder und Jugendlichen.
Lebensstilfaktoren dürften eine wesentliche Rolle spielen
Wie die DGN schreibt, werfen die hohe Kopfschmerzrate bei Schülern, die diese Studie zeigte, ebenso wie der Anstieg der Kopfschmerzprävalenz bei jungen Menschen, der in vielen anderen epidemiologischen Studien beobachtet wurde, auch gesellschaftliche Fragen auf.
Prof. Dr. Ulrike Schara, Essen, Präsidentin der Gesellschaft für Neuropädiatrie, zufolge weise der Anstieg der Kopfschmerzrate bei Kindern in den letzten Jahren darauf hin, dass eher keine genetischen Faktoren verantwortlich zu machen sind.
Vielmehr dürften Lebensstilfaktoren eine wesentliche Rolle spielen.
„Neben Alkohol, Koffein, Rauchen und Bewegungsarmut gelten vor allem Schulstress und emotionaler Stress (z.B. durch Familienkonflikte) als häufige Kopfschmerzursachen. An diesen Punkten muss eine gesamtgesellschaftliche Präventionsstrategie ansetzen.“ (ad)
Weitere interessante Artikel zu diesem Thema finden Sie hier:
- Chronifizierung vermeiden: Was gegen Kopfschmerzen wirklich hilft
- Ständiger Stress: Immer mehr junge Erwachsene leiden an Kopfschmerzen
- Natürliche Hausmittel bei Kopfschmerzen
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN): Mehr als zwei Drittel aller Schulkinder leiden regelmäßig an Kopfschmerzen, (Abruf: 23.07.2019), Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN)
- Cephalalgia: The prevalence of headache in German pupils of different ages and school types, (Abruf: 23.07.2019), Cephalalgia
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.