Gefahr durch gefälschte Medikamente ist „riesengroß“
In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Fälle aufgedeckt, bei denen Kriminelle Riesengewinne durch gefälschte Medikamente machten. Die Gefahr, ein falsch dosiertes, wirkungsloses oder gefährliches Mittel zu erhalten, ist vor allem groß, wenn man Arzneien im Netz bestellt. Experten warnen, dass man dadurch seine Gesundheit gefährden kann.
Lukratives Geschäft und enormes Gesundheitsrisiko
Immer wieder wird über die Gefahr durch gefälschte Medikamente berichtet. Selbst manche Generika-Studien wurden schon gefälscht. In der Folge mussten vor kurzem zahlreiche Nachahmer-Medikamente in Deutschland vom Markt genommen werden. Egal, ob es sich um Ampullen für Krebspatienten mit manipuliertem Inhalt, Pillen ohne ausreichenden Wirkstoff oder verunreinigtes Pulver handelt: Für Kriminelle ist es ein lukratives Geschäft ist, für Verbraucher und Patienten jedoch ein enormes Gesundheitsrisiko. Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, wird der Handel mit illegalen Arzneimitteln nach Apothekerangaben zum wachsenden Problem.
Experten beklagen, dass alles gestreckt und gefälscht werde, was Profit verspricht. Also insbesondere Lifestyle-Medikamente wie zum Beispiel Schlankheits-, Haarwuchs oder Potenzmittel, aber auch hochpreisige Arzneien gegen Krebs, Herzkrankheiten, Hepatitis oder Diabetes. Derzeit befasst sich auch ein internationaler Apotheker-Kongress mit 3.000 Teilnehmern aus 100 Ländern mit dem Problem.
Zehn Tote durch gefälschte Blutverdünner
Der Internetversand, der grenzüberschreitend-global funktioniert, ist das Haupteinfallstor für gefälschte Medikamente. „Deshalb ist auch der Kampf gegen Arzneimittelfälschungen eine internationale Aufgabe“, sagte Friedemann Schmidt, Präsident der gastgebenden Bundesvereinigung Deutscher Apotheker (ABDA) gegenüber der dpa. „Das Problem ist, dass die Fälschungen immer besser werden und immer schlechter zu erkennen sind.“ Manchmal enthalten Fälschungen keinen oder zu wenig Wirkstoff, dann bleibt die Erkrankung ganz oder unzureichend behandelt. Andere Mittel hingegen enthalten schädliche Substanzen. Professor Manfred Schubert-Zsilavecz, Experte für pharmazeutische Chemie, meinte, man müsse zwischen der legalen Verteilerkette mit pharmazeutischem Großhandel und Apotheken und den illegalen Anbietern dubioser Internet-Quellen unterscheiden.
„Sollte beispielsweise ein gefälschtes Arzneimittel zur Krebsbehandlung von einer Apotheke an eine Klinik abgegeben werden, das tatsächlich keinen Wirkstoff enthält, wäre das natürlich eine Katastrophe“, so der Experte. „Die Krebserkrankung könnte sich weiter entfalten. In den USA sind solche Dinge auch schon passiert.“ Dort seien infolge von gefälschtem Heparin – das nach einigen Operationen Thrombosen oder Embolien verhindern soll – mindestens zehn Menschen gestorben, berichtete Schubert-Zsilavecz. Hierzulande sei ihm kein Fall bekannt, in dem ein Patient durch ein gefälschtes Mittel aus der legalen Verteilerkette ernsten Schaden genommen hätte. Er rät: „Der Patient sollte sich auf die bewährten Strukturen verlassen: Der Arzt verordnet, der Apotheker gibt ab.“ Wenn man online auf eigen Faust bestelle, sei die Gefahr, Opfer Krimineller zu werden und gesundheitlichen Schaden zu nehmen, „riesengroß“.
Fälschungen auch in der Apotheke
ABDA-Präsident Schmidt erläuterte: „Wir beobachten, dass immer öfter versucht wird, gefälschte Arzneimittel in die legale Vertriebskette einzuschleusen“. So hatten es etwa einige Fälschungen des Magenmittels Omeprazol in Großhandel und Apotheken geschafft. Auch der Zoll stößt öfter auf gefälschte Medikamente. „Die Einnahme dieser Arzneimittel kann eine Gefahr für Leib und Leben bedeuten“, heißt es vom Bundeskriminalamt. Erst vor wenigen Tagen waren in Nordrhein-Westfalen rund 3,5 Millionen Tabletten aus Indien – gefälschtes Viagra und gefährliche Schlaftabletten – sichergestellt worden. Und im April war zunächst gewarnt worden, dass ein gefälschtes Krebsarzneimittel (Herceptin) im Umlauf ist und kurze Zeit darauf wurde eine Rückrufaktion für das gefälschte Medikament Remicade gestartet. Beide Fälle waren auf Betrügereien in Italien zurückzuführen.
„Vertriebswege und Arzneimittelverpackungen sicherer machen“
Vermeintliche Diskretion und Preisvorteile im Internet sind aber offenbar für viele Verbraucher wichtige Kaufargumente. Durch die Anonymität im Netz, schwer durchschaubare Lieferwege und längere Vertriebsketten werde den Fälschern ihr Handwerk erleichtert. „Wir sehen mit Sorge, dass Arzneimittelfälschungen aufgrund der Preisstrukturen in Europa ein lukratives Geschäft für kriminelle Organisationen geworden sind“, erklärte Professor Karl Broich, Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte. „Wir müssen Vertriebswege und Arzneimittelverpackungen sicherer machen, um Fälschungen zu erschweren.“
Laut Experten bietet eine seriöse Versandapotheke Medikamente nur gegen Rezept an. Zudem können die, die eine Arznei online bestellen wollen, über das Register Dimdi ( www.dimdi.de) prüfen, ob der Anbieter seriös und für den Internethandel zugelassen ist. Alle Länder der EU führen solche Listen. ABDA-Chef Schmidt verwies außerdem auf das Projekt securPharm: Demnach sollen alle Medikamentenpackungen einen fälschungssicheren Barcode erhalten. „Wenn das implementiert ist, können wir jede einzelne Arzneimittelpackung über eine individuelle Kennung von der Herstellung bis zur Abgabe verfolgen.“ (ad)
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