Tageszeit hat doch keinen Einfluss auf das Ausmaß eines Herzinfarkts
In der Vergangenheit haben verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen darauf hingedeutet, dass Herzinfarkte am Morgen gefährlicher sind als zu anderen Zeiten. Doch eine neue Studie hat nun gezeigt, dass das Ausmaß eines Herzanfalls nicht von der Tageszeit abhängig ist.
Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) am Deutschen Herzzentrum München, Klinik an der Technischen Universität München (TUM), haben herausgefunden, dass die Folgen eines Herzinfarkts nicht davon bestimmt werden, ob der Infarkt mitten in der Nacht oder am helllichten Tag auftritt.
Herzinfarkte am häufigsten zwischen sechs Uhr morgens und zwölf Uhr mittags
Gesundheitsexperten zufolge erleiden pro Jahr rund 300.000 Menschen in Deutschland einen Herzinfarkt (Myokardinfarkt). Im Akutfall gilt es, sofort die Rettungskräfte zu alarmieren. Die gefährlichen Attacken treten am häufigsten zwischen sechs Uhr morgens und zwölf Uhr mittags auf, berichtet das DZHK in einer Pressemitteilung.
Andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzrhythmusstörungen oder plötzlicher Herztod scheinen ebenfalls einem Tagesrhythmus zu folgen, auch sie ereignen sich gehäuft morgens oder vormittags. Außerdem deuten einige Studien darauf hin, dass der Zeitpunkt, zu dem die Beschwerden beginnen beziehungsweise der Herzinfarkt einsetzt, beeinflusst, wie Herzkrankheiten verlaufen.
Privatdozent Dr. Hendrik Sager, Dr. Thorsten Kessler und ihre Kollegen sind diesem Aspekt nun genauer nachgegangen. In einer Studie mit rund 1.200 Patienten haben die Wissenschaftler untersucht, ob die Uhrzeit, zu der sich der Herzinfarkt ereignet, auch bestimmt, welche Folgen er hat. In ihrer, im Fachmagazin „Journal of Translational Medicine“ veröffentlichten Studie, kommen sie zu dem Ergebnis, dass es nicht von der Tageszeit abhängt, wie ein Herzinfarkt sich langfristig auswirkt.
Für ihre Untersuchung haben die Forscher den Tag in vier Zeitfenster unterteilt: 0 bis 6 Uhr, 6 bis 12 Uhr, 12 bis 18 Uhr und 18 bis 24 Uhr. Den Angaben zufolge lag in allen untersuchten Fällen ein sogenannter ST-Hebungsinfarkt (STEMI) vor und ein verschlossenes Blutgefäß im Herzen, nämlich ein Herzkranzgefäß, löste den Infarkt aus. Dadurch wird das Herz schlechter durchblutet und Herzmuskelzellen sterben ab.
Gespritzte Substanz machte Blutfluss sichtbar
Wie die Experten erklären, eröffnen Ärzte bei einem Herzinfarkt das verschlossene Blutgefäß mithilfe eines Katheters. Noch vor diesem Eingriff bekamen alle Studienteilnehmer eine Substanz gespritzt, die sich im Herzen überall da anreichert, wo das Blut fließt. Die Mediziner konnten dadurch bei der anschließenden Aufnahme des Herzens mit einer speziellen Kamera bestimmen, welche Bereiche des Herzens nicht durchblutet sind.
Sieben Tage nach dem Eingriff verabreichten die Ärzte die Substanz erneut, um zu beurteilen, welche Bereiche des vormals nicht durchbluteten Herzgewebes durch das Wiedereröffnen des verschlossen Herzkranzgefäßes gerettet werden konnten. Außerdem ermittelten die Wissenschaftler auch, wie viele der Patienten nach fünf Jahren noch lebten. Hiermit konnten sie Rückschlüsse ziehen, ob die Tageszeit, zu der ein Herzinfarkt auftritt, die langfristige Prognose verändert.
„Natürlich gibt es viele Faktoren, die bestimmen, wie schwer ein Herzinfarkt verläuft“, so DZHK-Wissenschaftler Sager. „Etwa wie lange es dauert, bis das Gefäß wiedereröffnet wird oder welches der drei Herzkranzgefäße verschlossen ist. Diese Faktoren haben wir herausgerechnet.“
Bisherige Studien lieferten widersprüchliche Ergebnisse
„Die Sterblichkeit ist bei morgendlichen Herzinfarkten größer und die Heilungschancen sind schlechter“, hieß es zwar in einer älteren Mitteilung der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), doch Studien lieferten widersprüchliche Ergebnisse, ob sich die Tageszeit auf Infarktgröße und Überlebensrate auswirkt.
Sager sieht den Grund hierfür in den zu kleinen Patientenkollektiven und zu kurzen Beobachtungszeiträumen dieser Untersuchungen. Mit ihrer umfangreichen Analyse haben die Wissenschaftler nun erstmals eindeutig geklärt, dass die Tageszeit den Verlauf eines Herzinfarktes nicht beeinflusst und die Ärzte bei der Behandlung ihrer Patienten nicht berücksichtigen müssen, zu welcher Uhrzeit der Herzinfarkt auftrat. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK): Ausmaß eines Herzinfarkts unabhängig von Tageszeit, (Abruf: 24.08.2019), Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK)
- Journal of Translational Medicine: Time-of-day at symptom onset was not associated with infarct size and long-term prognosis in patients with ST-segment elevation myocardial infarction, (Abruf: 24.08.2019), Journal of Translational Medicine
- Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU): Was Herzinfarkte morgens so gefährlich macht, (Abruf: 24.08.2019), Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.