Medizinischer Dienst wirft Augenärzten teils unseriöses Marketing vor
Fast jeder zweite Versicherte in Deutschland bekommt beim Praxisbesuch Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) angeboten. Besonders häufig werden Patientinnen und Patienten in Augenarztpraxen mit den sogenannten „Selbstzahlerleistungen“ konfrontiert. Dort wird teils unseriöses Marketing betrieben.
Unter IGeL (Individuelle Gesundheitsleistungen) sind alle Leistungen zu verstehen, die nicht zum festgeschriebenen Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehören, die eine Kasse also nicht zahlen muss. Besonders oft sind Patientinnen und Patienten damit in Augenarztpraxen konfrontiert. Der vom Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) initiierte und in Auftrag gegebene IGeL-Monitor nimmt den Umgang mit den sogenannten „Selbstzahlerleistungen“ kritisch unter die Lupe und stellt als neue Bewertung die Früherkennung eines Glaukoms mit der Optischen Kohärenztomographie (OCT) vor.
Mit IGeL werden jährlich rund eine Milliarde Euro umgesetzt
Der Markt für Individuelle Gesundheitsleistungen boomt. Wie aus einer Mitteilung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) hervorgeht, setzen Arztpraxen damit rund eine Milliarde Euro pro Jahr um. IGel sind gut bekannt und werden häufig in Anspruch genommen. Auch das Informationsbedürfnis der Versicherten nimmt zu. Täglich informieren sich fast 2.000 Besucherinnen und Besucher auf dem Internetportal IGeL-Monitor. Das Informationsbedürfnis bei IGeL ist in der Augenarztpraxis besonders groß.
Den Angaben zufolge werden von den insgesamt 51 Bewertungen im IGeL-Monitor die beiden bisherigen Bewertungen zur Glaukom-Früherkennung am meisten abgerufen – sie machen rund 15 Prozent der Seitenabrufe aus. Bei den Zuschriften von Versicherten an den IGeL-Monitor thematisieren fast 40 Prozent augenärztliche IGeL. Laut der Mitteilung belegen die Erfahrungen, die dabei geschildert werden, zum Teil aggressives Praxismarketing. So berichten Versicherte vielfach, dass sie bereits von den Praxiskräften zum Kauf von IGeL aufgefordert werden oder dass davon sogar der Arzttermin abhängig gemacht wird.
„Augenarztpraxen halten sich häufig nicht an die anerkannten Regeln für den Verkauf von IGeL. Stattdessen wird ausgesprochen unseriöses Marketing betrieben und selbst vulnerable Patientengruppen wie ältere Menschen, Patienten mit wenig Geld und Versicherte in ländlichen Regionen mit wenig Praxisangebot fühlen sich unter Druck gesetzt“, so Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des MDS. „Daher appellieren wir an die Ärzteschaft, sich an die anerkannten Regeln zu halten und zu einem seriösen Umgang mit IGeL zurückzukehren.“
Optische Kohärenztomographie „tendenziell negativ“ bewertet
In seiner neuen Bewertung hat der IGeL-Monitor eine weitere IGeL zum Thema Augen untersucht. Dabei haben die Expertinnen und Experten recherchiert, ob die Optische Kohärenztomographie (OCT) als Früherkennungsuntersuchung verhindern kann, dass Menschen wegen eines Glaukoms erblinden. Die Fachleute konnten dazu keine aussagefähigen Studien finden. Zudem konnten sie keine Studien finden, die zeigen, dass eine frühe Therapie nützlich ist. Indirekte Schäden durch Überdiagnosen sind jedoch auch bei der OCT zur Glaukom-Früherkennung zu erwarten. Daher kamen die Experten bei der Abwägung des Schaden- und Nutzenpotenzials zu dem Schluss, dass diese Früherkennungsuntersuchung mit „tendenziell negativ“ zu bewerten ist.
Im Vorfeld hatten sich Versicherte an den IGeL-Monitor gewandt und nach der OCT zur Glaukom-Früherkennung gefragt. Deshalb hat der IGeL-Monitor zunächst recherchiert, ob die OCT dafür überhaupt eingesetzt wird.
„Eine erste Nachfrage bei Augenärzten zum Stellenwert der OCT zur Früherkennung ergab, dass der Einsatz skeptisch gesehen wird. Auch in den Leitlinien wird diese Untersuchung nicht zur Früherkennung empfohlen. Unsere Recherche bei 100 Augenarztpraxen zeigt aber, dass 25 Prozent der Praxen die OCT genau zu diesem Zweck anbieten“, erläuterte Dr. Michaela Eikermann, Leiterin des Bereichs Evidenzbasierte Medizin beim MDS.
Tipps für Patienten
Die Verbraucherzentrale hat auf ihrer Webseite einige Tipps für Patienten zur Glaukom-Früherkennung:
- Wenn Ihnen Ihr Augenarzt eine Glaukom-Früherkennung anbietet, dann fragen Sie konkret nach dem individuellen Nutzen.
- Klären Sie mit Ihrem Arzt und mit Ihrer Krankenkasse, ob bei Ihnen ein Verdacht auf ein Glaukom oder ein bestimmter Risikofaktor vorliegt. Denn dann ist die Untersuchung eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung.
- Sofern Sie sich gegen eine Glaukom-Früherkennung entscheiden, müssen Sie den Verzicht gegenüber dem Augenarzt nicht schriftlich bestätigen und auch keine Nachteile bei einer möglichen späteren Diagnose befürchten. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK): IGeL-Monitor: Umgang mit IGeL in Augenarztpraxen verunsichert Patienten, (Abruf: 31.08.2019), Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK)
- Verbraucherzentrale: Glaukom-Früherkennung, (Abruf: 31.08.2019), Verbraucherzentrale
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.