Britisches Unternehmen lieferte über Jahre defekte Prothesen
Am Klinikum Leer sind offenbar 48 Patienten defekte Bandscheibenprothesen implantiert worden. Nun warnt die AOK davor, dass weitere Fälle folgen könnten und ein europaweiter Skandal drohe. Dementsprechend habe die Krankenkasse einem Bericht des „NDR“ zufolge, den britischen Hersteller Ranier Technology Ltd. zur Herausgabe der Lieferlisten der vergangenen Jahre aufgefordert. Die mittlerweile insolvente Firma hatte über Jahre hinweg die mangelhaften Prothesen ausgeliefert, 20 Patienten mussten bereits erneut operiert werden.
Gefahr einer „Wanderung“ der Prothese
Von Ende 2010 bis Anfang 2014 erhielten offenbar 48 Patienten am Klinikum Leer eine mangelhafte Bandscheibenprothese, welche laut dem Hersteller nicht die „erwartete Leistung“ bringe. Stattdessen käme es in knapp 18 Prozent der Fälle zu einer „Wanderung“ der Prothese, wodurch eine erneute Operation der Patienten notwendig werde, teilt das Klinikum in einer Pressemitteilung mit. Demnach hatte die Firma Ranier „im Februar und April 2014 eine dringende Sicherheitsmitteilung für die „Cadisc-L“-Bandscheibenprothese veröffentlicht“, die jedoch dem Klinikum „pflichtwidrig erst im zweiten Quartal 2015 zur Kenntnis gegeben wurde“, so die Klinik weiter.
11.000 transplantierte Bandscheibenprothesen des britischen Herstellers
Doch die fehlerhaften Prothesen betreffen allem Anschein nach nicht nur Leer. Stattdessen gehe die Kaufmännische Krankenkasse in Hannover laut dem Klinikum davon aus, dass insgesamt über 11.000 Bandscheibenprothesen der betroffenen Firma bei Patienten eingesetzt wurden. Der Skandal könne sich nach Ansicht der AOK möglicherweise sogar europaweit ausweiten. Wie der „NDR“ berichtet, habe die Krankenkasse den britischen Hersteller Ranier daher bereits angeschrieben und die Lieferlisten der vergangenen Jahre angefordert, um einschätzen zu können, wie viele Patienten tatsächlich betroffen sind.
Denn offenbar hatte Ranier über Jahre hinweg defekte Implantate an Kliniken in ganz Europa geliefert, nun habe das Unternehmen jedoch in der vergangenen Woche Insolvenz angemeldet, so der NDR mit Berufung auf die „Ostfriesen-Zeitung”. Schon 20 Patienten mussten aufgrund einer verrutschten Prothese bereits eine erneute Operation in Leer über sich ergehen lassen – doch auch die anderen Betroffenen sollten sich dem Klinikum nach nun einer Kontrolluntersuchung unterziehen.
Warnungen vor eigenen Produkten schon seit 2010
Demnach habe das Krankenhaus mehr als 100 Patienten angeschrieben, die eine Prothese des Unternehmens erhalten hatten und diese gebeten, jedes halbe Jahr eine ärztliche Kontrolle durchführen zu lassen. Bereits nachoperierte Patienten hätten sich bereits mit Schmerzensgeldforderungen an ihre Krankenkassen gewandt, berichtet der NDR weiter. Unterstürzung erhalten einige der Betroffenen dabei von dem Leeraner Rechtsanwalt Burkhardt Remmers, der neben den Klagen gegen den Hersteller auch die gegen das Klinikum Leer prüft. Denn Ranier hatte offenbar schon seit 2010 Warnungen bezüglich eigener Produkte ausgesprochen, den Rückruf jedoch erst Anfang 2014 gestartet.
„Wir empfehlen unseren Patienten, sich an ihre Krankenkassen zu wenden, die zeitgleich mit den Patienten von uns über den Vorgang informiert wurden. Natürlich können sich Patienten, die verunsichert sind, auch gerne bei uns melden“, so Holger Glienke, Geschäftsführer des Klinikum Leer. (nr)
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