Neuer Ansatz: Forscher konnten Erkältung stoppen
Gesundheitsexperten zufolge ist die Erkältung die häufigste Infektionskrankheit weltweit. Doch obwohl so viele Menschen davon betroffen sind, ist die Erkrankung noch immer nicht heilbar. Lediglich die Symptome lassen sich behandeln. Nun berichten Forschende aus den USA aber, dass sie einen Weg gefunden haben, wie man Erkältungen und Infektionen mit eng verwandten Viren stoppen kann.
Eine vorübergehende Deaktivierung eines einzelnen Proteins in unseren Zellen könnte uns vor Erkältungen und anderen Viruserkrankungen schützen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die von Forschern der Stanford University und der University of California-San Francisco durchgeführt wurde. Laut einer Mitteilung wurden die Befunde in menschlichen Zellkulturen und in Mäusen gemacht.
„Vollständigen Schutz“ erreicht
„Unsere Omas haben uns immer gefragt: Wenn ihr so schlau seid, warum habt ihr dann noch keine Heilbehandlung für die gewöhnliche Erkältung gefunden?“, sagte Prof. Jan Carette von der Stanford University. Jetzt haben sie einen neuen Weg gefunden, um die Erkrankung zu behandeln. Anstatt sie direkt anzugreifen, zielten die Forscher auf ein essentielles Protein in unseren Zellen ab, das die Viren replizieren müssen. Der Ansatz ergab „vollständigen Schutz“ in Experimenten an Mäusen und menschlichen Lungenzellen, berichtet die „BBC“. Zudem hat er dazu beigetragen, Viren zu stoppen, die mit Asthma, Enzephalitis und Kinderlähmung assoziiert sind, heißt es in der Mitteilung.
Erkältungen werden oft durch Rhinoviren ausgelöst
Mindestens die Hälfte aller Erkältungen werden durch Rhinoviren verursacht. Es gibt ungefähr 160 bekannte Rhinovirus-Typen, was erklärt, warum man sich nach einer Erkältung schnell wieder damit infizieren kann. Erschwerend hinzu kommt, dass Rhinoviren in hohem Maße mutationsanfällig sind und infolgedessen schnell eine Arzneimittelresistenz entwickeln sowie der durch eine frühere Exposition oder einen Impfstoff verursachten Immunüberwachung entgehen.
In der nun im Fachmagazin „Nature Microbiology“ veröffentlichten Studie haben Carette und seine Mitarbeiter einen Weg gefunden, eine breite Palette von Enteroviren, einschließlich Rhinoviren, daran zu hindern, sich in menschlichen Zellen in Kultur sowie in Mäusen zu replizieren. Sie schafften dies, indem sie ein Protein in Säugetierzellen deaktivierten, das alle Enteroviren zur Replikation zu benötigen scheinen.
Bekannt und gefürchtet
Eines der bekanntesten und am meisten gefürchteten Enteroviren ist das Poliovirus. Bis zur Einführung eines wirksamen Impfstoffs in den 1950er Jahren führte das Virus allein in den USA jedes Jahr zu Lähmungen und zum Tod von vielen tausend Kindern. Seit 2014 ist eine andere Art von Enterovirus, EV-D68, in den USA und in Europa an rätselhaften Ausbrüchen einer Polio-ähnlichen Krankheit, der akuten schlaffen Myelitis, beteiligt. Andere Enteroviren können Enzephalitis (Gehirnentzündung) und Myokarditis (Herzmuskelentzündung) verursachen.
Sehr starke Verringerung der Virusreplikation
Enteroviren können sich – wie alle Viren – leicht bewegen. Zur Replikation nutzen sie Proteine in den Zellen, die sie infizieren. Die Forscher aus den USA fanden nun eine der Komponenten, von denen die Viren abhängig waren. Die Wissenschaftler begannen mit menschlichen Zellen und nutzten Genome Editing, um ein einzelnes Gen in jeder der Zellen zu deaktivieren. Diese modifizierten Zellen wurden dann mit RV-C15 infiziert, einem Rhinovirus, von dem bekannt ist, dass es Asthma bei Kindern verschlimmert, und anschließend mit EV-C68, das an einer akuten schlaffen Myelitis beteiligt ist.
Alle diese Viren waren nicht in der Lage, sich in Zellen zu replizieren, in denen die Funktionen für ein Protein namens SETD3 ausgeschaltet waren. „Es war eindeutig entscheidend für den viralen Erfolg, aber es war nicht viel darüber bekannt“, sagte Carette. Die Forscher beobachteten eine 1000-fache Verringerung der Virusreplikation in menschlichen Zellen ohne SETD3 im Vergleich zu denen mit dem Protein.
Die Wissenschaftler entwickelten dann gentechnisch veränderte Mäuse, die dieses Protein überhaupt nicht produzieren konnten. „Das Fehlen dieses Gens schützte die Mäuse vollständig vor einer Virusinfektion“, sagte Carette von Stanford gegenüber der BBC. „Diese Mäuse würden [ohne die Mutation] immer sterben, aber sie überlebten und wir sahen eine sehr starke Verringerung der Virusreplikation und einen sehr starken Schutz.“ Die Tiere wuchsen bis zum Erwachsenenalter und waren fruchtbar.
Hoffnung auf ein Medikament
Es ist nicht geplant, gentechnisch veränderte Menschen zu produzieren, sondern ein Medikament zu finden, das das Protein vorübergehend unterdrückt und schützt. Die Studienergebnisse geben „die Hoffnung, dass wir ein Medikament mit einer breiten antiviralen Aktivität nicht nur gegen Erkältungen, sondern möglicherweise gegen alle Enteroviren entwickeln können, ohne die reguläre Funktion von SETD3 in unseren Zellen zu beeinträchtigen“, sagte Carette. „Ich denke, die Entwicklung kann relativ schnell gehen.“ Welche Rolle das Protein bei der Virusreplikation spielt, ist noch ungewiss und bedarf weiterer Untersuchungen.
Möglicherweise können die Viren nicht lange in Schach gehalten werden
Prof. Jonathan Ball, ein Virologe an der Universität von Nottingham (Großbritannien), der nicht an der Arbeit beteiligt war, sagte, die Studie sei „ordentlich“, aber Wissenschaftler müssten sicher sein, dass der Ansatz sicher sei. „Es besteht ein zunehmendes Interesse an der Entwicklung von Therapien, die auf diese Wirtsproteine abzielen, da sie möglicherweise die Virusmutation überwinden können – eines der Haupthindernisse für die Entwicklung wirksamer, breit wirksamer Virostatika“, so der Experte. „Aber Viren sind natürlich sehr anpassungsfähig und es ist denkbar, dass sie auch durch eine auf den Wirt gerichtete Behandlung nicht lange in Schach gehalten werden.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Stanford University: In human cells and mice, a cure for the common cold, Stanford-UCSF study reports, (Abruf: 17.09.2019), Stanford University
- Nature Microbiology: Enterovirus pathogenesis requires the host methyltransferase SETD3, (Abruf: 17.09.2019), Nature Microbiology
- BBC: Common cold stopped by experimental approach, (Abruf: 17.09.2019), BBC
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.