Gefährlicher Trend zur Selbstmedikation mit Magenschutzmedikamenten
Gesundheitsexperten zufolge gehören Protonenpumpeninhibitoren (PPI), auch Magensäureblocker genannt, zu den hierzulande am häufigsten eingenommenen Medikamenten. Meist wird davon abgeraten, Magenschutzmedikamente länger einzunehmen, da sie mit unerwünschten Nebenwirkungen einhergehen können. Und für manche Menschen können diese Arzneimittel besonders gefährliche Folgen haben, berichten nun Forschende aus Österreich.
Protonenpumpeninhibitoren (PPI) – umgangssprachlich als „Magenschutz“ bekannt – gehören zu den umsatzstärksten und meistverschriebenen Arzneimitteln. Gesundheitsexperten raten in der Regel davon ab, solche Medikamente langfristig einzunehmen, da sie unter anderem einen Vitamin-B12-Mangel begünstigen und Allergien auslösen können. Zudem beeinflussen Protonenpumpenhemmer das Mikrobiom von Patientinnen und Patienten mit Leberzirrhose stark, was dazu führt, dass gesundheitsschädliche Bakterien bessere Bedingungen vorfinden und sich dadurch auch stärker vermehren. Das haben Forschende der Medizinischen Universität (MedUni) Graz nun herausgefunden.
Negative Langzeitfolgen
Wie die Uni in einer Mitteilung schreibt, sind Protonenpumpenhemmer zu einem unverzichtbaren Medikament in der Behandlung säurebedingter Erkrankungen des Verdauungstraktes, wie zum Beispiel Magengeschwüre oder Speiseröhrenentzündungen, geworden. Laut den ExpertInnen wirken PPI schnell und zuverlässig und weisen zusätzlich ein günstiges Nebenwirkungsprofil auf.
„Aufgrund der geringen bzw. kaum nachweisbaren Nebenwirkungen werden Medikamente zum Magenschutz auch außerhalb der angedachten Einsatzgebiete verwendet – wie beispielsweise präventiv zum Schutz des Magens, wenn mehrere andere Medikamente eingenommen werden müssen“, erläutert Vanessa Stadlbauer-Köllner von der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie der Med Uni Graz.
Nachdem PPI zum Teil nicht mehr rezeptpflichtig sind, greifen viele Menschen zur Selbstmedikation und verwenden PPI als Lifestyle-Medikament ohne klare Indikation. „In den letzten Jahren häufen sich aber Berichte über mögliche negative Langzeitfolgen der PPI Einnahme – von einem erhöhten Allergierisiko, einer erhöhten Sterblichkeit, Osteoporose, Vitamin- und Mineralstoffmangel bis hin zur Demenz wurde berichtet“, so die Expertin.
Einnahme ohne nachvollziehbaren Grund
Die wissenschaftliche Arbeitsgruppe von Vanessa Stadlbauer-Köllner beschäftigt sich mit der Erforschung von Veränderungen des Darm-Mikrobioms bei chronischen Lebererkrankungen. Da auch die Verwendung von PPI bei solchen Erkrankungen häufig ist – die Hälfte der Patientinnen und Patienten nimmt einen PPI, in 50% ohne nachvollziehbaren Grund – untersuchte Angela Horvath aus der Arbeitsgruppe die Auswirkungen von PPI auf das Mikrobiom bei Leberzirrhose und machte eine besorgniserregende Entdeckung.
In der im Fachmagazin „Scientific Reports“ publizierten Arbeit zeigt sie, dass PPI das Mikrobiom von Zirrhose-Patientinnen und Patienten immens beeinflussen. „Im bereits durch die Zirrhose vorgeschädigten Mikrobiom kommt es zu einer weiteren Reduktion der Diversität und zu einem Verlust der Kolonisationsresistenz – das bedeutet, dass schädliche Bakterien bessere Bedingungen vorfinden um sich zu vermehren“, erklärt Horvath.
Bei Zirrhose sind dies vor allem Bakterien aus dem Mund, die dann im Darm zu finden sind (beispielsweise Veillonella parvula und Streptococcus salivarius). „Diese Veränderung in der Zusammensetzung des Mikrobioms führt zu einer Entzündungsreaktion im Darm und einer Darmbarrierestörung. Dadurch treten bakterielle Produkte vermehrt über den Darm in den Kreislauf ein“, sagt die Expertin.
Zudem stellte die Wissenschaftlerin fest, dass Patientinnen und Patienten mit Zirrhose und Einnahme eines PPI häufiger an Komplikationen der Zirrhose versterben als Patientinnen und Patienten, die keinen PPI einnehmen.
Manche Patienten sind auf eine Dauertherapie angewiesen
Das Team zieht aus den aktuellen Forschungsergebnissen mehrere Schlüsse. Einerseits muss die Sinnhaftigkeit der Verschreibung von PPI – wie bei jedem anderen Arzneimittel auch – für jeden Patienten/jede Patientin individuell geprüft werden. Nur wenn ein solches Medikament medizinisch Sinn macht, sollte es auch verschrieben und verwendet werden. Andererseits gibt es natürlich Menschen, die auf eine Dauertherapie mit PPI angewiesen sind (zum Beispiel chronische Refluxerkrankung oder die Einnahme mehrerer magenschädigender Medikamente gleichzeitig).
Für diese PatientInnengruppe wird es notwendig sein, Therapiekonzepte zu entwickeln, die vor den negativen Folgen der PPI auf das Mikrobiom schützen. Den Angaben zufolge arbeitet die Arbeitsgruppe von Vanessa Stadlbauer-Köllner momentan daran, das Darm-Mikrobiom mittels Probiotika so zu stabilisieren, dass PPI keinen negativen Effekt haben. (ad)
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Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Medizinische Universität Graz: Magenschutzmedikamente sollten kein Lifestyleprodukt sein, (Abruf: 05.10.2019), Medizinische Universität Graz
- Scientific Reports: Biomarkers for oralization during long-term proton pump inhibitor therapy predict survival in cirrhosis, (Abruf: 05.10.2019), Scientific Reports
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.