Sexuelle Orientierung genetisch bedingt?
Forscher aus den USA meinen, die sexuelle Orientierung von Männern, sei mit Hilfe von genetischen Informationen mit einer Genauigkeit von bis zu 70 Prozent vorhersagbar. Allerdings nur für manche Menschen. Von Kritikern wird ein Missbrauch der neuen Erkenntnisse befürchtet.
Auf der Suche nach einem „Schwulen-Gen“
Zwar hatte ein US-Genetiker bereits Anfang der 1990er-Jahre behauptet, eine Art „Schwulen-Gen“ entdeckt zu haben, aber eindeutige Belege dafür, dass unser Erbgut Hinweise auf die sexuelle Orientierung gibt, blieben bislang aus. Verschiedene Studien mit Zwillingsbrüdern sprechen eigentlich auch gegen solche Vermutungen. So sind nur rund 20 bis 50 Prozent der genetisch identischen Brüder von homosexuellen eineiigen Zwillingen ebenfalls schwul. Forscher der University of California in Los Angeles wollen aber jetzt einen Beweis für genetische Faktoren gefunden haben.
Erbgut von Zwillingen untersucht
Dafür hatte das Wissenschaftlerteam um Tuck Ngun das Erbgut von 37 männlichen eineiigen Zwillingspaaren, von denen jeweils ein Partner homosexuell war und der andere nicht, sowie von zehn Paaren, bei denen beide Zwillinge homosexuell waren, analysiert. Ihren Angaben zufolge entdeckten sie Genregionen, die mitverantwortlich dafür sind, welche sexuelle Orientierung ein Mensch hat. Die Forscher machten von einem neu entwickelten Algorithmus Gebrauch, um die Datenmenge zu analysieren. Es stellte sich heraus, dass sich Methylierungsmuster in neun kleinen Regionen, verteilt über das Genom, als Indikator erwiesen, die sexuelle Orientierung der Probanden mit einer Richtigkeit von bis zu 70 Prozent zu bestimmen. Das Team präsentierte ihre Ergebnisse vor kurzem bei der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für Humangenetik. „Laut unseres Wissens, ist das das erste Beispiel eines voraussagenden Modells der sexuellen Orientierung, basierend auf molekulare Marker“, so Ngun. Laut „focus.de“ erklärte er: „Ich bin selbst homosexuell und ich habe mich immer gefragt, warum das so ist.“
Experten äußern sich kritisch und befürchten Missbrauch
Viele Experten äußern sich kritisch über die Ergebnisse. So auch Gil McVean, Professor für statistische Genetik an der Universität Oxford. In der britischen „Daily Mail“ sagte er: „Ohne Absicherung des Ergebnisses in einem unabhängigen Datensatz ist es völlig unmöglich zu sagen, ob diese Behauptung haltbar ist.“ Der Schwulen- und Menschenrechtsaktivist Peter Tatchell meinte: „Eine Genauigkeit von „bis zu 70 Prozent“ klingt nicht sonderlich überzeugend oder zuverlässig.“ Außerdem würden manche Menschen befürchten, dass „die Forschung von homophoben Eltern oder Regimen missbraucht werden könne, um die sexuelle Orientierung ihrer Ungeborenen zu testen“ und – falls ihnen diese nicht gefällt – die Schwangerschaft abzubrechen.
„Warum wir so sind, wie wir sind“
„Sexuelle Anziehung ist ein ganz grundlegender Bestandteil des Lebens, allerdings wissen wir auf genetischer und molekularer Ebene nicht viel darüber. Ich hoffe dass diese Forschung dazu beiträgt, dass wir uns selbst besser verstehen und auch einen Erklärungsansatz dazu leistet, warum wir so sind, wie wir sind“, so Dr. Ngun. Den Angaben zufolge testen die Forscher die Genauigkeit des für den Test entwickelten Algorithmus derzeit mit einer höheren Anzahl an Probanden. (ad)
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