Ist die Einnahme von Aspirin gut fürs Herz?
Neben der Schmerzlinderung, der Senkung des Fiebers und der Reduzierung von Entzündungen kann Aspirin die Bildung von Blutgerinnseln verhindern. Blutgerinnsel sind die Hauptursache für Herzinfarkte und Schlaganfälle. Deshalb wird Aspirin auch zum Teil zur Prävention von Herzerkrankungen empfohlen. Neuste Studien zeigen jedoch, dass dies nur in bestimmten Fällen von Nutzen ist. Die Langzeit-Einnahme bringt auch gewisse Risiken mit sich. Eine Fachärztin klärt auf.
Dr. Erin Michos ist Direktorin des Women’s Cardiovascular Health Centers der Johns Hopkins University. Sie berichtet anhand der aktuellen Studienlage, wann der Nutzen und wann die Schäden der Aspirin-Langzeiteinnahme überwiegen. „Wenn Sie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hatten, gibt es keinen Zweifel daran, dass die Einnahme von niedrig dosiertem Aspirin von Vorteil ist“, erklärt die Herzexpertin. Zu Präventionszwecken sei das Arzneimittel jedoch nur bedingt geeignet.
Regelmäßige Aspirin-Einnahmen können dem Körper schädigen
Fast alle Medikamente können Nebenwirkungen haben – so auch Aspirin. Laut Dr. Michos reizt Aspirin die Magenschleimhaut und kann zu Magen-Darm-Problemen, Geschwüren und Blutungen führen. Aufgrund der blutverdünnenden Wirkung kann das Schmerzmittel für Menschen mit höherem Blutungsrisiko gefährlich werden.
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Wann Aspirin lieber nicht eingenommen werden sollte
Michos warnt, dass es zudem weitere Faktoren gibt, die eine Aspirin-Anwendung gefährlich machen. So sollte das Medikament nicht genommen werden, wenn
- andere Blutverdünner eingenommen werden,
- es eine Vorgeschichte von Magen-Darm-Geschwüren, Blutungen oder Gastritis gibt,
- Nieren- oder Leberbeschwerden vorliegen,
- eine Blutungs- oder Gerinnungsstörung vorhanden ist.
Wann kann über eine Langzeit-Einnahme nachgedacht werden?
In Richtlinien der United States Preventive Services Task Force wird davor gewarnt, Aspirin zur Prävention von Herzerkrankungen einzusetzen. Die Richtlinie empfiehlt die Einnahme nur bei Personen, die typischerweise zwischen 50 und 69 Jahre alt sind und einem über zehnprozentigen Risiko ausgesetzt sind, innerhalb der nächsten zehn Jahre einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden.
Bei Frauen mehr Schaden als Nutzen?
Dr. Michos betont, dass es gute Gründe gibt, bei einer Aspirin-Langzeiteinnahme vorsichtig zu sein. Die „Women’s Health Studie“ kam zu dem Ergebnis, dass ein Großteil der Frauen ohne Vorgeschichte von Herzerkrankungen von der Einnahme einer niedrigen Dosis Aspirin nicht profitieren. Das Arzneimittel konnte das Risiko von Herzinfarkten nicht herabsetzen, erhöhte aber das Risiko für Blutungen. Einige Vorteile wurden für Frauen im Alter von über 65 Jahren gesehen. „Es fehlte also nicht nur der Nutzen für jüngere Frauen, sondern das Risiko für andere Beschwerden wurde erhöht“, so die Fachärztin. Nur weil ein Medikament rezeptfrei sei, bedeute dies nicht, dass es uneingeschränkt sicher ist.
Aktuelle Studien zur Langzeiteinnahme
In jüngster Zeit gab es zwei große klinische Studien, die Aspirin mit Placebos bei Menschen ohne bekannte Herzerkrankung verglichen. Die „ARRIVE-Studie“ umfasste Männer über 55 Jahre und Frauen über 60 Jahre, die alle ein erhöhtes Risiko für Herzerkrankungen aufwiesen. In der „ASPREE-Studie“ wurde das gleiche bei älteren Erwachsenen über 70 Jahre durchgeführt. Beide Studien zeigten, dass niederdosiertes Aspirin (100 Milligramm pro Tag) nachfolgende Herzinfarkte oder Schlaganfälle über einen Zeitraum von circa fünf Jahren nicht verhindern konnte. Stattdessen erhöhte sich das Risiko für schwere Blutungen. In der Studie mit den älteren Erwachsenen wurden sogar Todesfälle verzeichnet, die auf den Einsatz von Aspirin zurückzuführen sind.
Für die meisten Menschen nicht empfohlen
Dr. Michos hält diese Ergebnisse für alarmierend. Sie empfiehlt, dass die meisten Erwachsenen ohne bekannte Herzkrankheiten Aspirin nicht routinemäßig zur Vorbeugung von Herzinfarkt und Schlaganfall einnehmen sollten. „Ich empfehle Aspirin immer noch für Menschen mit bekannter Herzerkrankung oder Schlaganfall oder für ausgewählte Personen, die aufgrund von Anzeichen für Arterienverkalkung ein besonders hohes Risiko haben könnten“, resümiert die Expertin. Für den Rest ihrer Patientinnen und Patienten hält sie das Risiko für größer, als den vermeintlichen Nutzen. Andere Maßnahmen wie die Blutdruckkontrolle oder Lebensstilinterventionen wie gesunde Ernährung, Bewegung und das Rauchen aufgeben seien der bessere Weg. Im Zweifelsfall sollte immer die Hausärztin oder der Hausarzt über den Nutzen einer niederdosierten Aspirintherapie entscheiden. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Dr. Erin Michos: Is Taking Aspirin Good for Your Heart? Johns Hopkins Medicine (Abruf: 18.10.2019), hopkinsmedicine.org
- Michael Gaziano, Carlos Brotons, Rosa Coppolecchia, u.a.: Use of aspirin to reduce risk of initial vascular events in patients at moderate risk of cardiovascular disease (ARRIVE): a randomised, double-blind, placebo-controlled trial, The Lancet, 2018, thelancet.com
- John J. McNeil, Rory Wolfe, Robyn L. Woods, u.a.: Effect of Aspirin on Cardiovascular Events and Bleeding in the Healthy Elderly, New England Journal of Medicine, 2018, nejm.org
Wichtiger Hinweis:
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