Medikamente gegen Bluthochdruck besser vor dem Schlafengehen einnehmen
In einer neuen Studie hat sich gezeigt, dass blutdrucksenkende Medikamente viel besser wirken, wenn sie nicht morgens, sondern vor dem Schlafengehen eingenommen werden. Die Pillen bieten dann auch mehr Schutz vor Herzinfarkten und Schlaganfällen.
Menschen mit Bluthochdruck, die ihre blutdrucksenkenden Medikamente vor dem Schlafengehen einnehmen, haben einen besser kontrollierten Blutdruck und ein signifikant geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, als diejenigen, die ihre Medikamente morgens einnehmen. Das zeigt eine neue Studie aus Spanien. Den Forschenden zufolge könnten die Ergebnisse möglicherweise dazu führen, dass es bei der Verschreibung solcher Präparate zu Veränderungen kommen wird.
Studie mit mehr als 19.000 Teilnehmenden
Wie die European Society of Cardiology (ESC) in einer Mitteilung schreibt, wurden für die aktuelle, in der Fachzeitschrift „European Heart Journal“ veröffentlichte Studie zwischen 2008 und 2018 insgesamt 19.084 Hypertonie-Patientinnen und Patienten (10.614 Männer und 8.470 Frauen) nach dem Zufallsprinzip dazu veranlasst, ihre blutdrucksenkenden Pillen entweder beim Aufwachen oder vor dem Schlafengehen einzunehmen.
Bei Studienbeginn und bei jedem weiteren Klinikbesuch wurde der Blutdruck der Teilnehmenden gemessen. Nach jedem Klinikbesuch und mindestens einmal im Jahr erfolgte eine ambulante Blutdrucküberwachung über einen Zeitraum von 48 Stunden. Dadurch wurden Informationen über den durchschnittlichen Blutdruck während der 48 Stunden gewonnen, einschließlich wie viel der Blutdruck gesunken war, während die Teilnehmenden schliefen.
Während einer medianen (durchschnittlichen) Nachbeobachtungszeit von 6,3 Jahren wurden 1.752 kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Tod durch kardiovaskuläre Erkrankungen und Herzinsuffizienz aufgezeichnet.
Halbierung des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Es zeigte sich, dass die Teilnehmenden, die ihre Medikamente vor dem Schlafengehen einnahmen, sowohl nachts als auch tagsüber einen signifikant niedrigeren durchschnittlichen Blutdruck hatten und nachts einen stärkeren Blutdruckabfall aufwiesen als diejenigen, die ihre Arzneimittel nach dem Aufwachen einnahmen.
Zudem stellten die Forschenden von der Universität Vigo (Spanien) fest, dass sich das Risiko für Ereignisse wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herzinsuffizienz bei denjenigen, die ihre Medikamente vor dem Schlafengehen einnahmen, im Vergleich zu denen, die die Pillen morgens nahmen, nahezu halbierte (45% Reduktion). Des Weiteren ergab die Untersuchung, dass die abendliche Einnahme mit einem 56% geringeren Risiko des Todes durch kardiovaskuläre Erkrankungen verbunden war.
Neben der Wirkung auf den Blutdruck zeigte das Team, dass diejenigen, die das Medikament vor dem Schlafengehen einnahmen, auch eine bessere Nierenfunktion und bessere Cholesterinwerte aufwiesen, beides wichtige Faktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Den Angaben zufolge wurden bei den Analysen auch Faktoren berücksichtigt, die die Ergebnisse beeinflussen könnten, wie Alter, Geschlecht, Typ-2-Diabetes, Nierenerkrankungen, Rauchen und Cholesterinspiegel.
Prof. Ramón Hermida, Erstautor der Studie, sagte, der positive Effekt sei auf die „innere Uhr“ beziehungsweise den natürlichen 24-Stunden-Rhythmus des Körpers zurückzuführen, der die Reaktion auf das Medikament verändert. Auch frühere Untersuchungen hatten bereits gezeigt, dass verschiedene Medikamente zu bestimmten Tageszeiten besser wirken. Diese Erkenntnis wird auch in der Arzneimittelabgabe berücksichtigt. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von „Chronotherapie“.
Nächtlicher Bluthochdruck ist gefährlicher
Prof. Ramón Hermida, Erstautor der Studie, sagte: „Aktuelle Leitlinien zur Behandlung von Bluthochdruck erwähnen oder empfehlen keine bevorzugte Behandlungszeit. Aufgrund des irreführenden Ziels, den morgendlichen Blutdruck zu senken, war die morgendliche Einnahme die häufigste Empfehlung von Ärzten.“ In einer früheren, ebenfalls im „European Heart Journal“ veröffentlichten Studie eines Teams um Prof. Ramón Hermida wurde jedoch festgestellt, dass Bluthochdruck in der Nacht deutlich gefährlicher und mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse verbunden ist.
„Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass Patienten, die ihr blutdrucksenkendes Medikament routinemäßig vor dem Schlafengehen einnehmen, im Gegensatz zu denen, die dies nach dem Aufwachen tun, einen besser kontrollierten Blutdruck haben und vor allem ein signifikant geringeres Risiko für Tod oder Krankheit aufgrund von Herz- und Kreislaufproblemen“, so der Studienautor.
Medikamenteneinnahme nicht eigenmächtig ändern
„Diese Studie hat das Potenzial, zu verändern, wie wir Blutdruckmedikamente verschreiben“, so Paul Leeson, Professor für Herz-Kreislauf-Medizin an der Universität Oxford, in einem Bericht der englischen Zeitung „The Guardian“. Der Wissenschaftler, der nicht an der Studie beteiligt war, sagte, der nächste Schritt bestehe darin, herauszufinden, warum der Zeitpunkt der Medikation einen solchen Effekt habe.
Vanessa Smith von der British Heart Foundation wies in einem Beitrag der „BBC“ zwar darauf hin, dass die aktuelle Studie „frühere Erkenntnisse in diesem Bereich bestätigt“, es aber noch weiterer Untersuchungen bedürfe, „um wirklich zu beweisen, dass die Einnahme von Blutdruckmedikamenten nachts vorteilhafter für die kardiovaskuläre Gesundheit ist.“
Zudem warnte sie vor der eigenmächtigen Änderung der Medikamenteneinnahme: „Wenn Sie derzeit Blutdruckmedikamente einnehmen, ist es wichtig, dass Sie sich bei Ihrem Hausarzt oder Apotheker erkundigen, bevor Sie die Einnahmezeit ändern. Es kann bestimmte Gründe geben, warum Ihr Arzt Medikamente für morgens oder abends verschrieben hat.“
Abschließend wird in dem BBC-Bericht darauf hingewiesen, dass sich auch Lebensstilfaktoren auf den Blutdruck auswirken. Daher sollte vermieden werden, zu viel Alkohol zu trinken, zu rauchen, übergewichtig zu sein, nicht genug Sport zu treiben und zu viel Salz zu essen. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- European Society of Cardiology (ESC): Bed time is the best time to take blood pressure medication, (Abruf: 23.10.2019), European Society of Cardiology (ESC)
- European Heart Journal: Bedtime hypertension treatment improves cardiovascular risk reduction: the Hygia Chronotherapy Trial, (Abruf: 23.10.2019), European Heart Journal
- European Heart Journal: Asleep blood pressure: significant prognostic marker of vascular risk and therapeutic target for prevention, (Abruf: 23.10.2019), European Heart Journal
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.