Darum führen Beta-Blocker mitunter zu Schuppenflechten
Medikamente mit der Wirkstoffklasse der Beta-Blocker senken die Ruhefrequenz des Herzens und den Blutdruck. Aus diesem Grund werden sie häufig zur Therapie bei Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen und bei Koronarer Herzkrankheit eingesetzt. Bei einigen Patientinnen und Patienten lösen diese Wirkstoffe jedoch schwere Entzündungsreaktionen der Haut aus, die sich beispielsweise in Form von Schuppenflechten zeigen. Warum diese Nebenwirkung auftritt, war bislang unklar. Ein deutsches Forschungsteam konnte den Zusammenhang nun entschlüsseln.
Forschende der Universität Bonn und der Freien Universität Berlin konnten die Ursachen für eine bekannte Nebenwirkung von Bluthochdruck-Medikamenten mit der Wirkstoffklasse der Beta-Blocker identifizieren. Das Team fand heraus, dass bestimmte Beta-Blocker den Abbau defekter Zellreste stören. Dies führt zu einer Freisetzung von Botenstoffen, die dann eine entzündliche Reaktion der Haut auslösen. Die Ergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournal „Autophagy“ vorgestellt.
Propranolol im Fokus
Das Forschungsteam um Professor Dr. Günther Weindl nahm den Wirkstoff Propranolol genauer unter die Lupe. Der zu den Beta-Blockern gehörende Wirkstoff ist wichtig zur Behandlung von Bluthochdruck und anderen Herzkrankheiten. „Propranolol ist fettlöslich und zugleich leicht alkalisch“, erläutert Professor Weindl. Die Experimente mit Zellkulturen lassen darauf schließen, dass diese beiden Eigenschaften für die ungewollte Nebenwirkung verantwortlich sind.
In der Sackgasse
Wie der Experte berichtet, kann der Wirkstoff dank seiner Fettlöslichkeit Biomembranen durchqueren. Gelangt er dabei in saure Umgebungen, lädt sich Propranolol aufgrund seines leicht alkalischen pH-Wertes positiv auf. Nach der Aufladung verliert der Wirkstoff jedoch die Fähigkeit, Membranen zu durchqueren und sitzt fest.
Recycling-Stationen in den Zellen
Zellen nutzen einen bestimmten Recycling-Prozess der Autophagie genannt wird. Im weitesten Sinne funktioniert dieser Prozess wie ein Mülleimer. Zellen nutzen bestimmte Bläschen aus Biomembranen, in denen sie defekte Proteine und andere Zellbestandteile entsorgen. Dieses Bläschen verschmilzt dann mit einem speziellen Membran-Beutel, der als Lysosom bezeichnet wird. Dort werden die Inhalte der „Mülleimer“ gesammelt, zerlegt und in wiederverwertbare Bausteine umgebaut, die dann wiederum an die Zellen abgegeben werden.
Propranolol stört das Zell-Recycling
Wie die Forschenden feststellten, stört der Wirkstoff Propranolol den natürlichen Prozess der Autophagie. Gelangt ein alkalisches Propranolol-Molekül durch die Membran in ein Lysosom, lädt es sich positiv auf, da die Umgebung innerhalb der Lysosome sauer ist. Folglich sitzt das Molekül dann innerhalb der Recycling-Station in der Falle. Mit der Zeit sammeln sich auf diese Weise immer mehr Wirkstoffe im Lysosom an, wodurch der Ablauf zunehmend gestört wird. „Als ein Resultat werden unter anderem Entzündungsbotenstoffe ausgeschüttet, vor allem das so genannte Interleukin-23, das hauptsächlich von Immunzellen abgesondert wird“, erklärt der Professor. Eine Folge davon seien die beobachteten Hautprobleme.
Nicht alle Beta-Blocker lösen diesen Effekt aus
Dieser neuentdeckte Mechanismus muss noch in weiteren Studien genauer untersucht werden. Dennoch halten es die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für wahrscheinlich, dass diese Nebenwirkung nur in Zusammenhang mit fettlöslichen Beta-Blockern auftreten kann. Innerhalb der Wirkstoffgruppe der Beta-Blocker gebe es auch Substanzen, die weniger von Membranen abhängig sind. „Die Interleukin-23-Ausschüttung war bei solchen Substanzen deutlich geringer als nach der Propranolol-Gabe“, resümiert Weindl. Dies wurde bislang jedoch nur an Zellkulturen getestet und muss noch bei lebenden Organismen verifiziert werden.
Gestörte Autophagie als Ursache für Erkrankungen
Die Erforschung der Autophagie hat eine hohe Priorität in der heutigen Wissenschaft. Es werden auch Zusammenhänge zwischen einer gestörten Autophagie und schweren Erkrankungen wie Demenz, entzündlichen Darmerkrankungen und Diabetes vermutet. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität Bonn: Warum Beta-Blocker Hautentzündungen verursachen (Abruf: 01.11.2019), uni-bonn.de
- Gerrit Müller,Charlotte Lübow, Günther Weindl: Lysosomotropic beta blockers induce oxidative stress and IL23A production in Langerhans cells, Autophagy, 2019, tandfonline.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.