Conotoxine zur Schmerzlinderung
Fleischfressende Meeresschnecken der Gattung Conus, auch bekannt als Kegelschnecken, nutzen ein Nervengift, um Nahrung zu fangen und um Feinde abzuwehren. In dem Gift sind strukturierte Peptide enthalten, die als Conotoxine bezeichnet werden. Ein österreichisch-australisches Forschungsteam fand nun heraus, dass sich solche Conotoxine als potentes Schmerzmittel eignen.
Forschende der Universität Wien und der University of Queensland in Brisbane entdeckten das schmerzlindernde Potential von Conotoxinen aus dem Nervengift der Kegelschnecken. Die Entdeckung könnte zu einer neuen Schmerztherapie bei chronischen Schmerzen führen. Die Studie wurde kürzlich in den Fachzeitschriften „Chemical Reviews“ und „Australian Journal of Chemistry“ vorgestellt.
Harpunierende Giftschnecken
Kegelschnecken sind fleischfressende Meerestiere, die trotz ihrer langsamen Bewegungen wirksam Beute fangen können. Dies gelingt ihnen dank eines starken Nervengiftes, welches die Schnecken über eine Art Harpune in ihre Opfer injizieren. Die Schnecken können die Menge und die Art des abgeschossenen Giftes selbst kontrollieren. „Es hat sich bereits gezeigt, dass die Schnecken kontrollieren können, welche Giftkombination für welchen Zweck zum Einsatz kommt – bei der Jagd oder bei der Verteidigung“, berichtet Markus Muttenthaler aus dem Studienteam.
Die Vielfalt der Peptide
„In der Schmerzforschung interessiert uns vor allem das Verteidigungsgift der Kegelschnecken, da es auf das Verursachen von Schmerz ausgerichtet ist“, so Muttenthaler. Den Forschenden gelang es, den Wirkungsmechanismus des Giftes zu entschlüsseln. Dabei spielen bestimmte Peptide eine wesentliche Rolle. In den bis dato geschätzten 750 Arten der Kegelschnecken existieren hunderte verschiedene bioaktive Substanzen, die aus zehn bis 40 Aminosäuren zusammengesetzt sind und so ein bestimmtes Peptid bilden. Die einzelnen Peptide stehen wiederum in Wechselwirkungen zueinander, die als Disulfid-Brücken bezeichnet werden. Mithilfe dieser Brücken können verschiede Peptid-Gemische sehr vielfältige und strukturierte Verbindungen erzeugen.
Aus Verteidigungsgift wird ein Schmerzmittel
Wie die Forschenden berichten, haben die Peptid-Gemische auch Auswirkungen auf das menschliche Nervensystem. Je nach Zusammensetzung können die Peptide beispielsweise Ionenkanäle blockieren oder aktivieren. In der Schmerzforschung ist dies von besonderem Interesse, da bestimmte Ionenkanäle therapeutische Angriffspunkte für die Schmerzreizleitung darstellen. „Mit ihrer außerordentlichen Wirkung und Selektivität haben Conotoxine die Schmerzforschung revolutioniert und unser Verständnis über die Schmerzreizleitung grundlegend verbessert“, betont Muttenthaler.
Tausendfach potenter als Morphium
Dank der Schneckengifte können die Forscherinnen und Forscher nun die physiologischen sowie die pathologischen Bedeutungen der unterschiedlichen Rezeptor-Subtypen klären. Heute ist bereit schon das Conotoxin (Prialt®) bekannt, welches zur chronischen Schmerzlinderung in das Rückenmark injiziert wird und dort die Schmerzreizleitung blockiert. „ Der Wirkstoff ist 1.000-mal potenter als Morphium und ohne Abhängigkeitserscheinungen“, betont Muttenthaler. Die nächste Generation der Conotoxin-Wirkstoffe soll nun schon an den vorgelagerten Spinalganglien ansetzen. „Damit könnten wir die Schmerzen bereits abfangen, bevor sie ins Rückenmark weitergeleitet werden“, erklärt der Schmerzexperte.
Conotoxine als neue Wunderwaffe der Forschung
Neben dem Bekämpfen von Scherzen können Conotoxine auch zur Aufklärung genutzt werden. So zeigte das australische Forschungsteam, dass sich durch Conotoxine mit Fluoreszenz Ionenkanäle in den Zellen sichtbar machen lassen. Dies legt den Grundstein für weitere Erkenntnisse in der komplexen Biologie. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Ai-Hua Jin, Markus Muttenthaler, Sebastien Dutertre, u.a.: Conotoxins: Chemistry and Biology, Chemical Reviews, 2019, pubs.acs.org
- Markus Muttenthaler , Simon Nevin , Marco Inserra, u.a.: On-resin strategy to label α-conotoxins: Cy5-RgIA, a potent α9α10 nicotinic acetylcholine receptor imaging probe, Australian Journal of Chemistry, 2019, publish.csiro.au
- Universität Wien: Mit Gift der Kegelschnecken zur Schmerzlinderung (Abruf: 04.11.2019), medienportal.univie.ac.at
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.