Fehltage wegen psychischen Beschwerden erreichen neues Rekordniveau
Die Krankschreibungen wegen psychischer Erkrankungen haben in den vergangen Jahren bereits deutlich zugenommen. Nun erreichten die entsprechenden Fehltage ein neues Rekordniveau, so das Ergebnis des Psychoreports 2015 der DAK-Gesundheit. „In Deutschland war im vergangenen Jahr jeder 20. Arbeitnehmer mit einer psychischen Erkrankung krankgeschrieben“, berichtet die DAK. Hochgerechnet seien in Deutschland rund 1,9 Millionen Menschen von psychischen Erkrankungen betroffen. Psychischen Erkrankungen bildeten laut DAK-Report im Jahr 2014 den zweithäufigsten Krankschreibungsgrund.
Den Angaben der DAK-Gesundheit zufolge hat sich die Anzahl der Fehltage, die von Diagnosen wie Depression oder Anpassungsstörung verursacht werden, seit 1997 verdreifacht. Im Jahr 2014 waren die DAK-versicherten Arbeitnehmer an mehr als 6,3 Millionen Tagen wegen entsprechender Beschwerden krankgeschrieben, berichtet die Krankenkasse. „Die Ergebnisse des Psychoreports verdeutlichen nicht nur den bestehenden Handlungsbedarf. Sie motivieren uns auch dazu, neue Angebote zu erarbeiten, die die Versorgung konkret verbessern“, betont der Vorstandschef der DAK-Gesundheit, Herbert Rebscher. Zu diesen neuen Angeboten zählt der Einsatz von Online-Therapien, wie er durch einige Krankenkassen bereits erprobt wird.
Drastische Zunahme der Fehltage wegen psychischer Beschwerden
Insgesamt wurden für den DAK-Psychoreport 2015 die anonymisierten Daten von rund 2,6 Millionen erwerbstätigen DAK-Versicherten durch das IGES Institut in Berlin ausgewertet. Dabei hatten die psychische Erkrankungen im vergangenen Jahr einen Anteil von 16,6 Prozent am gesamten Krankenstand, berichtet das IGES Institut. Hinter den Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems, die mit knapp 23 Prozent weiterhin Platz eins inne haben, liegen die psychischen Erkrankungen somit auf Platz zwei bei den Ursachen für Fehltage. „Die Zunahme von Fehltagen im Job aufgrund psychischer Probleme ist seit Jahren die auffälligste Entwicklung im Arbeitsunfähigkeitsgeschehen“, betonen die Wissenschaftler in der Pressemitteilung des IGES Institutes.
Depressionen und Anpassungsstörungen bedingen die meisten Fehlzeiten
Die meisten Ausfalltage gehen bei den psychischen Erkrankungen auf Depressionen und sogenannte Anpassungsstörungen zurück, aber auch neurotische Störungen und somatoforme Störungen (körperliche Beschwerden ohne organische Ursachen) bilden laut DAK relativ häufige Diagnosen. Die stärkste Zunahme war bei den Anpassungsstörungen festzustellen, die eine krankhafte Reaktion auf schwere Belastungen bilden. Die „Ausfalltage aufgrund dieser Diagnose haben sich in den vergangenen 15 Jahren verdreifacht“ und im Jahr „2014 gingen auf 100 Versicherte 42 Fehltage auf diesen Grund zurück“, so die Mitteilung des IGES Institutes. Depressionen bildeten mit 112 Fehltage je 100 Versicherte jedoch weiterhin die psychische Erkrankung mit den längsten Fehlzeiten.
Burnout-Diagnosen deutlich zurückgegangen
Indes verliert die Zusatzdiagnose Burnout laut Angaben der DAK deutlich an Relevanz. Die Ärzte scheinen von dieser Diagnose zunehmend Abstand zu nehmen. So haben sich die Fehltage hier seit dem Jahr 2011 fast halbiert – von rund zehn Tagen je 100 Versicherte auf nur noch 5,2 Fehltage im Jahr 2014. Dem Chefarzt am Zentrum für seelische Gesundheit der Asklepios Klinik Hamburg-Harburg, Dr. Hans-Peter Unger, zufolge ist „Burnout mittlerweile eher zur Beschreibung eines Risikozustands geworden“ und entsprechend seltener Ursache für Krankschreibungen. „Von chronischem Stress verursachte psychische Krankheiten werden heute als Anpassungsstörungen oder Depressionen erkannt“, so Unger weiter.
Frauen besonders häufig betroffen
Die Zunahme der Fehltage bei den psychischen Erkrankungen ist laut Aussage der IGES-Forscher nicht nur auf die Entwicklungen in der modernen Arbeitswelt zurückzuführen, sondern auch durch die höhere Sensibilität und Offenheit gegenüber psychischen Problemen sowohl bei Hausärzten als auch bei den Betroffenen selbst bedingt. Die unterschiedliche Bereitschaft, sich die eigenen psychischen Probleme einzugestehen, spielt vermutlich auch eine Rolle bei den geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Erkrankungszahlen. So sind Frauen laut Angaben der DAK „fast doppelt so oft mit psychischen Problemen krankgeschrieben wie Männer (Betroffenenquote 2014: 6,5 zu 3,6 Prozent).“ Einerseits würden sich psychische Erkrankungen bei Männer häufig anders äußeren und daher nicht richtig erkannt, anderseits müssen Männer eher eine Stigmatisierung fürchten, da sie noch immer als das „starke Geschlecht“ gelten, erläutert Dr. Unger. Aber auch bei den Männern zeige der DAK-Psychoreport deutliche Steigerungsraten der psychischen Erkrankungen. Beispielsweise habe sich die Anzahl der Ausfalltage aufgrund von Anpassungsstörungen bei den 15- bis 19-Jährigen innerhalb von neun Jahren um fast 250 Prozent erhöht, berichtet die DAK.
Regionale Unterschiede bei den psychischen Erkrankungen
Der DAK-Report verzeichnet des Weiteren deutliche regionale Unterschiede bei den psychischen Erkrankungen, Diese haben in den neuen Bundesländern in Bezug auf den gesamten Krankenstand eine erheblich geringere Bedeutung als in den alten Ländern, berichtet das IGES Institut. So weisen die ostdeutschen Bundesländer Thüringen (13,4 Prozent), Sachsen-Anhalt (14,1 Prozent), Brandenburg (14,5 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (14,7 Prozent) den niedrigsten Anteil der psychischen Erkrankungen am Gesamtkrankenstand auf. Allerdings war hier der festzustellende Anstieg oftmals besonders stark, erläutert die DAK. „In Brandenburg beispielsweise hat sich der Wert von 2000 bis 2014 fast verdreifacht“, so die Mitteilung der Krankenkasse. Unter den westdeutschen Bundesländern haben Bayern und Baden-Württemberg die niedrigsten Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen. Insgesamt den größten Anteil am Krankenstand der psychischen Leiden verzeichnete das IGES Institut in Hamburg (22,3 Prozent), Schleswig-Holstein (19,2 Prozent), dem Saarland (18,8 Prozent) und Berlin (18,3 Prozent).
Erste Erfolge mit der Online-Therapie
Angesichts des steigenden Behandlungsbedarfs bei den psychischen Erkrankungen setzt auch die DAK nach eigenen Angaben „verstärkt auf qualitätsgeprüfte Online-Therapien.“ Deren Wirksamkeit werde durch eine bislang noch „unveröffentlichte Studie zum webbasierten Programm Deprexis“ belegt. Diese zeige, dass sowohl der Grad der Depression als auch die Lebensqualität sich mit der Online-Therapie deutlich verbessern. Entsprechende webbasierte Programme könnten Betroffenen schnell, gezielt und ortsunabhängig helfen, erläutert die DAK. So ließen sich die durchschnittlichen Wartezeiten von rund sechs Monaten auf einen Therapieplatz vermeiden beziehungsweise überbrücken. Das webbasierte Selbsthilfeprogramm der DAK biete Unterstützung für Menschen mit leichten bis mittelschweren Depressionen und könne über Computer, Laptop oder Smartphone genutzt werden, so die DAK weiter. „Mit niedrigschwelligen Behandlungskonzepten und dem Einsatz qualitätsgeprüfter E-Health-Programme passen wir das bisherige Angebot an den tatsächlichen Bedarf der Betroffenen an und verringern lange Wartezeiten und Fehldiagnosen“, betont Herbert Rebscher.
Wissenschaftliche Überprüfung der webbasierten Therapie
Die bisher noch unveröffentlichte Studie zur Überprüfung des webbasierten Programms Deprexis wurde laut Angaben der DAK gemeinsam mit der Universität Bielefeld durchgeführt. Insgesamt hätten die Wissenschaftler die Daten von 3.800 Menschen mit unterschiedlich starker depressiver Symptomatik ausgewertet, die an dem Programm teilgenommen haben. Sie wurden laut Angaben der DAK über ein Jahr regelmäßig befragt. Die Wirkung der Online-Therapie sei dabei durchaus überzeugend gewesen. „Mit der Unterstützung von Deprexis schwächt sich der Depressionsgrad in relativ kurzer Zeit deutlich ab“, so der Studienleiter Professor Dr. Wolfgang Greiner in der Pressemitteilung der DAK. Hier werde deutlich, „dass das Programm den Patienten in der Regel unmittelbar hilft.“ Zudem habe sich ihre berufliche und soziale Funktionsfähigkeit signifikant verbessert. „Gerade bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen ist es gut, wenn die Betroffenen am sozialen Leben teilnehmen können“, betont Greiner. (fp)
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