Leichenfingerkrankheit: Das Raynaud-Syndrom trifft vor allem Frauen
Manchen Menschen macht die kalte Jahreszeit mehr zu schaffen als anderen: Bei Personen, die am sogenannten Raynaud-Syndrom leiden, wird die Blutzirkulation in den Fingern schlagartig enorm eingeschränkt oder gar gestoppt. Auslöser ist oft eine Kältereiz. Das auch als „Leichenfingerkrankheit“ bezeichnete Phänomen betrifft vor allem Frauen.
Durchblutungsstörungen in den Fingern
Manche Menschen haben es im Winter besonders schwer: Bei Menschen, die am sogenannten Raynaud-Syndrom leiden, kann es vor allem bei niedrigen Temperaturen zu enormen Durchblutungsstörungen in den Fingern kommen, die dann schnell eiskalt und weiß werden.
Bei diesem auch „Leichenfingerkrankheit“ oder „Weißfingerkrankheit“ bezeichneten Phänomen können auch die Zehen oder die Brustwarzen stillender Frauen betroffen sein. Sie haben dann insbesondere bei Kälte oft sehr empfindliche Brüste. Der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin zufolge sind in Europa bis zu 20 Prozent der Bevölkerung vom Raynaud-Syndrom betroffen.
Kältereiz als Auslöser
Das typische Symptom des Raynaud-Phänomens sind die weißen Finger. Vor allem Frauen leiden daran. „Sie machen 90 Prozent der Betroffenen aus“, erklärte Clemens Fahrig, Ärztlicher Direktor des Evangelischen Krankenhauses Hubertus in Berlin und Leiter des Gefäßzentrums Berlin-Brandenburg, in einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa. Auslöser ist meist ein Kältereiz. Das kann eisiger Wind sein, kaltes Wasser aus dem Wasserhahn oder auch die Minustemperaturen in der Tiefkühltruhe. „Dieser Reiz führt dazu, dass sich die Gefäße in den Fingern, seltener auch in den Zehen, zusammenziehen und die Blutzirkulation zum Stillstand kommt“, so Fahrig. Benannt ist das Phänomen nach dem französischen Arzt Maurice Raynaud, der es im 19. Jahrhundert zum ersten Mal beschrieb.
Gefäßkrampf kann mehrere Stunden dauern
In manchen Fällen dauert der Gefäßkrampf nur wenige Minuten, in anderen löst er sich erst nach mehreren Stunden. Doch selbst eine längere Unterversorgung schade dem Gewebe nicht, erklärte der Gefäßspezialist. Allerdings können die Begleiterscheinungen sehr unangenehme sein. Zunächst sind sie kalt und wenn das Blut zurückkehrt, kann es zu Kribbeln und Schmerzen in den Fingern kommen. Die Attacken treten häufig in der Pubertät erstmals auf. Neben Kälte können auch Aufregung, Stress und manche Medikamente Auslöser sein. Über die Ursachen ist bislang wenig bekannt. Laut Fahrig scheine niedriger Blutdruck eine Rolle zu spielen. Zudem seien oft mehrere Mitglieder einer Familie betroffen.
Als Krankheit wird das Syndrom nicht bezeichnet, doch die Lebensplanung kann dadurch stark beeinflusst werden: „Berufe, in denen mal viel draußen arbeitet oder mit kaltem Wasser zu tun hat, sind problematisch.“
Wärme hilft am besten
Wärme ist das wirksamste Gegenmittel. Daran müssen Betroffene rechtzeitig denken. „Die Hände dürfen gar nicht erst kalt werden“ erklärte Fahrig. Daher sollten beispielsweise Handschuhe schon in der Wohnung angezogen werden. „Außerdem bringen selbst die dicksten Lammfellfäustlinge nichts, wenn sie Nähte haben, die Kälte hereinlassen“, so der Experte. Sinnvoll ist hier etwa das sogenannte Zwiebelprinzip: Über dünne Seidenhandschuhe – auf der Heizung aufgewärmt – kommen winddichte Modelle mit Klimamembran. Eine Alternative können beheizbare Handschuhe sein. Wenn der Gefäßkrampf aber schon eingesetzt hat und die Finger kalt und blutleer sind, sollte man beim Aufwärmen mit warmen Wasser vorsichtig sein, denn mit dem Blut ist auch die Hitzeempfindlichkeit gewichen: „Es drohen deshalb Verbrühungen durch zu heißes Wasser“, warnte Fahrig. Kleine, mit Gel gefüllte Wärmekissen sind sicherer. Da auch Stress ein Auslöser für das Phänomen sein kann, empfehlen manche Ärzte zur Therapie beziehungsweise Vorbeugung Entspannungsübungen zum Stressabbau.
Vor allem junge Frauen betroffen
Das Raynaud-Syndrom trifft vor allem junge Frauen. „Wenn mit zunehmendem Lebensalter der Blutdruck steigt, kann es besser werden oder sogar ganz verschwinden“, so Fahrig. Wenn es sich jedoch verstärkt oder erst jenseits des 40. Geburtstags auftritt, ist das ein Alarmsignal: „Möglicherweise handelt es sich dann um das Symptom einer Sklerodermie“ erläuterte Keihan Ahmadi-Simab, Ärztlicher Direktor des Klinikums Stephansplatz in Hamburg. Diese entzündliche Autoimmunerkrankung führt zu Verhärtungen der Haut und kann innere Organe angreifen.
Eine Blutuntersuchung sowie eine Untersuchung der feinen Fingerblutgefäße unter dem Mikroskop kann Klarheit bringen. In manchen Fällen ist eine Behandlung mit Medikamenten erforderlich. „Wird eine Sklerodermie in einem so frühen Stadium erkannt, können wir aber dem weiteren Krankheitsverlauf und möglichen Komplikationen viel besser entgegenwirken“, so der Internist und Rheumatologe Ahmadi-Simab. Auch Fahrig empfiehlt, Raynaud-Symptome ärztlich abklären zu lassen, wenn sie zum ersten Mal auftreten oder wenn sie sich verschlechtern. Er erklärte jedoch: „Weniger als fünf Prozent der Betroffenen entwickeln tatsächlich eine Sklerodermie.“ (ad)
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