Systemische Therapie ist neue Leistung der gesetzlichen Krankenkassen
Für die psychotherapeutische Behandlung von Erwachsenen steht künftig auch die Systemische Therapie als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zur Verfügung. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am Freitag die Einzelheiten für die Inanspruchnahme abschließend beraten und die Änderung der Psychotherapie-Richtlinie beschlossen.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am Freitag einstimmig eine Ergänzung seiner Psychotherapie-Richtlinie beschlossen. Damit ist die Systemische Therapie als Psychotherapieverfahren für Erwachsene nun Pflichtleistung der Gesetzlichen Krankenkassen – neben den bisher zugelassenen psychoanalytisch begründeten Verfahren und der Verhaltenstherapie.
Systemische Therapie für Erwachsene
„In der ambulanten Psychotherapie können als sogenannte Richtlinienverfahren bereits psychoanalytisch begründete Verfahren und die Verhaltenstherapie eingesetzt werden“, erklärt Dr. Monika Lelgemann, unparteiisches Mitglied und Vorsitzende des Unterausschusses Psychotherapie des G-BA in einer Mitteilung.
„Zukünftig steht für Erwachsene auch die Systemische Therapie zur Verfügung, die Details des Leistungsangebots sind nun geregelt. Derzeit bereiten wir einen Antrag auf Nutzenbewertung für den Einsatz des Verfahrens bei Kindern und Jugendlichen vor“, so Dr. Lelgemann.
Therapie fokussiert nicht auf die einzelne Person
Wie in der Mitteilung erläutert wird, ist die Systemische Therapie ein Psychotherapieverfahren, das den sozialen Beziehungen innerhalb einer Familie oder Gruppe eine besondere Relevanz für die Entstehung einer psychischen Erkrankung beimisst.
Die Therapie fokussiert entsprechend nicht auf den einzelnen Menschen, sondern auf die Interaktionen zwischen Mitgliedern der Familie und der weiteren sozialen Umwelt. Es wird unter anderem versucht, symptomfördernde Beziehungen zu verändern beziehungsweise ihnen eine funktionalere Selbstorganisation der Patientin oder des Patienten entgegenzusetzen.
Den Angaben zufolge kann die Systemische Therapie – wie die anderen psychotherapeutischen Verfahren auch – als Einzel- oder Gruppentherapie oder als Kombination zwischen Einzel- und Gruppentherapie angeboten werden. Als spezifische Anwendungsform der Systemischen Therapie wird außerdem das „Mehrpersonensetting“ möglich sein.
Hierbei werden relevante Bezugspersonen der Patientin oder des Patienten in die Behandlung miteinbezogen. Sofern erforderlich, kann die Anwendung der Systemischen Therapie im Mehrpersonensetting auch mit der Anwendung in einer Einzel- oder Gruppentherapie kombiniert werden.
Fachverbände sprachen sich jahrelang für „Kassenanerkennung“ aus
Laut einer gemeinsamen Presseinformation der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) und der Systemischen Gesellschaft (SG) deckt die Systemische Therapie den gesamten Bereich der psychischen Störungen ab, und mit den jetzt verabschiedeten Rahmenbestimmungen werden ihr vergleichsweise kurze Behandlungszeiten zugetraut.
„Auf diesen Moment haben sehr viele Menschen in Deutschland gewartet. Dem psychotherapeutischen Angebot der gesetzlichen Krankenversicherungen ist heute ein hochwirksames und innovatives Angebot hinzugefügt worden“, würdigt Dr. Ulrike Borst, Vorsitzende der SG, die Entscheidung des G-BA.
Die beiden systemischen Fachverbände DGSF und SG haben seit Jahren die „Kassenanerkennung“ der Systemischen Therapie gefordert. Die jetzige Anpassung der Richtlinie wurde zügig innerhalb von einem Jahr umgesetzt.
Wirksamkeit nachgewiesen
Die Wirksamkeit Systemischer Therapie wurde für häufige Leiden wie Depressionen und Angststörungen nachgewiesen, sie zeigte sich aber ebenso beispielsweise in der Behandlung von Psychose erfahrenen Menschen oder von Patientinnen und Patienten mit mehrfachen Einschränkungen.
Die Systemische Gesellschaft (SG) erklärt Nutzen und Wirksamkeit der Systemischen Therapie. Sie wirkt:
- schnell, weil sie auf Stärken, Ressourcen und Lösungen fokussiert
- nachhaltig, weil sie nachweisbar Langzeitwirkung entfaltet
- auch bei schweren Störungen im Kindes- und Jugendalter (schwere Störungen des Sozialverhaltens, Drogenkonsumstörungen, Essstörungen) und bei Erwachsenen (Substanzstörungen, Depression, Schizophrenie, psychische Störungen bei somatischen Erkrankungen, z. B. Krebs, Diabetes, Schmerz)
- auch bei den „Stiefkindern der psychotherapeutischen Versorgung“, wie etwa Migranten, chronisch psychisch kranken Menschen, alten Menschen sowie bei Multi-Problem-Familien
Zudem spart sie Kosten im Gesundheitswesen durch geringere Sitzungszahlen auch über längere Zeiträume.
Private Krankenkassen übernehmen Kosten bereits seit einem Jahr
Die Beschlussfassung ermöglicht hatte der Antrag auf Nutzenbewertung des damaligen unparteiischen Mitglieds des G-BA, Dr. Harald Deisler, heißt es in der Presseinformation. Sie hat für die Versicherten Konsequenzen über den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherungen hinaus.
Verbeamtete Versicherte können jetzt auch einen Antrag bei der Beihilfestelle auf Kostenübernahme stellen. Private Krankenversicherungen übernehmen die Kosten für Systemische Therapie schon seit einem Jahr. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA): Systemische Therapie für Erwachsene als weiteres Richtlinienverfahren aufgenommen, (Abruf: 24.11.2019), Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)
- Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF): Systemische Therapie ist neue Leistung der gesetzlichen Krankenversicherungen, (Abruf: 24.11.2019), Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF)
- Systemische Gesellschaft (SG): Nutzen und Wirksamkeit der Systemischen Therapie, (Abruf: 24.11.2019), Systemische Gesellschaft (SG)
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.