Neues Diagnoseverfahren: Hochauflösende 3D-Darstellung der Leber
Ein Forschungsteam aus Dresden entwickelte ein neues Diagnoseverfahren, um die weit verbreitete nichtalkoholische Fettlebererkrankung besser aufdecken zu können. Dank neuster Computertechnik und Multi-Photonenmikroskopie sowie verbesserten Methoden, um die Transparenz von Gewebe zu erhöhen, ist es nun möglich, ein hochauflösendes 3D-Model der Leber digital darzustellen.
Forschenden des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik, des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus und der Technischen Universität Dresden haben gemeinsam ein neues Diagnoseverfahren zur Erkennung von Lebererkrankungen entwickelt. Die neue Diagnose ermöglicht, die Leber einer Patientin / eines Patienten detailliert in einem 3D-Modell darzustellen. Die neue Diagnose wurde kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Nature Medicine“ vorgestellt.
Fast jede vierte Person hat eine Fettleber
Die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung ist weit verbreitet und gehört zu den häufigsten Lebererkrankungen weltweit. In wohlhabenden Ländern wie Deutschland, wo die Ernährung von Fett und Zucker geprägt ist, entwickelt rund jede vierte Person im Laufe des Lebens eine Fettleber.
Lebensgefährliche Folgeerkrankungen
Bei einer nicht-alkoholische Fettleber sammelt sich Fett in der Leber an. Damit geht eine zunehmende Insulinresistenz einher. Je nach Schwere der Erkrankung durchläuft die Fettleber mehrere Stadien. Sie kann sich zu einer nicht-alkoholischen Steatohepatitis (Fettleber-Hepatitis) ausweiten, die zu Leberzirrhose, Leberkrebs oder Leberversagen führen kann. Die schweren Folgeerkrankungen sind zum Teil lebensbedrohlich und können eine Transplantation erforderlich machen.
Fettleber ist heilbar
Die Leber besitzt äußerst effektive Regenerationsfähigkeiten. Solange keine bleibenden Schäden entstanden sind, kann sich eine Fettleber zurückentwickeln. In der Regel ist dies durch gesunde Lebensstilinterventionen möglich. Problem hierbei ist nur, dass die meisten Menschen gar nicht wissen, dass sie eine Fettleber haben, denn die Erkrankung verursacht keine deutlichen Beschwerden.
Fettleber ist schwer zu diagnostizieren
Bislang gibt es nur unzureichende Methoden, um eine Fettlebererkrankung aufzudecken. Die besten Ergebnisse liefert derzeit eine sogenannte histologische Analyse des Lebergewebes. Dabei werden Gewebeproben aus der Leber genommen und unter dem Mikroskop untersucht. Dieses Diagnoseverfahren ist jedoch aufwändig, abhängig von den Fähigkeiten der Ärztin/des Arztes, unangenehm für Betroffene und ermöglicht auch nur eine zweidimensionale Sichtweise auf die Leber.
Aufbau der Leber
Die Leber besteht aus funktionellen Einheiten, den sogenannten Leberläppchen, die aus zwei ineinandergreifenden Netzwerken zusammengesetzt sind: die Sinusoiden und die Gallenkanälchen. Die Sinusoiden ermöglichen den Blutfluss durch Leber und die Gallenkanälchen die Gallensekretion sowie den Gallenfluss. Dieser komplexe dreidimensionale Aufbau erschwerte bislang die Diagnose einer Fettleber.
Erstmals eine räumliche Darstellung der Leber möglich
An dieser Stelle setzten die Dresdner Forschenden an. Um den Zustand der Leber in Zukunft besser beurteilen zu können, entwickelten sie eine Methode, mit der sich die Leber dreidimensional darstellen lässt. Das Team um Max-Planck-Direktor Marino Zerial kombinierte moderne Computertechnologie mit einer fortschrittlichen Multi-Photonenmikroskopie. „Dank Fortschritten in der Multi-Photonenmikroskopie sowie verbesserten Methoden, um die Transparenz von Gewebe zu erhöhen, können wir dickere Gewebeschnitte hochauflösend abbilden und damit räumliche Informationen gewinnen“, berichtet Studienerstautor Fabián Segovia-Miranda.
Medizin trifft Computertechnologie
Mithilfe des Verfahrens kann die Leber einer Zielperson digital am Computer rekonstruiert werden. Anhand dieses hochauflösenden 3-D-Lebermodells können Ärztinnen und Ärzte erstmals die Dynamik der Gallenflüssigkeit simulieren. „Während die Strömungsdynamik des Blutflusses durch die vergleichsweise großen Kapillaren bereits mittels Computersimulationen untersucht wurde, war dies für die Galle bisher unmöglich, da es an exakten geometrischen Daten des menschlichen Gewebes simultan über alle relevanten Skalen hinweg mangelte“, ergänzt Lutz Brusch vom Zentrum für Informationsdienste und Hochleistungsrechnen.
Neue Erkenntnisse über Fettleber
Durch die neue Darstellungsmöglichkeit konnte das Team eine Reihe von Zell- und Gewebeparametern identifizieren, die mit dem Fortschreiten der nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung in Zusammenhang stehen. „Wir haben festgestellt, dass die Struktur des 3D-Gallenkanalnetzwerks im erkrankten Gewebe völlig anders ist“, erklärt der Studienautor. Solche strukturellen Veränderungen hätten auch entscheidende funktionelle Auswirkungen. So könnten beispielsweise auch sogenannte Mikro-Cholestasen aufgedeckt werden, bei denen nur kleinere Bereiche der Leber betroffen sind.
„Die hochauflösende Medizin ebnet den Weg für die Diagnose von Krankheiten im Frühstadium, lange bevor Symptome auftreten“, fügt Jochen Hampe vom Universitätsklinikum Dresden hinzu. Die dreidimensionale Analyse des Lebergewebes erlaube völlig neue Einblicke in die Krankheitsmechanismen. Dies sei ein großer Schritt für neue Erkenntnisse, Ansätze und Therapien. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Max-Planck-Gesellschaft: 3D-Modell der Leber verbessert Diagnose (Abruf: 03.12.2019), mpg.de
- Fabián Segovia-Miranda, Hernán Morales-Navarrete, Michael Kücken, u.a.: 3D spatially-resolved geometrical and functional models of human liver tissue reveal new aspects of NAFLD progression. Nature Medicine; December, 2019, nature.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.