Geistig fit im Alter: Auf die Bildung kommt es an
Die meisten Kinder lernen viele Dinge wie laufen, sprechen oder rechnen zu einem relativ ähnlichem Zeitpunkt. Im Alter sieht es jedoch ganz anders aus: Während manche 70-Jährige noch zu kognitiven Höchstleistungen imstande sind, haben andere Gleichaltrige schon Schwierigkeiten, sich die Adresse zu merken. Ein Forschungsteam zeigte nun, dass der Grad der Bildung eine entscheidende Rolle dabei spielt, wie leistungsfähig unser Gehirn im Alter noch ist.
Wie bleiben wir im Alter lange geistig fit? Dieser Frage gingen Forschende des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund nach. Im Rahmen einer Studie zeigte das Team, dass die Bildung einer Person stark mit der kognitiven Leistung im Alter zusammenhängt. Die Leistungsfähigkeit der Gehirne von älteren gebildeten Menschen entsprach der durchschnittlichen Leistung von bis zu 20 Jahre jüngeren Personen. Die Ergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournal „NeuroImage“ präsentiert.
Drei Generationen im kognitiven Wettkampf
Wer lange geistig fit bleiben will, sollte sich bilden, schlägt das Forschungsteam um Dr. Patrick Gajewski vor. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten die kognitive Leistungsfähigkeit von insgesamt 246 Personen aus drei Altersgruppen. Die Teilnehmenden der ersten Gruppe waren zwischen 19 und 33 Jahre alt, die der zweiten Gruppe 40 bis 53 Jahre und die der dritten Gruppe 65 bis 88 Jahre alt.
Steigender Schwierigkeitsgrad
Für die Bestimmung der Leistung verwendeten die Forschenden den sogenannten Stroop-Test. Dabei mussten die Teilnehmenden drei Aufgaben mit steigendem Schwierigkeitsgrad lösen. Während den Tests wurden ihre Hirnströme mittels Elektroenzephalografie (EEG) aufgezeichnet.
Die Aufgaben
In der ersten Aufgabe wurden den Probandinnen und Probanden Worte von Farben gezeigt, die aber zum Teil in einer anderen Farbe geschrieben wurden. Beispielsweise wurde das Wort „grün“ in roter Farbe abgebildet. Zunächst mussten die Teilnehmenden das Wort nur lesen. Mit steigendem Schwierigkeitsgrad mussten sie dann die Farbe benennen, in der das Wort geschrieben wurde und im letzten Test wurden beide Aufgaben miteinander vermischt.
Durchschnitte Leistung sank mit zunehmendem Alter
Wie es das Forschungsteam erwartete, waren die durchschnittlichen Leistungen in den Gruppen abhängig von der Altersgruppe. Je älter die Gruppe und je schwieriger die Aufgabe, desto schlechter schnitten die Teilnehmenden durchschnittlich ab. In der Gruppe mit den ältesten Personen gab es jedoch mit Abstand die größten Leistungsunterschiede.
Das Geheimnis der geistigen Fitness
Betrachteten die Forschenden die Gruppe mit dem höchsten Alter genauer, stellte sich heraus, dass diejenigen mit den höchsten Bildungsniveaus und den höchsten IQs signifikant bessere Ergebnisse erzielten als die anderen Teilnehmenden der Gruppe. Auch das häufige Nutzen einer Fremdsprache sowie das Zusammenleben mit einer Familie oder einem Lebenspartner war positiv mit besserer kognitiver Leistungsfähigkeit verknüpft.
Bildung verjüngt das Gehirn um bis zu 20 Jahre
Diejenigen, die in der Gruppe der älteren Personen die besten Ergebnisse erzielten, schnitten ähnlich gut in dem Test ab, wie die Gruppe der 40- bis 53-Jährigen im Durchschnitt. Der Altersunterschied zwischen diesen beiden Gruppen betrug im Schnitt 20 Jahre.
Die Theorie der kognitiven Reserve
Die Forschenden sehen in dem Ergebnis eine Bestätigung der sogenannten „Theorie der kognitiven Reserve“. Die Theorie besagt, dass diejenigen, die sich im Laufe des Lebens durch Bildung und neue Herausforderungen ein anpassungs- und leistungsfähigeres neuronales Netzwerk aneignen, im Alter länger vor kognitiven Verlusten geschützt sind.
Hirnaktivität stützt die Ergebnisse
Das bestätigte sich auch beim Blick auf die Hirnaktivität: Laut dem Forschungsteam waren bei den gebildeten älteren Personen die EEG-Werte für die Handlungsvorbereitung und Aufmerksamkeitszuwendung deutlich stärker ausgeprägt als bei ungebildeten Teilnehmenden. In manchen Fällen übertrafen die besten älteren Personen sogar Teilnehmende aus der jüngsten Gruppe.
Geistigen Herausforderungen nicht ausweichen
Die Forschenden weisen darauf hin, dass die Unterschiede zum Teil genetisch bedingt sein könnten. Nichtsdestotrotz könne ein regelmäßiges Gehirntraining die Leistung verbessern. „Wer im Alter geistig fit bleiben will, sollte rechtzeitig für seine kognitive Reserve Sorge tragen und Herausforderungen nicht aus dem Weg gehen, die das Gehirn trainieren“, empfiehlt Studienautor Patrick Gajewski.
Gehirntraining im Alltag
Das Team rät allen Personen dazu, im Alltag öfter mal etwas im Kopf auszurechnen, sich die Einkaufsliste zu merken statt abzulesen oder im Auto Routen ohne Navi zu fahren. Darüber hinaus könne man beispielsweise ein neues Musikinstrument oder eine neue Sprache lernen sowie ein Koordinationstraining wie beispielsweise Tanzen oder Tai Chi durchführen. „Allgemeinbildung ist auch ein ganz wichtiger Faktor“, betont Gajewski. Wie auch jeder andere Muskel, brauche das Gehirn Training, um nicht zu verkümmern. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Leibniz-Institut für Arbeitsforschung: Fit im Alter: Es kommt auf die kognitive Reserve an (Abruf: 16.12.2019), ifado.de
- Gajewski, P.D., Falkenstein, M., Thönes, S., Wascher, E.: Stroop task performance across the lifespan: High cognitive reserve in older age is associated with enhanced proactive and reactive interference control. NeuroImage, 2019, sciencedirect.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.