Darmkrebs in der Familie: Verwandte nehmen Früherkennung zu selten wahr
Es ist lange bekannt, dass Menschen, deren direkte Verwandte an Darmkrebs erkrankt sind, selbst ein erhöhtes Darmkrebsrisiko haben. Sie sollten daher bereits ab dem Alter von 40 Jahren mit der Vorsorge beginnen. Doch viel zu wenige von ihnen nehmen die Früherkennung war.
Darmkrebs gehört zu den häufigsten Krebserkrankungen in Deutschland. Rund jede achte Krebserkrankung hierzulande betrifft den Darm. Viele Erkrankungen könnten verhindert werden, wenn mehr Menschen regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung gehen würden. Die Vorsorge ist besonders wichtig, wenn es in der Familie schon zu Darmkrebsfällen gekommen ist.
Risikoangepasste Früherkennung
Wie das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in einer aktuellen Mitteilung schreibt, haben Menschen, deren direkte Verwandte an Darmkrebs erkrankt sind, selbst ein erhöhtes Darmkrebsrisiko und sollten daher bereits ab dem Alter von 40 Jahren mit der Vorsorge beginnen.
In Deutschland gilt dies für etwa eine von zehn Personen zwischen 40 und 54 Jahren. Doch fast die Hälfte der Betroffenen nimmt diese Chance der risikoangepassten Früherkennung nicht wahr, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem DKFZ im Fachmagazin „Clinical Gastroenterology and Hepatology“ berichten.
Erhöhtes Erkrankungsrisiko bei familiärer Vorbelastung
Die Forschenden aus dem DKFZ hatten 160.000 Menschen im Alter zwischen 40 und 54 Jahren aus Stuttgart, München und Dresden angeschrieben, 28.711 der Angeschriebenen beteiligten sich schließlich an der Befragung zu familiärem Darmkrebs und zur Teilnahme an der Darmkrebs-Vorsorge.
Laut der Mitteilung gaben 9,4 Prozent der Befragten, also etwa jeder Zehnte, an, dass einer ihrer direkten Verwandten (Eltern oder Kinder) an Darmkrebs erkrankt war.
Es ist bekannt, dass Menschen mit einer solchen familiären Vorbelastung ein erhöhtes Risiko haben, selbst an einem bösartigen Tumor des Darms zu erkranken.
Die erhöhte Gefahr besteht auch für Halbgeschwister, wie Forschende des DKFZ und NCT Heidelberg (eine gemeinsame Einrichtung des DKFZ, des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) und der Deutschen Krebshilfe) im vergangenen Jahr zusammen mit internationalen Kollegen berichteten. Ihre Ergebnisse wurden im Fachmagazin „BMJ“ publiziert.
Menschen mit Darmkrebsfällen in der Familie wird daher empfohlen, bereits ab dem 40. Lebensjahr mit der Darmkrebsvorsorge zu beginnen.
Für Personen ohne bekannte Risikofaktoren dagegen wird ein Start der Vorsorge mittlerweile im Alter von 50 Jahren empfohlen.
Einem großen Teil der an der aktuellen Studie teilnehmenden Menschen mit erhöhtem familiären Risiko war die Bedeutung eines früheren Starts der Vorsorge offenbar bekannt: Über die Hälfte (54,5 Prozent) von ihnen hatte bereits eine Darmspiegelung wahrgenommen. Unter den Befragten ohne familiäre Vorbelastung war es lediglich ein Viertel.
Betroffene für eine effektive Vorsorgeuntersuchung sensibilisieren
„Anders herum betrachtet heißt das jedoch auch: Fast die Hälfte der Menschen mit erhöhtem familiären Risiko nützt die Chance eines früheren Starts der Vorsorge nicht“, sagt Studienleiter Hermann Brenner vom DKFZ und vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg.
„Hier könnten insbesondere die Hausärzte und ihre Mitarbeiter wesentlich dazu beitragen, die Betroffenen für eine effektive Vorsorge zu sensibilisieren“, so Korbinian Weigl, Erstautor der aktuellen Arbeit. „Die Frage nach Darmkrebsfällen bei direkten Angehörigen ist eine sehr einfache und aussagekräftige Methode, um das persönliche Risiko abzuschätzen.“
Darmkrebs tritt oft erst im gehobenen Alter auf
Allerdings zeigte die Studie auch die Grenzen dieser Methode auf. Darmkrebs tritt oft erst im gehobenen Alter auf. Wenn beispielsweise bei einem über 70-Jährigen Darmkrebs diagnostiziert wird, so haben seine Kinder das 40. Lebensjahr oftmals längst überschritten – und damit den empfohlenen Zeitpunkt für den Start der Früherkennung verpasst.
Tatsächlich zeigte eine Aufschlüsselung der Daten, dass die Häufigkeit von erkrankten direkten Angehörigen mit dem Alter der Befragten steigt: Unter den 40 bis 44-jährigen Studienteilnehmern hatten demnach 7,5 Prozent einen Darmkrebsfall in der Familie, unter den 50 bis 54-jährigen waren es bereits 10,9 Prozent.
„Daraus wird deutlich, dass Menschen um die 40 oftmals noch gar nicht wissen, dass sie zur Risikogruppe gehören und sich daher auch nicht an die speziellen Empfehlungen zur Darmkrebs-Früherkennung halten können“, erklärt Hermann Brenner.
„Und neben der familiären Vorgeschichte spielen natürlich auch viele andere Faktoren, wie die Lebensgewohnheiten eine große Rolle für das Darmkrebsrisiko. Daher sollten auch weitere Methoden hinsichtlich ihrer Eignung für eine verbesserte Risikoeinschätzung geprüft werden“, so der Experte.
Forschende aus Brenners Team haben vor kurzem gezeigt, dass die gemeinsame Betrachtung weiterer Risikomarker einschließlich verschiedener Labortests für die Abschätzung des persönlichen Erkrankungsrisikos noch deutlich aussagekräftiger sein können als die Frage nach Krebsfällen in der Familie. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ): Darmkrebs in der Familie: Risikoangepasste Früherkennung wird zu selten wahrgenommen, (Abruf: 07.01.2020), Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
- Korbinian Weigl, Kaja Tikk, Michael Hoffmeister, Jochen Hampe, Svitlana Igel, Frank Kolligs, Stefanie J. Klug, Ulrich Mansmann, Oliver Müller, Jutta M. Nagel, Marcus Pichler, Matthias Schwab, Dirk Schweigler, Anna-Magdalena Stephan, Enrico N. De Toni, Hermann Brenner: Prevalence of a First-Degree Relative with Colorectal Cancer and Uptake of Screening Among Persons 40 to 54 Years Old Clinical; in: Gastroenterology and Hepatology, (Veröffentlichung: 14.11.2019), Clinical Gastroenterology and Hepatology
- Yu Tian, E. Kharazmi, K. Sundquist, J. Sundquist, H. Brenner, M. Fallah: Familial colorectal cancer risk in half siblings and siblings: nationwide cohort study, in: BMJ, (Veröffentlichung: 11.02.2019), BMJ
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