Forschungsteam hat hunderte neuer Viren in Insekten entdeckt
Ein Forschungsteam aus Deutschland hat in Insekten hunderte neuer Viren aus über 20 Virusgattungen entdeckt. Jeder neu gefundene Erreger könnte eine bisher unerkannte Ursache von Erkrankungen sein.
Neue Viren, die Krankheiten auslösen, stammen häufig von Tieren. Bekannte Beispiele sind unter anderem das aus Mücken stammende Zika-Virus, die Vogelgrippe-Viren sowie das Kamel-assoziierte MERS-Virus. In einer aktuellen Studie entdeckten Forschende nun in Insekten hunderte neuer Viren aus über 20 Virusgattungen.
Mögliche Epidemien verhindern
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) an der Charité – Universitätsmedizin Berlin suchen gezielt nach Viren im Tierreich, um neu auftretende virale Erkrankungen schnell zu erkennen und mögliche Epidemien zu verhindern. Laut einer aktuellen Mitteilung haben sie dabei hunderte neuer Viren in Insekten entdeckt. Ihre Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „PLOS Pathogens“ veröffentlicht.
Nicht alle Viren machen krank
Wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) auf ihrem Portal „infektionsschutz.de“ erklärt, befallen nicht alle Viren in unserer Umgebung den Menschen. Und nicht alle Viren, die den Menschen befallen, machen tatsächlich krank. Denn häufig reagiert das menschliche Immunsystem schnell und bekämpft die Eindringlinge mit Erfolg.
Dennoch gibt es laut den Fachleuten viele wichtige Krankheiten, die durch Viren ausgelöst werden. Die Erreger könnten für weitaus mehr Krankheiten verantwortlich sein, als bislang bekannt.
„Jedes neue Virus, das wir finden, könnte eine bisher unerkannte Ursache von Erkrankungen sein, sowohl beim Menschen als auch bei Nutztieren“, sagt Prof. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie am Campus Charité Mitte.
Der Wissenschaftler hat sich im DZIF der gezielten Identifikation von Viren verschrieben. Der Mitteilung zufolge hat sein Team unter anderem den internationalen Standard in der Diagnostik der MERS-Erkrankung gesetzt. Momentan widmet der Forscher sich der Erkennung seltener Virusdiagnosen durch neue Sequenziertechniken.
„Je mehr Viren wir kennen und in unserer Datenbank speichern, umso leichter können wir die Ursache von neu auftretenden ungewöhnlichen Erkrankungen erkennen“, so Drosten.
Aktuelle Studie umfasst alle Ordnungen von Insekten
In der aktuellen Studie im Rahmen der DZIF-Arbeitsgruppe „Virusnachweis und Pandemieprävention“ haben sich die Forschenden der größten internationalen Transkriptom-Datenbank, einer Art Verzeichnis der Genaktivität, zu Insekten bedient und darin die Datensätze auf Virusgenome untersucht.
Während sich die Wissenschaft bislang vor allem auf Moskitos und andere blutsaugende Insekten konzentriert hat, umfasst diese Studie alle Ordnungen von Insekten. Systematisch untersucht wurden Viren mit sogenannter negativer einzelsträngiger Ribonukleinsäure (RNA).
Diese Gruppe von RNA-Viren umfasst sehr wichtige krankheitsverursachende Viren; Ebola und Masern werden ebenso durch sie ausgelöst wie Tollwut und Lungeninfektionen.
Seltene und ungewöhnliche Erkrankungen beim Menschen
In Proben aus insgesamt 1.243 Insektenarten entdeckten die Forscherinnen und Forscher mindestens 20 neue Virusgattungen, bei einigen stehen noch die letzten Prüfungen aus. „Das ist wohl die bisher größte Einzelstudie in der Entdeckung neuer Viren“, sagt Drosten.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben die neuen Insektenviren bereits in ihre Suchdatenbanken eingespeist. Mit ihrer Hilfe werden Fälle seltener und ungewöhnlicher Erkrankungen beim Menschen untersucht. Dazu gehören Patientinnen und Patienten, bei denen alle Symptome auf eine Virusinfektion hinweisen, ein Virus jedoch nicht nachgewiesen werden kann.
„Wir benutzen dann Hochdurchsatz-Sequenziermethoden, um nach allen Viren zu fahnden, die in den Patientenproben vorkommen“, erläutert Drosten. „Wenn der Patient ein Virus hat, finden wir es – vorausgesetzt, es ist in unserer Datenbank hinterlegt oder es hat Ähnlichkeit mit einem dort verzeichneten Virus.“ Mit der Erweiterung um die neuen Insektenviren steigen die Erfolgschancen bei der Suche.
Im Rahmen des DZIF-Projektes „Virusnachweis und Pandemieprävention“ wird sich das Forschungsteam an der Charité auch in den kommenden Jahren weiter auf neu auftretende Viren vorbereiten. Mit neuen Kenntnissen zur Virusdiversität können auch die Nachweisverfahren verbessert werden. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF): Hunderte neuer Viren in Insekten entdeckt, (Abruf: 08.01.2020), Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF)
- Simon Käfer, Sofia Paraskevopoulou, Florian Zirkel, Nicolas Wieseke, Alexander Donath, Malte Petersen, Terry C. Jones, Shanlin Liu, Xin Zhou, Martin Middendorf, Sandra Junglen, Bernhard Misof, Christian Drosten: Re-assessing the diversity of negative strand RNA viruses in insects, in PLOS Pathogens, (veröffentlicht: 12.12.2019), PLOS Pathogens
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Viren, (Abruf: 08.01.2020), infektionsschutz.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.