Immer häufiger tödliche Borna-Virus-Infektionen beim Menschen – Ausbreitung größer als bisher angenommen
Zwar ist das Borna-Virus eher selten, aber kann beim Menschen tödliche Folgen haben. Lange Zeit war die Virusinfektion nur bei Nutztieren bekannt. Nachweise beim Menschen zeigen nun, dass das Virus auch auf den Menschen übertragbar ist. Insbesondere Katzenhalter sind nach neusten Erkenntnissen betroffen.
Lange war die Borna-Krankheit nur von Nutztieren bekannt. Nun bestätigen neue Nachweise: Auch beim Menschen sorgt das Virus in Deutschland für Todesfälle. Besonders hoch könnte das Risiko für Katzenhalter sein. An einer Infektion mit sogenannten Borna-Viren sind in Deutschland in den vergangenen Jahren weit mehr Menschen gestorben als bisher bekannt.
Erreger bei verstorbenen Menschen nachgewiesen
Der Erreger sei in Bayern in aufbewahrten Hirnproben verstorbener Patienten nachgewiesen worden, berichten Forscher des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) und der Universität Regensburg im Fachmagazin “The Lancet Infectious Diseases“.
Insgesamt starben demnach seit 1995 mindestens 14 Menschen nachweislich an der Gehirnentzündung. Den jüngsten bekannten Borna-Fall datieren die Wissenschaftler auf Ende 2019. Dabei starb ein elfjähriges Mädchen. In welchem Ausmaß das Virus insgesamt hinter Hirnentzündungen mit unbekannter Ursache stecken könnte, ist bislang unklar.
Infektionsweg oft unbekannt
Die Wissenschaftler hatten Hirnproben von 56 Patienten aus Bayern untersucht, bei denen zwischen 1999 und 2019 eine Hirnentzündung diagnostiziert worden war. Bei 28 war kein Grund für die Erkrankung gefunden worden, neun von diesen Betroffenen waren gestorben. Bei sieben dieser neun Menschen wurde das Borna Disease Virus 1 (BoDV-1) nachgewiesen. Unabhängig davon gab es zwei weitere bestätigte Infektionen.
Alle Fälle kamen in Bayern vor und wurden an der Uniklinik Regensburg, in Erlangen oder im Raum München diagnostiziert, wie Martin Beer, Leiter des Instituts für Virusdiagnostik am FLI, der Deutschen Presse-Agentur sagte.
Zuvor waren bereits fünf weitere Nachweis-Berichte aus den Jahren 2018 und 2019 bekannt. Unter anderem hatten sich drei Menschen über eine Organspende mit der tödlichen Krankheit angesteckt, weil sie eine Niere beziehungsweise die Leber eines Infizierten aus Bayern bekommen hatten. Nur einer von ihnen überlebte die Krankheit, allerdings mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen.
Borna-Virus bei Nutztieren
Dass sich Nutztiere wie Pferde und Schafe mit der Borna-Krankheit anstecken und daran sterben können, ist schon wesentlich länger bekannt. BoDV-1 kommt in Deutschland in Bayern, Thüringen, Sachsen-Anhalt und angrenzenden Teilen benachbarter Bundesländer vor. Fälle von Borna-Krankheit bei Pferden, Schafen und anderen Nutztieren gibt es zudem auch in Österreich, der Schweiz und Liechtenstein regelmäßig. “Das ist eine alte Krankheit, aber man hat immer falsch geguckt”, sagte Beer.
Einziges bekanntes Reservoir des Erregers ist die Feldspitzmaus (Crocidura leucodon), bei der die Infektion keine schweren Symptome verursacht. Die Mäuse scheiden das Virus in Urin, Kot und Speichel aus – darüber können sich dann andere Tiere und in seltenen Fällen auch der Mensch anstecken.
“Eine Ansteckung von Mensch zu Mensch oder auch von Pferd zu Mensch sei auf natürlichem Wege ausgeschlossen”, erklärte Beer. Er sprach von sogenannten Sackgassenwirten, die das Virus in sich tragen, aber nicht weiter verbreiten. Sowohl bei Nutztieren als auch beim Menschen verläuft die Infektion wahrscheinlich sehr oft tödlich.
Betroffene hatten engen Kontakt zu Tieren
Wie genau sich die Patienten in Bayern, die unabhängig von einer Organspende erkrankten, mit dem Virus infizierten, ist nach Angaben Beers unklar. Viele hätten engen Kontakt zu Katzen gehabt – die möglicherweise eine Spitzmaus gefangen und mit nach Hause gebracht haben könnten. Das sei aber nur eine Hypothese. Dem Bericht im Fachjournal zufolge hatten die meisten der 14 Betroffenen Kontakt zu Tieren, lebten in ländlichen Regionen, arbeiteten in der Landwirtschaft oder waren Outdoor-Aktivitäten nachgegangen.
Beer und seine Kollegen rufen Ärzte in Borna-Gebieten dazu auf, Patienten mit schwerer Gehirnentzündung bei unklarer Erkrankungsursache auf das Virus testen zu lassen. Eine Meldepflicht gibt es für die Krankheit bisher nicht – das soll sich nach Angaben Beers allerdings im März ändern. Grund zu Panik bestehe nicht, betonte er. “Ich rechne nach wie vor mit Einzelfällen. Das Risiko für den Einzelnen – auch in Bayern – ist sehr gering.” Eine spezielle Therapie gegen die Krankheit gibt es bisher nicht.
Grippeähnliche und neurologische Symptome
Laut “Ärzteblatt” sind bei den wenigen bislang bekannten Infektionen – mit Ausnahme jüngerer Kinder – alle Altersgruppen und beide Geschlechter betroffen. Viele der bekannten Patienten litten laut Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin zu Beginn an Kopfschmerzen, Fieber und allgemeinem Krankheitsgefühl. Es folgen neurologische Symptome wie Verwirrtheit, Verhaltensauffälligkeiten und Sprach- und Gangstörungen, im weiteren Verlauf innerhalb von Tagen oder wenigen Wochen oft Koma und Tod.
Neben BoDV-1 gibt es auch das Variegated Squirrel Bornavirus 1 (VSBV-1). Auch dieser bei Bunthörnchen auftretende Erreger ist auf den Menschen übertragbar, wie man seit einigen Jahren weiß. Es war erstmals bei drei Hobbyzüchtern aus Sachsen-Anhalt nachgewiesen worden, die in den Jahren 2011 bis 2013 mit Symptomen einer Gehirnentzündung in Kliniken behandelt und gestorben waren. Damit sei gezeigt worden, dass Vertreter aus der Familie der Bornaviren auch Menschen infizieren können, hieß es bei der Veröffentlichung der Ergebnisse im Jahr 2015. (sb/Quelle: dpa)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Hans Helmut Niller, Klemens Angstwurm, Dennis Rubbenstroth, Kore Schlottau, Arnt Ebinger, et al.: Zoonotic spillover infections with Borna disease virus 1 leading to fatal human encephalitis, 1999–2019: an epidemiological investigation, in Lancet Infectious Diseases (Veröffentlicht 07.01.2020), The Lancet
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