Scheitert die nationale Diabetes-Strategie an wirtschaftlichen Interessen?
Typ-2 Diabetes wird immer mehr zur Volkskrankheit – mit einer halben Millionen Neuerkrankungen pro Jahr. Ernährungsfachleute machen die allgemein schlechte Ernährung vieler Bundesbürger verantwortlich für die ständig wachsenden Zahlen. Der Ernährungsausschusses im Bundestag scheint hier anderer Meinung zu sein und sträubt sich gegen Maßnahmen, die eine allgemein gesündere Ernährung fördern würden.
Die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) und die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) kritisieren scharf das Verhalten des Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, der eine Nationale Strategie gegen Diabetes entwerfen soll. Nun steht die Umsetzung kurz vor dem Aus, da sich einige Politiker vehement gegen weitreichende Veränderungen sträuben – offenbar um wirtschaftliche Interessen zu wahren.
Drohendes Aus bei nationaler Strategie gegen Diabetes
Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Bärbel Bas, bestätigte gegenüber dem Ärzteblatt den Stillstand der Verhandlungen über eine Nationale Strategie gegen Diabetes. Grund sei, dass einige Ernährungspolitiker der Unionsfraktion das Vorhaben blockieren. Insbesondere bei Maßnahmen, die darauf abzielen, den Zuckerkonsum von Kindern zu senken, kam der Ernährungsausschuss zu keinem Konsens.
„Dringlichkeit wird ignoriert“
Wie die Fachgesellschaften DANK und DDG betonen, ist Diabetes keine Lappalie, sondern eine ernstzunehmende und nicht selten tödliche Erkrankung. Mittlerweile stehe jeder fünfte Todesfall in Deutschland im Zusammenhang mit Diabetes. Zudem verkürze Diabetes die Lebenszeit bei Menschen im mittleren Alter um sechs bis zwölf Jahre. Mit 500.000 Neuerkrankten pro Jahr könne man jedes zweite Jahr eine Großstadt wie Köln mit Diabetikerinnen und Diabetikern bevölkern.
Werbeverbot für ungesunde Produkte gefordert
„Wir brauchen daher dringend eine nationale Diabetes-Strategie, die verbindliche Maßnahmen im Bereich Ernährung umfasst“, fordern die Fachgesellschaften. Dazu gehöre ein Verbot von an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Produkte. An diesem Punkt scheiden sich die Interessen, denn einige Politiker wollen sich nicht auf ein Werbungsverbot einlassen.
Wer profitiert von der Werbung?
„Niemand außer der Industrie braucht Werbespots, die Kinder dazu animieren, mehr Süßigkeiten zu essen“, unterstreichen die Fachgesellschaften. Sie fordern die entsprechenden Politikerinnen und Politiker dazu auf, ihre Blockadehaltung aufzugeben und das Versprechen des Koalitionsvertrages zu erfüllen. Nur so könne der Weg zu einem besseren Schutz der Gesundheit von Kindern geebnet werden.
Lebensmittelindustrie muss umdenken
Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V. (BVKJ) kritisiert die Blockadehaltung. „Ohne der Lebensmittelindustrie weh zu tun geht es nicht“, erläutert BVKJ-Vizepräsidentin Dr. med. Sigrid Peter. Wenn die CDU dabei bleibe, den Zuckeranteil in Lebensmittel für Kinder in Zukunft nicht zu begrenzen, mache die nationale Diabetes-Strategie im Ganzen keinen Sinn. „Die Politik muss für Verhältnisse sorgen, die Kindern und Jugendlichen ein gesundes aufwachsen ermöglichen“, so Peter weiter. Koalitionsinterne Differenzen müssten deshalb jetzt schnellstmöglich ausgeräumt werden. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK): Diabetes-Strategie: Wer braucht Werbung für ungesunde Produkte? (veröffentlicht: 29.01.2020), ank-allianz.de
- Ärzteblatt: Ernährungsausschuss blockiert nationale Diabetesstrategie (veröffentlicht: 22.01.2020), aerzteblatt.de
- Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V.: Kinder- und Jugendärzte: "Begrenzung des Zuckeranteils in Lebensmittel für Kinder muss Teil der nationalen Diabetes-Strategie werden" (veröffentlicht: 16.01.2020), kinderaerzte-im-netz.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.