Wie weit verbreitete Erreger das Krebs-Risiko erhöhen
Eine große internationale Studie mit der federführenden Beteiligung des Deutschen Krebsforschungszentrums fand erstmals handfeste Beweise darüber, dass elf weit verbreitete Viren das Krebs-Risiko erhöhen. Jeder siebte Tumor soll demnach in Verbindung mit einer Infektion stehen.
Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) hat die erste umfassende Untersuchung durchgeführt, die die Beteiligung verschiedener weit verbreiteter Erreger an der Entstehung von Krebs untermauert. Bei mindestens elf Viren, darunter Humane Papillomviren (HPV), einige Hepatitisviren sowie das Epstein-Barr-Virus, konnte eine Verbindung zwischen der Infektion und Krebserkrankungen festgestellt werden. Die Ergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Nature Genetics“ publiziert.
Helicobacter pylori begünstigt Magenkrebs
Verbindungen zwischen bestimmten Infektionskrankheiten und der Entstehung von Krebs sind schon länger bekannt. „Wir wussten bereits von einigen starken Verbindungen zwischen Infektionen und Krebs“, berichtet Dr. Daniel Brewer aus dem Studienteam. Zum Beispiel könne das Vorhandensein von Helicobacter pylori im Verdauungstrakt zu Magengeschwüren führen, die wiederum mit einem erhöhten Risiko für Magenkrebs in Verbindung stehen.
Jeder siebte Tumor wird durch Viren begünstigt
Das internationale Forschungsteam, bestehend aus über 1300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, suchte nun systematisch in den DNA von über 2.600 Tumorproben von 38 verschiedenen Krebsarten nach Verbindungen zwischen stark verbreiteten Erregern und Tumorbildung. Bei elf Erregern wurden sie fündig. Insgesamt deckte das Team bei mehr als jedem siebten Tumor eine Verbindung zu Infektionen auf.
Welche Viren sind häufig an Krebs beteiligt?
In 5,5 Prozent der untersuchten Tumorproben fand die Forschenden das Erbgut von Epstein-Barr Viren (EBV). Diese Viren konnten mit zahlreichen Krebsarten, insbesondere Lymphomen sowie Krebserkrankungen des Magens und des Nasen-Rachenraums in Verbindung gebracht werden. Der Studie zufolge besteht auch ein Zusammenhang zwischen Leberkrebs und Hepatitis B Viren. In 62 der 330 untersuchten Leberkrebs-Proben wurde Hepatitis B-DNA gefunden.
HPV 16 steht im starken Zusammenhang mit Gebärmutterhalskrebs. In 19 von 20 Krebsfällen fanden die Forschenden die DNA von humanen Papillomviren. Zudem scheinen HP-Viren auch Hals/Rachen-Tumoren zu begünstigen. Auch hier wurden in 18 von 57 Fällen ihre DNA entdeckt. Darüber hinaus bestätigte sich auch die bereits bekannte Verbindung zwischen Retroviren und Nierenkarzinomen sowie zwischen Cytomegaloviren und Magenkrebs.
Nicht alle Viren fördern Krebserkrankungen
Durch die Analyse konnten die Forschenden für einige Virusarten mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass sie an der Entstehung von Krebs beteiligt sind. So konnte beispielsweise bei Adenoviren („Augengrippe“) sowie bei Baculoviren keine Beteiligung an Krebserkrankungen festgestellt werden.
Warum begünstigen einige Viren Krebs?
Die Forschenden entschlüsselten auch einige der Mechanismen, die Viren zur Auslösung von karzinogenen Mutationen nutzen. Das Team fand heraus, dass manche Viren ihr Erbgut in das menschliche Genom einbauen und so virusbedingte Mutationen herbeiführen. Dieser Prozess konnte besonders stark bei Hepatitis B und bei Papillomviren beobachtetet werden.
„Oft beobachteten wir beispielsweise den Einbau von HPV-DNA in den so genannten Telomerase-Promoter“, erklärt Studienerstautor Marc Zapatka. Dieses genetische Schaltelement steuere die Produktion des sogenannten „Unsterblichkeitsenzyms” Telomerase. Dieses Enzym sei bei vielen Krebserkrankungen besonders häufig mutiert. „Wir haben nun gezeigt, dass auch die Virusintegration zu einer Aktivierung dieses Genschalters führen und den Zellen damit Unsterblichkeit verleihen kann“, betont Zapatka.
Weiteren Mechanismus entdeckt
Neben dem Einbau des Erbguts konnten die Forschenden noch einen weiteren Mechanismus aufdecken: die zelleigene Virusabwehr. Die Zelle versucht sich mit so genannten APOBEC-Proteinen vor der Virus-DNA zu schützen. Bei dieser Abwehr entstehen aber häufig Mutationen des zelleigenen Genoms. Dieser Mechanismus wurde insbesondere bei Gebärmutterhalskrebs und Hals/Rachentumoren nach HPV-Infektionen beobachtet.
Keine Unbekannten entdeckt
Insgesamt kommen die Forschenden zu dem Ergebnis, dass deutlich mehr Tumoren Spuren von Viren enthalten, als bislang angenommen. „Trotzdem konnten wir die häufig geäußerte Vermutung nicht bestätigen, dass weitere, bislang unbekannte Viren mit Krebs assoziiert sind“, resümiert Studienleiter Peter Lichter. „In vielen Fällen sehen wir jetzt allerdings klarer, auf welche Weise die Erreger Zellen bösartig entarten lassen.“ (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsches Krebsforschungszentrum: Viren und Krebs - systematische Bestandsaufnahme veröffentlicht (veröffentlicht: 05.02.2020), dkfz.de
- University of East Anglia: First comprehensive survey of virus DNA found within cancer cells (veröffentlicht: 05.02.2020), uea.ac.uk
- Marc Zapatka, Ivan Borozan, Daniel S. Brewer, u.a.: The landscape of viral associations in human cancers; in: Nature Genetics, 2020, nature.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.