Migräne bei Kindern: Placebos wirken ähnlich wie Prophylaxe mit Medikamenten
Laut Fachleuten ist Migräne eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. Nicht nur Erwachsene sind davon betroffen, sondern auch Kinder und Jugendliche. In einer Studie hat sich nun gezeigt, dass die vorbeugende medikamentöse Behandlung der Migräne bei dieser Altersgruppe langfristig nicht besser wirkt als Placebos.
Migräne betrifft nicht nur Erwachsene, sondern oft auch Kinder und Jugendliche. Laut der Techniker Krankenkasse (TK) sind in Deutschland bei Klein- und Schulkindern bis zur Pubertät vier bis fünf Prozent davon betroffen und bei Jugendlichen etwa zehn Prozent. Forschende aus der Schweiz berichten nun, dass eine vorbeugende medikamentöse Behandlung bei den jungen Patientinnen und Patienten kaum Wirkung zeigt.
Alle Bereiche des Lebens werden beeinträchtigt
Wie die Universität Basel in einer aktuellen Mitteilung erklärt, wirkt sich Migräne bei Kindern und Jugendlichen nicht nur auf ihr Wohlbefinden aus, sondern beeinträchtigt alle Bereiche ihres Lebens.
Manche Patientinnen und Patienten können ihre Beschwerden zwar gut durch die Vermeidung der Auslöser (Trigger) sowie Hausmittel gegen Migräne in den Griff bekommen, doch in vielen Fällen wird die Einnahme von Medikamenten nötig.
„Ziel einer medikamentösen, vorbeugenden Behandlung der Migräne ist es, Häufigkeit, Dauer und Intensität von Migräneattacken zu vermindern“, erklärt der Berufsverband Deutscher Psychiater (BVDN) auf dem Informationsportal „Neurologen und Psychiater im Netz“.
Die Behandlung von jungen Patientinnen und Patienten stützt sich bislang größtenteils auf Studien mit Erwachsenen. Es ist aber fraglich, ob diese prophylaktischen Interventionen für Erwachsene bei Kindern und Jugendlichen eine vergleichbare Wirkung haben. Außerdem wird vermutet, dass der Placebo-Effekt bei der jüngeren Altersgruppe oftmals stärker ausgeprägt ist.
Welche Arzneimittel für die Migräneprophylaxe erfolgreich sind
Psychologinnen und Psychologen der Universität Basel haben jetzt in einer internationalen Zusammenarbeit untersucht, welche Arzneimittel für die Migräneprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen erfolgreich sind.
Es existierten bereits einzelne Studien, die jeweils ein Medikament einem anderen oder einem Placebo gegenüberstellten. Ziel der systematischen Übersichtsarbeit war es nun, solche Einzelstudien zusammenzufassen und sie vergleichbar zu machen.
Sind eingesetzte Medikamente effektiver als Placebos? Und welche Unterschiede bezüglich Wirksamkeit und Nebenwirkungen gibt es zwischen den Arzneimitteln?
Kaum eine Wirkung über den Placebo-Effekt hinaus
In ihre Netzwerkmetaanalyse bezogen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 23 Studien aus dem Zeitraum zwischen 1967 und 2018 mit über 2.200 Patientinnen und Patienten ein.
Davon erhielt rund ein Viertel ein Placebo, während die andern mit Antiepileptika, Antidepressiva, Calciumkanalblockern, Blutdrucksenkern oder Nahrungsergänzungsmitteln behandelt wurden.
Die Ergebnisse, die in der Fachzeitschrift „JAMA Pediatrics“ erschienen sind, zeigen, dass über den Placebo-Effekt hinaus für keine der untersuchten Arzneistoffe eine signifikante Langzeitwirkung (fünf bis sechs Monate oder länger) für Kinder und Jugendliche feststellbar war.
Einzig für die Wirkstoffe Propranolol sowie Topiramat konnten kurzfristige Erfolge (weniger als fünf Monate) verzeichnet werden.
Behandlungen ohne den Einsatz von Arzneimitteln
„Unsere Studie zeigt also, dass die vorbeugende pharmakologische Behandlung von pädiatrischer Migräne mit all diesen Wirkstoffen kaum effektiver als Placebo ist“, erläutert Dr. Cosima Locher von der Fakultät für Psychologie der Universität Basel.
Die Studienergebnisse unterstreichen, dass es weitere Untersuchungen für die Prophylaxe von Migräne bei jungen Patientinnen und Patienten braucht, um Faktoren zu identifizieren, die für die individuelle Wirksamkeit solcher Behandlungen zentral sind. Außerdem sollten die Placebo-Effekte spezifisch bei Kindern und Jugendlichen weiter untersucht werden.
Erste Ergebnisse der Schweizer Forschenden zeigen, dass dies den Weg für innovative Behandlungsmethoden ebnen könnte, unter Berücksichtigung der Erwartungen von Patientinnen und Patienten sowie ihrer Beziehungen zu den Behandelnden.
Laut den Forschenden könnte so die klinische Wirkung medikamentöser Behandlungen verstärkt werden oder gegebenenfalls sogar eine Behandlung ohne den Einsatz von Arzneimitteln erfolgen. Die aktuelle Studie ist in Zusammenarbeit mit Forschenden der Harvard Medical School, der LMU München und der Technischen Universität München entstanden. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität Basel: Migräne-Prophylaxe mit Medikamenten zeigt bei Kindern kaum Wirkung, (Abruf: 11.02.2020), Universität Basel
- Cosima Locher, Joe Kossowsky, Helen Koechlin, et al: Efficacy, Safety, and Acceptability of Pharmacologic Treatments for Pediatric Migraine Prophylaxis; in: JAMA Pediatrics, (veröffentlicht: 10.02.2020), JAMA Pediatrics
- Techniker Krankenkasse: Migränevorbeugung für Kinder und Jugendliche, (Abruf: 11.02.2020), Techniker Krankenkasse
- Berufsverband Deutscher Psychiater: Prophylaxe bzw. Vorbeugung vom Migräne, (Abruf: 11.02.2020), Neurologen und Psychiater im Netz
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.