Gendefekt lässt Bindegewebe verknöchern
Fibrodysplasia Ossificans Progressiva (FOP) heißt ein seltener Gendefekt, bei dem der Körper während der Wundheilung keine Narben bildet, sondern Knochen. Kleinste Verletzungen können bei Betroffenen Knochen entstehen lassen, wo kurz zuvor noch Muskeln und Bindegewebe war.
Der Eva Luise Köhler Forschungspreis für Seltene Erkrankungen 2020 wird für einen neuen Therapieansatz verliehen, der erstmals die fortschreitende Verknöcherung hemmen könnte. Dies gibt neue Hoffnung für FOP-Betroffene.
Seltener Gendefekt
Weltweit leiden nur rund 800 Personen unter der seltenen Erkrankung FOP. Die Patientinnen und Patienten sind mit zunehmenden Alter, oft schon im Laufe der Pubertät, auf einen Rollstuhl angewiesen, da alle Gelenke im Körper zunehmend versteifen, denn jede noch so kleine Verletzung kann dazu führen, dass sich neue Knochen im Körper bilden.
Operative Eingriffe können den Zustand verschlimmern
Nadine Großmann erhielt ihre FOP-Diagnose mit 13 Jahren. Sie verdeutlicht, welche drastischen Folgen Verletzungen für FOP-Betroffene haben können. Selbst die meisten Ärztinnen und Ärzte wissen aufgrund der Seltenheit der Erkrankung nicht, dass Operationen massive Knochenwachstumsschübe auslösen können.
Nadine Großmann erfuhr dies am eigenen Leib: Nach einer Kiefer-Operation wuchsen ihr Knochen um das Kiefergelenk, sodass sie ihren Mund nur noch zwei Millimeter weit öffnen konnte. Kurze Zeit später versteifte sich ihre rechte Schulter in einem weiteren Krankheitsschub.
Neue Hoffnung für FOP-Betroffene
Ein Forschungsteam um Professorin Dr. Martina Rauner und Dr. Ulrike Baschant entdeckte kürzlich ein Protein, das die überschießende Knochenbildung hemmt. Für die Entdeckung erhielten die Forschenden den Eva Luise Köhler Forschungspreis für Seltene Erkrankungen 2020 in Höhe von 50.000 Euro. Mit dem Preisgeld will das Team an genetisch veränderten FOP-Mäusen überprüfen, ob sich das Protein zur Hemmung überschießender Knochenbildung eignet.
Eine vielversprechende Entdeckung
Das Forschungsteam untersuchte das Wechselspiel zwischen Eisen- und Knochenstoffwechsel und entdeckte dabei, dass das in der Leber gebildete Protein Transferrinrezeptor-2 (Tfr2) ein äußerst wirkungsvolles Regulativ im entgleisten Knochenstoffwechsel ist. „Als wir gesehen haben, wie potent die Bindungsregion von Tfr2 die ungewünschten Ossifikationen, also das überschießenden Knochenwachstum, hemmte, war uns klar, dass diese Entdeckung Potenzial für die klinische Weiterentwicklung hat“, berichtet Martina Rauner.
Auch für den Einsatz bei Endoprothesen denkbar
Die Entdeckung scheint aber nicht nur für FOP Erkrankte interessant zu sein. „Auch bei Patienten ohne ACVR1-Mutation, beispielsweise nach der Implantation von Hüftgelenk-Endoprothesen, stellt die Verknöcherung des umliegenden Gewebes eine häufige Komplikation dar, die zu dauerhaften Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führen kann“, ergänzt Professorin Dr. Annette Grüters-Kieslich aus dem Stiftungsvorstand. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Eva Luise und Horst Köhler Stiftung: Wenn aus Muskeln Knochen werden: Eva Luise Köhler zeichnet Forschung zu seltener Knochenerkrankung aus (veröffentlicht: 12.02.2020), elhks.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.