Erste Covid-19-Infektionsketten in Deutschland gemeldet
Die Ausbreitung des neuen Coronavirus Covid-19 hat eine neue Stufe der Gefährdung in Deutschland erreicht. Während zuvor lediglich importierte Fälle aus China vorlagen, die in Krankenhäusern isoliert werden konnten, werden nun die ersten Fälle bekannt gegeben, bei denen es zu Übertragungen innerhalb von Deutschland kam. Breitet sich das Coronavirus nun auch in Deutschland aus?
Nach dem Bekanntwerden von neuen Infektions-Nachweisen mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 ist die Hoffnung geschwunden, die Lungenerkrankung aus Deutschland fern zu halten. Was wird getan, um die Ausbreitung einzugrenzen und was ist über das Virus und die Erkrankung bekannt?
Zehn neue Covid-19 -Fälle in Deutschland
Mindestens zehn Fälle sind nun bekannt, in denen sich Menschen innerhalb von Deutschland mit dem neuen Virus angesteckt haben: Vier Personen in Baden-Württemberg, mindestens fünf in Nordrhein-Westfalen und einer in Rheinland-Pfalz. Gesundheitsminister Jens Spahn rechnet in den kommenden Tage mit einer deutlich stärkeren Ausbreitung.
Krisenstab sucht nach Kontaktpersonen
Ein neu eingerichteter Krisenstab soll nun nach Personen suchen, die mit den Infizierten Kontakt hatten, um die Ausbreitung einzudämmen. In Nordrhein-Westfalen hatte ein infiziertes Pärchen an einer Karnevalssitzung teilgenommen. Dort hatte das Paar mindestens einen weiteren Mann, einen 41 jährigen Soldaten aus Rheinland-Pfalz angesteckt.
Der Krisenstab sucht nun nach den Teilnehmenden der Karnevalvseranstaltung sowie nach den Personen, mit denen der Soldat Kontakt hatte. In ersten Überprüfungen wurden bereits zwei weitere infizierte Personen aus dem Kreis Heinsberg entdeckt, die mit dem Pärchen Kontakt hatten.
Neue Fälle auch in Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg ist derzeit von vier bekannten Infizierten die Rede. Der erste bekannte Fall ist ein 25-jähriger aus Göppingen, der mindestens zwei weitere Personen infizierte. Nun wurde unabhängig von dieser Personengruppe ein weiterer Fall bekannt gegeben. Es handelt sich um einen Mann aus der Stadt Rottweil, der mit seiner Familie aus dem Risikogebiet in Italien zurückkehrte.
Wie hoch ist die Gefahr einer weiteren Ausbreitung in Deutschland?
Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) müsse mit einem weiteren Import von Fällen nach Deutschland gerechnet werden. Auch weitere Übertragungen von Sars-CoV-2, Infektionsketten und Ausbrüche im Land seien möglich. Lokale Infektionen könnten dabei zunächst unerkannt bleiben, sagte der Vizepräsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lars Schaade, im RBB. Es sei „durchaus möglich, dass wir nicht alle diese Ausbrüche sofort erkennen“. Man müsse damit rechnen, dass es dadurch zu einer weiteren Ausbreitung komme. Die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland schätzen die Experten aktuell als gering bis mäßig ein.
Was würde ein größerer Ausbruch in Deutschland für das Gesundheitssystem bedeuten?
Eine Infektionswelle hierzulande könnte unter anderem volle Wartebereiche und Arztpraxen, belegte Intensivbetten und vollkommen überlastete Gesundheitsämter bedeuten, hatte der Berliner Virologe Christian Drosten kürzlich erklärt. Als problematisch sehen Experten, dass derzeit auch die jährliche Grippewelle durch Deutschland rollt – und das Gesundheitssystem bereits stark beansprucht. Aus diesem Grund sei es das Ziel, die Ausbreitung des Coronavirus möglichst hinauszuzögern, wie das Robert Koch-Institut (RKI) kürzlich erklärte. „Wir müssen mit angemessenem Aufwand versuchen, die Ausbreitung zu verlangsamen, um einen intensiven Belastungspuls auf das Gesundheitssystem abzumildern“, sagte Drosten. „Die Zahl der Infektionen sollte über eine möglichst lange Zeit ausgedehnt werden.“
Wie ansteckend ist das neue Coronavirus?
Genaue Infektionswege des Virus sind immer noch nicht im Detail bekannt. Das Virus verbreitet sich durch Tröpfcheninfektion etwa beim Husten und Sprechen. Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass das Virus auch über das Verdauungssystem und zumindest einige Tage über Oberflächen verbreitet werden kann. Ein bisher unterschätztes Risiko sei womöglich, dass in Stuhlproben von Patienten in der Initialphase einer Covid-19-Erkrankung „durchaus relevante Mengen“ von Sars-CoV-2 nachweisbar seien, hatte etwa Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin an der München Klinik Schwabing, erklärt.
Wie gefährlich ist das Virus?
Das ist noch immer eine schwierige Frage. Für eine abschließende Beurteilung der Schwere der neuen Atemwegserkrankung liegen gegenwärtig nicht genügend Daten vor, sagt das RKI. Nach einer kürzlich von Chinas Gesundheitsbehörde vorgestellten Analyse sterben im Land 2,3 Prozent der mit Sars-CoV-2 Infizierten. Betroffen sind demnach vor allem alte Menschen und solche mit schweren Vorerkrankungen wie Herzkreislauf-Erkrankungen und Diabetes. Bei Menschen über 80 Jahren liegt die aus den dort vorliegenden Daten errechnete Todesrate bei knapp 15 Prozent, es sterben also in dieser Altersgruppe in China im Mittel etwa 15 von 100 Infizierten. In der Gruppe der 10 bis 39 Jahre alten Menschen sterben 0,2 Prozent der Infizierten, also etwa 2 von 1000 Betroffenen.
Experten gehen davon aus, dass die Sterblichkeit eigentlich geringer ist als in China errechnet, unter anderem weil in der chinesischen Statistik viele mild verlaufende Infektionen gar nicht erfasst werden. Gesicherte Analysen zur Sterblichkeit aus anderen Ländern gibt es bisher noch nicht.
Welche Symptome verursacht das neue Coronavirus?
Die meisten Menschen haben nur eine leichte Erkältungssymptomatik mit Frösteln und Halsschmerzen oder gar keine Symptome. Hinzukommen können Fieber, Husten und Atembeschwerden, wie sie auch bei einer Grippe auftreten. Auch Kopfschmerzen oder Durchfall sind möglich.
Nach Angaben der chinesischen Gesundheitsbehörde komme es bei mehr als 80 Prozent der Infizierten zu milden Infektionsverläufen, knapp 14 Prozent erkranken schwer. Bei knapp fünf Prozent komme es zu lebensbedrohlichen Auswirkungen wie Atemstillstand, septischem Schock oder Multiorganversagen.
Die Inkubationszeit – der Zeitraum zwischen Infektion und Beginn von Symptomen – beträgt nach derzeitigem Stand meist 2 bis 14 Tage. Das ist der Grund dafür, dass Verdachtsfälle zwei Wochen isoliert werden.
Wie lässt sich die neue Lungenkrankheit behandeln?
Eine spezielle Therapie für die Erkrankung Covid-19 gibt es nicht. Schwer erkrankte Patienten werden symptomatisch behandelt: mit fiebersenkenden Mitteln, der Therapie etwaiger bakterieller Zusatzinfektionen und mitunter mechanischer Beatmung. In Einzelfällen werden auch antivirale Medikamente getestet.
Gibt es eine schützende Impfung?
Nein. Etliche Labors weltweit forschen derzeit an Impfstoffen wie es sie auch für die Grippe gibt. Die Entwicklung einer Schutzimpfung nimmt aber viel Zeit in Anspruch. WHO-Chefwissenschaftlerin Soumya Swaminathan glaubt, dass erste Impfstoff-Tests an Menschen in drei bis vier Monaten beginnen könnten. Ein zertifizierter Impfstoff für weitreichenden Einsatz stehe aber wohl erst in 18 Monaten zur Verfügung.
Das US-Biotechunternehmen Moderna hatte am Montag berichtet, einen Impfstoff-Kandidaten entwickelt und an das US-National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) geliefert zu haben. Dessen Direktor Anthony Fauci kündigte laut CNN erste klinische Studien für Ende April an. Auch er rechnete demnach damit, dass es ein bis anderthalb Jahre dauere, bevor ein Impfstoff verfügbar ist.
Wie kann ich mich sonst vor einer Ansteckung schützen?
Zum Schutz vor diesem wie auch anderen Viren empfehlen Experten gewöhnliche Hygienemaßnahmen: regelmäßiges Händewaschen, Desinfektionsmittel und Abstand zu Erkrankten. Den Nutzen von normalen Atemmasken – wie derzeit in China und anderen Ländern überall auf den Straßen zu sehen – schätzen Experten als eher gering ein. Helfen kann es, Umarmungen und Händeschütteln einzuschränken und von vielen Menschen berührte Oberflächen wie Türklinken, Haltegriffe und Aufzugknöpfe nicht anzufassen.
Kann ich mich anstecken, wenn ich ein Paket aus China oder anderen Risikogebieten bekomme?
Grundsätzlich sei unklar, wie lange das Virus auf Oberflächen überlebt, sagt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Studien legten nahe, dass es einige Stunden oder Tage seien – abhängig von Bedingungen wie Oberfläche, Temperatur oder Feuchtigkeit. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Infizierter Waren mit dem Virus verunreinigt, stuft die Behörde als gering ein. Auch das Risiko, dass sich ein Empfänger über ein Paket ansteckt, das auf dem Transport unterschiedlichen Bedingungen und Temperaturen ausgesetzt ist, sei gering.
Importierte Lebensmittel und Waren wie Spielzeug, Computer oder Kleidung seien als Infektionsquellen ebenfalls unwahrscheinlich, sagt das Bundesinstitut für Risikobewertung. Experten betonen, wie wichtig es ist, allgemeine Hygieneregeln zu beachten, also etwa sich regelmäßig die Hände zu waschen.
Was tue ich, wenn ich fürchte, mich angesteckt zu haben?
Wer Kontakt zu einem Infizierten hatte, sollte sich laut RKI zunächst bei seinem Gesundheitsamt melden, unabhängig davon, ob Symptome aufgetreten sind oder nicht. Reisende aus Risikogebieten, die Symptome haben, sollen nach telefonischer Voranmeldung mit Hinweis auf die Reise einen Arzt aufsuchen.
Was darf der Staat im Ernstfall?
Das Wesentliche regelt das bundesweit gültige Infektionsschutzgesetz (IfSG). Ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums fasst zusammen: „Wenn es erforderlich ist, können auch wichtige Grundrechte wie Freiheit der Person, Versammlungsfreiheit oder Unverletzlichkeit der Wohnung sowie das Recht auf körperliche Unversehrtheit eingeschränkt werden.“ Behörden dürfen laut dem Bayreuther Staatsrechtler Stephan Rixen Blutentnahmen und Abstriche von Haut und Schleimhäuten verlangen. Auch „Krankheitsverdächtigen“ und „Ansteckungsverdächtigen“ – wie das Gesetz es ausdrückt – könne ein Berufsverbot auferlegt werden. Zum Schutz anderer könnten Menschen auch „in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise abgesondert werden“, heißt es im Gesetz. (vb; Quelle: Annett Stein, Anja Garms, dpa)
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Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- RKI: Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2 (Stand 26.02.2020), rki.de
- RKI: Ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in der Allgemeinbevölkerung zum Schutz vor akuten respiratorischen Infektionen sinnvoll? (Stand: 19.02.2020), rki.de
- Bundesministerium für Gesundheit: Aktuelle Informationen zum Coronavirus (Stand: 26.02.2020), bundesgesundheitsministerium.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.