Corona-Pandemie könnte Begrüßungsgesten nachhaltig beeinflussen
In Deutschland und vielen anderen Teilen der Welt ist es üblich, dem Gegenüber zur Begrüßung die rechte Hand zu geben. Wer dies nicht tut oder gar eine angebotene Hand nicht ergreift, gilt schnell als unhöflich.
Beim Händeschütteln muss man sich körperlich jedoch relativ nahe kommen. Zudem werden dabei über den Hautkontakt Bakterien und Viren weitergegeben. Daher ist der Händedruck während der aktuellen Corona-Pandemie verpönt – und das könnte auch danach so bleiben. Zumindest, wenn man dem Rat einiger Forscher folgt.
Forscher fordern: COVID-19 sollte das Ende des Handschlags sein
In einem Artikel der Mayo Clinic fordern zwei Experten für Infektionskrankheiten dazu auf, auch nach Ende der akuten Corona-Pandemie nicht zum Handschlag als Begrüßungsgeste zurückzukehren. Die Mayo Clinic beruft sich dabei auf Dr. Anthony Fauci (Leiter des „National Institute of Allergy and Infectious Diseases“ und Berater des Weißen Hauses in Gesundheitsfragen) sowie auf Dr. Gregory Poland (Leiter der „Mayo Clinic Vaccine Research Group“).
In dem Beitrag der Mayo Clinic fordert Dr. Fauci, die Tradition des Handschlags aufzugeben, und zwar auch nach der COVID-19-Pandemie, da so beispielsweise ebenfalls die Ausbreitung der Influenza („Grippe“) eingedämmt werden könne. Dr. Gregory Poland stimmt ihm zu:
„Vor etwa 20 Jahren begann ich in nationalen und internationalen Vorträgen darüber zu sprechen. Die ganze Idee, die rechte Hand auszustrecken, stammt aus dem Mittelalter, als Sie durch das Ausstrecken der rechten Hand zeigten, dass Sie keine Waffe darin halten”, erläutert Dr. Poland. „Die Realität sieht so aus, dass Sie in der heutigen Zeit sozusagen eine Biowaffe tragen könnten. Ich denke, es gibt viel sicherere und kulturell angemessenere Wege, einen Gruß zu übermitteln.“
Tatsächlich wiesen britische Forschende bereits 2014 in einer im „American Journal of Infection Control“ veröffentlichten Studie nach, dass beim Händedruck infektiöse Erreger von Mensch zu Mensch übertragen werden. Die Studie belegte auch, dass bei alternativen Begrüßungsformen wie dem Abklatschen („High Five“) oder dem Faustgruß (umgangssprachlich als „Ghetto-Faust“ oder „Fist Bump“ bekannt) deutlich weniger Keime übertragen werden:
„Wir haben ein experimentelles Modell entwickelt, um die Übertragung von Bakterien während des Begrüßungsaustauschs zu testen, und konnten zeigen, dass die Übertragung bei alternativen so genannten Dap-Grüßen, bekannt als High Five und Fauststoß, im Vergleich zu einem traditionellen Händedruck dramatisch reduziert ist. Die Aneignung des Faustgrußes als Begrüßung könnte die Übertragung von Infektionskrankheiten zwischen Individuen erheblich reduzieren.“
Wie werden Krankheitserreger beim Händeschütteln übertragen?
Unter dem Stichwort Infektionsschutz erklärt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), wie die Übertragung von Krankheitserregern von Mensch zu Mensch funktioniert. Dabei spielt das Händeschütteln eine wichtige Rolle:
„Wenn zum Beispiel ein Grippe-Patient in die Hand niest, haften die Viren im Anschluss an der Handfläche. Gibt der Erkrankte nun einem anderen Menschen die Hand, können die Viren weiter wandern. Falls dieser Mensch danach seine Hand zum Mund, zur Nase oder den Augen führt, kann er sich über die Schleimhäute mit dem Erreger anstecken“, beschreibt die BZgA die sogenannten „Kontaktinfektion“ oder „Schmierinfektion“ am Beispiel des Influenza-Virus (Grippe-Erreger).
Woher stammt der Handschlag?
Dr. Poland nennt in seinem obigen Zitat das Mittelalter als die Epoche, in der die kulturelle Begrüßungsgeste des Handschlags entstand.
In einem Beitrag des Wissenschaftsmagazins Spektrum über Begrüßungsrituale sieht der Humanethnologe und Anthropologe Wulf Schiefenhövel den Beginn des Händeschüttelns hingegen noch weit früher: „Im antiken Griechenland und im Römischen Reich haben sich die Menschen offenbar schon vor einigen tausend Jahren die Hände gedrückt”, so Schiefenhövel.
Bis heute ist nicht genau geklärt, wo und wann dieses soziale Ritual seinen Ursprung nahm. In jedem Fall hat es sich nicht weltweit durchgesetzt; der Handschlag ist nur eine von vielen möglichen Begrüßungsgesten und mancherorts sogar verpönt. „In manchen Kulturen wird das Händeschütteln gerade zwischen Frau und Mann als fast intime körperliche Beziehung und daher als unpassend empfunden”, erklärt Wulf Schiefenhövel, so etwa in islamisch geprägten Gesellschaften.
Was soll die Geste vermitteln?
Einig sind sich Schiefenhövel und Poland darin, was die Geste des Handgebens bedeutet: Sie solle zeigen, dass man keine Waffe darin hält und sich dem Gegenüber in friedlicher Absicht nähert.
Darüber hinaus werden beim Händeschütteln auch Geruchsstoffe und weitere non-verbale Informationen übermittelt, anhand derer man sich gegenseitig besser einschätzen kann: „Das ist eine Geste, die Nähe vermittelt. Über die man sich selbst darstellen kann, je nachdem, wie fest man drückt. Und das Gegenüber kann zum Beispiel feststellen, ob man schwitzt oder angespannt ist”, erklärt Schiefenhövel.
Ob der Handschlag nach der COVID-19-Pandemie eine Zukunft hat oder wir uns demnächst vielleicht per Faustgruß begrüßen werden, ist noch unklar – wie so Vieles in diesen Tagen. Aus medizinischer Sicht wäre es jedenfalls sinnvoll, auf das Händeschütteln als Begrüßungsgeste zukünftig zu verzichten. (kh)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Stiepan, DeeDee: Is COVID-19 the end of the handshake as we know it?; (veröffentlicht am 13.04.2020), Mayo Clinic
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Schmierinfektion. Wie werden Erreger bei einer Kontaktinfektion übertragen?; (abgerufen am 14.04.2020), BZgA
- Pyritz, Lennart: Begrüßungsrituale. Warum wir Hände schütteln; (veröffentlicht am 23.11.2016), Spektrum
- Mela, Sara, Whitworth, David E.: The fist bump: A more hygienic alternative to the handshake; in: American Journal of Infection Control (AJIC), Volume 42, Issue 8, Seite 916–917, 2014, AJIC
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