COVID-19: Luftverschmutzung könnte Einfluss auf Krankheitsverlauf haben
In den Medien wird täglich über die neuesten Coronavirus-Infektions- und Todeszahlen berichtet. Dabei zeigt sich, dass es bei der Sterblichkeitsrate erhebliche Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern gibt. Eine Erklärung dafür könnte auch die unterschiedlich starke Luftverschmutzung in den verschiedenen Regionen sein.
Die Zahl der Toten durch Coronavirus-Erkrankungen (COVID-19) in Deutschland ist gemessen an der Zahl der nachgewiesenen Infektionszahlen vergleichsweise gering. In Ländern wie Italien ist die Fallsterblichkeitsrate deutlich höher. Laut Fachleuten können die Unterschiede unter anderem mit der Altersstruktur und den medizinischen Bedingungen erklärt werden. Eine Rolle könnte aber auch die Luftverschmutzung spielen.
Mehr Todesfälle in Regionen mit einer dauerhaft hohen Schadstoffbelastung
Laut einer aktuellen Mitteilung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) könnten hohe Stickstoffdioxid-Werte in der Luft in Zusammenhang mit hohen Todeszahlen in Folge von COVID-19-Erkrankungen stehen. Eine neue Studie der LMU liefert für diese Vermutung erstmals konkrete Zahlen.
Den Angaben zufolge kombiniert die Arbeit Satelliten-Daten zur Luftverschmutzung und zu Luftströmen mit bestätigten Todesfällen in Zusammenhang mit COVID-19. Die Studie zeigt, dass Regionen mit einer dauerhaft hohen Schadstoffbelastung deutlich mehr Todesfälle als andere Regionen haben.
Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Science of the Total Environment“ veröffentlicht.
Coronavirus befällt die Atemwege
Wie in der Mitteilung erklärt wird, ist Stickstoffdioxid ein Schadstoff in der Luft, der die Atemwege des Menschen schädigt. Es ist schon seit vielen Jahren bekannt, dass er beim Menschen zahlreiche Atemwegserkrankungen oder auch Herz-Kreislaufbeschwerden begünstigen kann.
„Da das neuartige Coronavirus ebenfalls die Atemwege befällt, liegt die Vermutung nahe, dass es einen Zusammenhang zwischen der Luftverschmutzung und den Todeszahlen bei Covid-19 geben könnte“, so Dr. Yaron Ogen vom Institut für Geowissenschaften und Geographie der MLU.
Allerdings fehlte es hierfür bislang an belastbaren Zahlen.
Hotspots mit hoher Luftverschmutzung und geringer Luftbewegung
In der neuen Studie kombinierte der Geowissenschaftler drei Datensätze miteinander: Die Messungen zur regionalen Belastung mit Stickstoffdioxid stammen von dem Satelliten Sentinel 5P der Europäischen Weltraumbehörde ESA, der die Luftverschmutzung der Erde kontinuierlich überwacht.
Anhand dieser Daten erstellte der Experte eine globale Übersicht für Regionen mit einer hohen und langanhaltenden Stickstoffdioxid-Belastung. „Ich habe mir die Werte für Januar und Februar dieses Jahres angeschaut, bevor die Corona-Ausbrüche in Europa begonnen haben“, erklärt Ogen.
Diese Daten kombinierte der Forscher mit den Angaben der US-Wetterbehörde NOAA zu den vertikalen Luftströmen.
Die Idee dahinter: Wenn die Luft in Bewegung ist, werden auch die bodennahen Schadstoffe stärker verteilt. Bleibt die Luft aber eher am Boden, gilt das auch für die Schadstoffe in der Luft, die dann eher vom Menschen eingeatmet werden und zu gesundheitlichen Problemen führen.
Mit Hilfe dieser Daten konnte der Wissenschaftler weltweit Hotspots mit einer hohen Luftverschmutzung und gleichzeitig einer geringen Luftbewegung ausmachen.
Hohe Belastung mit Stickstoffdioxid
Diese verglich Ogen dann mit den Angaben zu Todesfällen in Zusammenhang mit COVID-19. Speziell analysierte er die Angaben aus Italien, Frankreich, Spanien sowie Deutschland.
Es stellte sich dabei heraus, dass vor allem die Regionen eine hohe Todeszahl aufweisen, in denen sowohl die Belastung mit Stickstoffdioxid besonders hoch als auch der vertikale Luftaustausch besonders gering sind.
„Wenn wir uns beispielsweise Norditalien, den Großraum Madrid oder die Provinz Wuhan in China anschauen, sehen wir eine Besonderheit: Sie alle sind umgeben von Bergen. Das macht es noch einmal wahrscheinlicher, dass die Luft in diesen Regionen stabil und die Belastung mit Schadstoffen höher ist“, erklärt Ogen.
Laut Ogen sei der Vorteil seiner Analyse, dass sie auf der Ebene einzelner Regionen ansetzt und nicht nur Länder miteinander vergleicht. Für ein Land könne es zwar einen Durchschnittswert für die Luftverschmutzung geben, der jedoch von Region zu Region sehr unterschiedlich ausfallen könnte und deshalb kein verlässlicher Indikator sei, so der Wissenschaftler.
Schlechterer Gesundheitszustand in den betroffenen Regionen
Ogen nimmt an, dass diese langanhaltende Luftverschmutzung in den betroffenen Regionen insgesamt zu einem schlechteren Gesundheitszustand der Menschen geführt haben könnte und dass diese deshalb besonders anfällig für das Virus sind.
„Meine Arbeit zu dem Thema ist aber nur ein erster Hinweis, dass es offenbar einen Zusammenhang zwischen dem Grad der Luftverschmutzung, der Luftbewegung und der Schwere des Verlaufs von Corona-Ausbrüchen gibt“, so der Geowissenschaftler.
Dieser Zusammenhang müsste nun für weitere Regionen untersucht und in einen größeren Kontext gesetzt werden. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU): Corona und Luftverschmutzung: Welchen Einfluss hat Stickstoffdioxid auf den Krankheitsverlauf?, (Abruf: 20.04.2020), Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU)
- YaronOgen: Assessing nitrogen dioxide (NO2) levels as a contributing factor to coronavirus (COVID-19) fatality; in: Science of the Total Environment, (veröffentlicht: 11.04.2020), Science of the Total Environment
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.