Übergewicht: Bestimmte Nervenzellen steuern das „Überessen“ von hochkalorischer Nahrung
Die Zahl der Menschen mit Übergewicht steigt immer weiter an. Neben Bewegungsmangel ist vor allem eine falsche Ernährung ein häufiger Grund für die Gewichtszunahme. Doch warum ist die Lust auf ungesunde, hochkalorische Nahrungsmittel eigentlich so groß? Eine Antwort darauf gibt nun ein Forschungsteam aus Deutschland.
In unserer modernen Gesellschaft sind ständig hochkalorische, energiedichte Nahrungsmittel verfügbar. Laut einer Mitteilung haben Forschende vom Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung in Köln herausgefunden, dass eine Gruppe von Nervenzellen im Gehirn von Mäusen den Konsum von fettreicher Nahrung fördert. Wenn diese sogenannten Nozizeptin-Neurone im Hypothalamus aktiviert werden, beginnen die Tiere mehr zu fressen.
Zahl der Übergewichtigen steigt
Immer mehr Menschen sind zu dick. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) im vergangenen Jahr mitteilte, stieg die Zahl der Übergewichtigen in Deutschland auf 53 Prozent. Der Anteil der adipösen Menschen betrug rund 16 Prozent.
Auch die Zahl der mit Übergewicht einhergehenden Krankheiten wie Diabetes mellitus und Herzkreislauf-Erkrankungen ist gestiegen.
In den meisten Fällen ist Übergewicht beziehungsweise Adipositas (Fettleibigkeit) auf einen ungesunden Lebensstil mit wenig Bewegung und viel energiereichem Essen zurückzuführen.
Erkenntnisse aus Tierversuchen
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung aus dem Labor von Jens Brüning haben in Tierversuchen an Mäusen untersucht, welche Nervenzellen genau das „Überessen“ von hochkalorischer Nahrung steuern.
Den Angaben zufolge wurden die Tiere dazu mit einer besonders fettreichen Nahrung gefüttert und anschließend untersucht.
„Schon drei Tage fettreiche Ernährung reichten aus, um erhöhte Aktivität von Nozizeptin-Neuronen im Nucleus arcuatus des Hypothalamus nachzuweisen,“ erläutert Alexander Jais, Erstautor der Studie.
Gehemmtes Sattheitsgefühl
Wie in der Mitteilung erklärt wird, wurden Mäusen in einem weiteren Experiment selektiv die Nozizeptin-Neurone im Nucleus arcuatus des Hypothalamus entfernt. Als Folge „überfraßen“ sich diese Tiere nicht mehr an der Hochfettdiät.
Normales Futter fraßen die Mäuse dagegen wie zuvor. Folglich können die Nozizeptin-Neurone spezifisch die Nahrungsaufnahme von fettreicher Nahrung steuern.
In weiteren Versuchen nutzte das Forschungsteam genetisch veränderte Mäuse, bei denen sich die Aktivität der Nozizeptin-Neurone im Hypothalamus mittels Licht kontrollieren lässt.
„Die Aktivierung dieser Gehirnzellen führte zu einer übermäßigen Nahrungsaufnahme bei den Tieren“ so Jais. „Durch die Aktivierung von Nozizeptin-Neuronen werden das Sattheitsgefühl regulierende Neurone gehemmt, und die Tiere nehmen dadurch mehr Nahrung zu sich.“
Beginnt Übergewicht im Kopf?
Energiereiche Nahrung führt dazu, dass in kurzer Zeit wesentlich mehr Kalorien konsumiert werden.
„Wir sind permanent von fett- und kohlenhydratreichen Lebensmitteln umgeben, und unser Gehirn ist so verdrahtet, dass wir genau diese hochkalorischen Nahrungsmittel besonders gerne essen“, erklärt Jais.
„Es ist nach wie vor nicht bekannt, warum einige Menschen es schaffen, nur so viel zu Essen, wie sie brauchen und andere nicht. Eine mögliche Erklärung könnte nun die individuelle Aktivität von Nozizeptin-Neuronen liefern.“
Problem des Adipositas-Anstiegs besser kontrollieren
Um das weltweite Problem des Anstiegs der Adipositas-Erkrankungen besser zu kontrollieren, ist laut den Fachleuten ein grundlegendes Verständnis der Steuerung des Stoffwechsels wichtig.
„Auch die aktuelle Covid-19-Pandemie führt uns vor Augen, dass Adipositas und damit verbundenen Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes Risikofaktoren darstellen“, so Jais.
„Auch deshalb müssen wir besser verstehen, wie das Nervensystem den Verzehr hochkalorischer, fett- und kohlenhydratreicher Nahrungsmittel steuert.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung: Spezialisierte Nervenzellen machen Lust auf fettreiche Nahrung, (Abruf: 21.04.2020), Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung
- Statistisches Bundesamt (Destatis): 53 % der Erwachsenen waren 2017 übergewichtig, (Abruf: 21.04.2020), Destatis
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.