Virologe Christian Drosten: “Wir verspielen vielleicht den Vorsprung”
Der Virologe Prof. Christian Drosten hat sich in dem NDR Podcast “Coronavirus-Update” gegen Lockerungen des öffentlichen Lebens ausgesprochen. Der Experte befürchtet eine unkontrollierte Ausbreitung des SARS-CoV-2 Virus in Deutschland. Bisherige Erfolge in der Eindämmung könnten zunichte gemacht werden.
Der Vorsprung könnte verspielt werden
Bisherige Erfolge bei der Eindämmung des SARS-CoV-2 Virus könnten verspielt werden, so der Leiter der Virologie an der Charité in Berlin. Durch die Lockerungen könne die positive Entwicklung zunichte gemacht werden. Er bedauere es “so sehr zu sehen, dass wir gerade dabei sind, vielleicht diesen Vorsprung hier komplett zu verspielen”.
Im weltweiten Vergleich zähle Deutschland zu den erfolgreichsten Ländern bei der Bekämpfung der Pandemie. Denn der Ausbruch sei sehr früh erkannt worden, ohne dass bereits überlastete Kliniken und hohe Sterblichkeit den Startschuss für Maßnahmen gegebenen hätten. In anderen Ländern sei dies nicht so gewesen. Deutschland habe einen Monat Vorsprung im Vergleich zu Italien oder Spanien gehabt.
“Ich glaube von der Politik sei es sehr gut gemeint gewesen, man könne schon sehr gut erkennen, dass man bei den Lockerungen sehr genau ins Detail geschaut hat und vor hatte, die Neuinfektionen stark zu umgrenzen.” Aber das darf “uns nicht entgleiten, das sei jetzt sehr wichtig”, so Drosten.
In diesem Zusammenhang kritisierte der Virologe, dass nun wieder ganze Shoppingcenter voller Menschen seien, weil in den Shoppingmalls die einzelnen Geschäfte kleiner als 800 Quadratmeter seien. “Man muss sich da schon mal fragen, ob das alles noch wirklich sinnvoll ist.” Wir seien in einem sehr fragilen Bereich, so der Forscher. “Das kann man nicht machen, wenn man nicht will, dass wir wieder über R1 kommen.” R1 benennt die Reproduktionszahl. Das bedeutet, dass im Mittel fast jeder Corona-Infizierte eine andere Person infiziert.
Einzelauslegungen könnten neue Infektionsketten auslösen
Immer wieder bekäme er Mails von Bürgerinnen und Bürgern, die ihn fragten, wie Einzelauslegungen auszusehen hätten. Drosten warnte eben vor jenen “Einzelauslegungen” nach den ersten Lockerungen. „Wenn alle anfangen, sich die eigenen Interpretationsspielräume auszulegen, ganz frei, dann starten an vielen Orten in Deutschland plötzlich neue Infektionsketten.“
Drosten würde es nicht verwundern, wenn über den Mai und den Juni hinein plötzlich eine Situation entstünde, “die wir nicht kontrollieren können, wenn wir nicht aufpassen”. Es könne dann viel mehr “Startpunkte für das Virus als zu Beginn der Epidemie” geben. (sb)
Autoren- und Quelleninformationen
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- Christian Drosten in Coronavirus-Update #34: "Verspielen wir unseren Vorsprung?", NDR Podcast
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