Potenzielles Corona-Medikament: Uni-Pharmazeuten stellen Tabletten selber her
Das Malaria-Medikament Hydroxychloroquin gilt als potenzielles Mittel zur Prophylaxe und Behandlung von COVID-19. Daher ist die Nachfrage nach dem Wirkstoff enorm gestiegen, so dass es inzwischen zu Engpässen in der Versorgung damit gekommen ist. Wissenschaftler aus der Schweiz haben deswegen damit begonnen, Tabletten selber herzustellen.
Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. hat vor kurzem in einer Mitteilung darauf hingewiesen, dass die Nachfrage nach Hydroxychloroquin (HCQ) aufgrund der aktuellen Situation in Hinblick auf COVID-19 stark gestiegen ist. Das hat laut den Fachleuten zu Versorgungsengpässen geführt. Auch in der Schweiz war das mögliche Corona-Medikament nicht mehr auf dem Markt erhältlich. Daher haben Pharmazeuten der Universität Basel damit begonnen, ein Generikum herzustellen.
Wirksamkeit wird in Studien untersucht
Wie die Universität Basel in einer aktuellen Mitteilung schreibt, gilt der Wirkstoff mit dem etwas sperrigen Namen Hydroxychloroquin als potenzielles Medikament zur Prophylaxe und Behandlung von COVID-19.
Wie gut sich das Mittel dafür eignet, wird zurzeit in mehreren klinischen Studien untersucht. Zum Teil wurden dazu auch schon Ergebnisse veröffentlicht. Diese fallen nicht gerade positiv aus.
So berichteten Forschende aus den USA in einem auf dem Preprint-Server medRxiv (PDF) veröffentlichten Artikel, dass Hydroxychloroquin keinen positiven Effekt auf Patientinnen und Patienten mit COVID-19 hat. Bei den mit dem Präparat behandelten Patientinnen und Patienten sei ganz im Gegenteil sogar die Sterblichkeit erhöht gewesen.
Mittel zur Behandlung von rheumatologischen Erkrankungen
Doch andere Untersuchungen laufen noch. Daher ist noch immer ein Rennen um die Beschaffung des Wirkstoffs im Gang. Indien, eines der größten Produzentenländer, hatte die Ausfuhr zwischenzeitlich sogar verboten.
Erst nach Drohungen des US-amerikanischen Präsidenten, der das Medikament als „Game Changer“ und als „Geschenk Gottes“ im Kampf gegen das Coronavirus bezeichnet hatte, gab Indien den Export in begrenzten Mengen wieder frei.
Hydroxychloroquin wirkt entzündungshemmend, immunmodulierend und antiviral. Es wird vorwiegend als Malariamittel eingesetzt, es kommt aber in der Schweiz und in Deutschland auch zur Behandlung von rheumatologischen Erkrankungen zum Zug.
Zu normalen Zeiten ist der Wirkstoff in Form von Filmtabletten im Handel verfügbar, doch angesichts des positiven Effekts, den man sich bei der Behandlung von COVID-19 erhofft, ist der internationale Markt ausgetrocknet.
Dies ist insbesondere für Patientinnen und Patienten ein Problem, die das Produkt zur Behandlung von chronischen rheumatologischen Leiden benötigen.
Innerhalb von zehn Tagen ein Generikum produziert
Um diesen Versorgungsengpass zu überbrücken, hat ein Wissenschaftlerteam der Universität Basel unter Leitung von Dr. Maxim Puchkov damit begonnen, die Tabletten selber herzustellen.
„In letzter Minute“, so Prof. Jörg Huwyler vom Departement Pharmazeutische Wissenschaften, sei es gelungen 50 Kilogramm des Wirkstoffs Hydroxychloroquin bei einem Schweizer Zwischenhändler zu beschaffen. Ein Teil des Wirkstoffes wurde deutschen Krankenhäusern als Nothilfe zur Verfügung gestellt. 40 Kilogramm des verbleibenden Materials werden vom Schweizerischen Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung verwaltet.
Inzwischen haben die Forschenden aus Basel ein pharmazeutisches Verfahren entwickelt, um Tabletten herzustellen, die sich oral verabreichen lassen. „Mein Team hat innerhalb von zehn Tagen quasi ein Generikum produziert“, erklärt Huwyler.
Den Angaben zufolge haben die Pharmazeuten eine erste Charge von 4.000 Tabletten hergestellt, was zur Behandlung von 400 Patientinnen und Patienten reichen würde. Zurzeit lagern die Pillen als potenzielle Therapie-Reserve in der Spitalapotheke des Universitätsspitals Basel.
Insgesamt ließen sich aus dem vorhandenen Wirkstoff aber 200.000 Dosen für insgesamt 20.000 Patientinnen und Patienten produzieren. Die Herstellungsprotokolle werden in Kürze in Form einer wissenschaftlichen Publikation zur freien Verfügung gestellt.
Medikament mit starken Nebenwirkungen
Professor Huwyler zufolge wird Hydroxychloroquin in der Schweiz bereits experimentell zur Behandlung von hospitalisierten Patientinnen und Patienten verwendet, die schwer an COVID-19 erkrankt sind.
Doch angesichts der beschränkten Verfügbarkeit und dem Risiko starker Nebenwirkungen seien Ärztinnen und Ärzte bisher sehr zurückhaltend gewesen, das Medikament zu verschreiben.
„Wir hoffen, mit unserer Produktion beitragen zu können, die derzeitigen Versorgungsengpässe in der Schweiz zu überbrücken“, sagt Huwyler.
Dies würde auch die Situation der chronischen Patientinnen und Patienten entspannen, die diese Behandlungen benötigen. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität Basel: Mögliches Corona-Medikament: Uni-Pharmazeuten stellen ein Generikum her, (Abruf: 26.04.2020), Universität Basel
- Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V.: Engpässe in der Versorgung mit Hydroxychloroquin (HCQ) – Lösungen in Sicht (Abruf: 26.04.2020), Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V.
- Joseph Magagnoli, Siddharth Narendran, Felipe Pereira, Tammy Cummings, James W. Hardin, S. Scott Sutton, Pharm.D., Jayakrishna Ambati: Outcomes of hydroxychloroquine usage in United States veterans hospitalized with Covid-19; Veröffentlichung auf der Webseite medRxiv, (veröffentlicht: 21.04.2020), medRxiv
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.