Entdeckt: Neuer Risikofaktor für Arterienverkalkung
Bei rund neun von zehn Personen, die unter chronischen Durchblutungsstörungen leiden, liegt eine Arterienverkalkung (Arteriosklerose) vor, also eine schadhafte Verengung der Blutbahnen, die schwerwiegende Folgen für Herz, Gehirn, Niere und andere Organe oder Körperregionen haben kann. Während die Auswirkungen eines solchen Engpasses in den Gefäßen gut bekannt sind, sind die genauen Ursachen und Risikofaktoren zum Teil noch ungeklärt. Ein internationales Forschungsteam entdeckte nun, dass Unregelmäßigkeiten im Blutstrom die Entstehung einer Arteriosklerose fördern.
Forschende der Universität Bremen identifizierten einen bislang unbekannten Risikofaktor für die Entstehung von Arterienverkalkungen. Die Regelmäßigkeit, mit der der Blutstrom durch den Körper zirkuliert hat einen Einfluss auf die Gesundheit der Blutgefäße. Unregelmäßigkeiten können Turbulenzen auslösen, die die Entwicklung von Arteriosklerose vorantreiben. Die Studienergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Wissenschaftsjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) vorgestellt.
Gleichmäßige Blutzirkulation hält die Gefäße gesund
Aus der Physik weiß man, dass in einer Flüssigkeit keine Verwirbelungen entstehen, wenn sie ausreichend langsam durch ein Rohr gepumpt wird. Dass dieses Prinzip auch auf die menschlichen Blutgefäße übertragen werden kann, zeigte ein Forschungsteam des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM). Je unregelmäßiger das Blut durch die Gefäße gepumpt wird, desto wahrscheinlicher sind Entzündungen und Funktionsstörungen der inneren Schicht der Blutgefäße, was wiederum die Entwicklung der Zivilisationskrankheit Arteriosklerose fördert, berichten die Forschenden.
Neue Erkenntnisse in der Strömungsmechanik
Bislang ist man davon ausgegangen, dass aufgrund der geringen Fließgeschwindigkeit und der hohen Zähigkeit (Viskosität) des menschlichen Blutes keine Verwirbelungen im Blutkreislaufsystem entstehen. Das Team zeigte jedoch, dass pulsierende Strömungen, wie der Blutkreislauf, anfälliger für Turbulenzen sind, als stetig fließende Strömungen. Pulsierende Strömungen reagieren in einem höheren Maße auf geometrische Unregelmäßigkeiten wie Krümmungen, Unebenheiten oder Verengungen. Solche Unregelmäßigkeiten sind in menschlichen Blutbahnen häufig vorzufinden.
Die Forschenden zeigten sowohl theoretisch als auch in Experimenten, dass diese neue Erkenntnis für das Kreislaufsystem des Menschen gilt. In einem Versuch dokumentierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie an einem kritischen Bereich im Blutstrom Verwirbelungen entstehen, die sich mit jedem Herzschlag abmilderten und sich zwischen den Herzschlägen neu bildeten. So kann es in jedem einzelnen Pulszyklus zu einer Störung des Blutstroms kommen.
Welche Auswirkung haben diese Turbulenzen?
Die Innenwände der Blutgefäße (Endothel) reagieren äußerst sensibel auf Reibungen, da sie auf einen gleichmäßigen Fluss in eine Richtung eingestellt sind. An den Stellen, wo regelmäßig Turbulenzen auftauchen, kommt es häufig zu zellulären Dysfunktionen im Endothel. Diese Dysfunktion kann sich durch eine Entzündung der Gefäßinnenwände äußern, die sich auf lange Sicht dann zu einer Arteriosklerose ausweiten kann.
Arteriosklerose an zahlreichen Todesfällen beteiligt
Gefäßverkalkungen sind häufige Ursachen für Herzinfarkte, Schlaganfälle oder sonstige Verschlüsse der Blutbahnen. Arteriosklerose ist somit im großen Maße an den häufigsten Todesursachen weltweit beteiligt. Die Studie verdeutlicht die hohe Komplexität und Sensibilität unseres Blutkreislaufsystems und bietet neue Ansätze für Strategien bei Durchblutungsstörungen. (vb)
Ausführliche Informationen über Arteriosklerose finden Sie im Artikel „Arterienverkalkung – Symptome, Ursachen und Therapie“.
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- ZARM, Universität Bremen: Turbulenter als gedacht (veröffentlicht: 05.05.2020), zarm.uni-bremen.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.